AfD im Landtag:Die gespaltene Partei

AfD-Fraktion im bayerischen Landtag

Die AfD im Bayerischen Landtag ist tief gespalten.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)
  • Die AfD-Fraktion im Landtag ist gespalten. Wie sehr, das wurde am Freitag bei den Vorstandswahlen deutlich, als nur zwölf von 20 Mitgliedern erschienen.
  • Um die tiefen Gräben zu überwinden, kündigte die Fraktionschefin Ebner-Steiner erneut an, man wolle "eine gemeinsame Arbeitsbasis" finden.
  • Eine Teilung in zwei Fraktionen ist jedoch nicht möglich. Das untersagt Paragraf fünf der Geschäftsordnung des Bayerischen Landtags.

Von Johann Osel und Wolfgang Wittl

Nach der öffentlich demonstrierten Spaltung der AfD-Fraktion bei den Vorstandswahlen am Freitag will sich das gemäßigtere Lager neu sortieren. Spekulationen, wonach bald Austritte aus der Fraktion anstünden, wiesen Abgeordnete aber auf Anfrage zurück. Am Freitag waren zur Wahl des neuen Vorstands nur zwölf von 20 Mitgliedern erschienen. Diese wählten Katrin Ebner-Steiner, Frontfrau des völkischen "Flügels" in Bayern, und Ingo Hahn einstimmig als neue Vorsitzende sowie ein zuvor vereinbartes Führungsteam - ohne Gegenkandidaten.

"Wir müssen uns ernsthaft darüber unterhalten, ob und wie das künftig weitergehen kann, auch wenn ich offen gestanden momentan nicht sehr optimistisch bin", sagte der ferngebliebene Abgeordnete Uli Henkel der SZ. "Ich bin maßlos darüber enttäuscht, dass man erneut so verfahren ist: Erst wird im Vorfeld alles ausbaldowert und dann zu einer Alibi-Veranstaltung eingeladen. Wir sind doch keine Statisten, die zum Abnicken anreisen." Das passe zum "gewohnt unkollegialen" Führungsstil - "par Ordre de Mufti".

Ein Patt - zehn zu zehn - zwischen den Lagern, wie es noch im Juli bestand, konnte Ebner-Steiner jüngst bei der Herbstklausur zu ihren Gunsten auflösen; laut Teilnehmern mittels finanzieller Zulagen für Abgeordnete. Danach wurde eine Neuwahl kurzfristig und überraschend angesetzt. Manche der acht Ferngebliebenen hatten andere Termine, einige boykottierten gezielt. Ebner-Steiner will dennoch "eine gemeinsame Arbeitsbasis finden". Dies hatte sie jedoch bereits öfter angekündigt, ohne dass die tiefen Gräben in der Fraktion überbrückt worden wären. Zwei Abgeordnete, Raimund Swoboda und Markus Plenk, traten 2019 aus - mit harscher Schelte über den Flügel, der bundesweit vom Thüringer Björn Höcke dominiert ist. "Das erste Jahr war dem organisatorischen Aufbau der Fraktion gewidmet. Jetzt starten wir die inhaltliche Offensive", so Ebner-Steiner.

Die drei Abgeordneten Franz Bergmüller, Anne Cyron und Christian Klingen, hatten am Freitag in einer Erklärung beklagt: "In einem schier unglaublichen Machtstreben überschreitet die Fraktionsvorsitzende unserer Ansicht nach jede Grenze. Unser Fazit: Das ist nicht die AfD, in die wir eingetreten sind." In Fraktionskreisen hieß es am Wochenende, auch andere Kritiker trügen die Erklärung mit; der Satz mit dem Fazit bedeute aber nicht Austritte aus der Fraktion, "zumindest nicht derzeit".

"Die CSU kann dem ganzen Theater genussvoll zuschauen", sagt Uli Henkel. "Nur wir Bürgerlichen wären doch eine ernsthafte Gefahr für die Regierung, weil wir ja Wähler binden könnten. Mit einem, ich sage mal verkürzt, Thüringer Weg, mit Hardcore-Reden und Eklats im Plenum kann man in Bayern aber keine großen Wahlerfolge feiern." Er habe "vom Wähler den Auftrag erhalten, für Inhalte und eine blaue Politik zu kämpfen. Das sollte im Wettstreit mit den anderen Parteien stattfinden und nicht intern". Dass es die AfD nicht längst in zwei separate Fraktionen zerrissen hat, liegt wohl daran, dass dies gar nicht geht.

Es ist nur ein kleiner Satz, aber mit einer großen Wirkung: In Paragraf fünf der Geschäftsordnung des Bayerischen Landtags heißt es seit ein paar Monaten zur Gründung von Fraktionen: "Mitglieder des Landtags, die derselben Partei angehören, dürfen nur eine Fraktion bilden." Der Satz wurde erst zu Beginn dieser Legislaturperiode eingefügt - und man übertreibt wohl nicht, wenn man ihn als Kernbestandteil einer "Lex AfD" bezeichnet.

Tobias Reiß fühlt sich seit dem vergangenen Freitag jedenfalls vollumfänglich bestätigt. Reiß ist der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Fraktion, in deren Reihen die Idee für diese zwölf Worte geboren wurde. Mit Blick auf die Entwicklung in anderen deutschen Parlamenten habe man nach der Wahl in Bayern schnell erkannt, dass eine derartige Ergänzung nötig sei. "Streit darf nicht belohnt werden", sagt Reiß. Die Zerrissenheit der AfD sei schon damals offensichtlich gewesen. Auf der einen Seite Abgeordnete "mit einem bürgerlichen Mäntelchen"; auf der anderen jene, "die immer radikaler nach rechts" rückten. Das Beispiel Baden-Württemberg, wo sich die AfD vorübergehend in zwei Fraktion aufspaltete, war Warnung genug für die Bayern.

Der Status einer Fraktion ist immer mit Privilegien verbunden. Es geht um Geld, um Redezeiten, um Präsenz in Ausschüssen. Man könne doch "eine Abspaltung nicht privilegieren, indem man einen doppelten Status ermöglicht", sagt Reiß. Darüber waren sich alle Fraktionen im Maximilianeum schnell einig, mit Ausnahme der AfD. Nicht zuletzt könnten solche Rechte ja auch strategisch ausgenutzt werden, wenn die beiden aufgespaltenen Fraktionen insgeheim doch zusammenarbeiteten.

"Es war vorausschauend und richtig, mit klaren Regeln zu arbeiten", bilanziert Reiß. Die Beispiele Swoboda und Plenk hätten gezeigt: Wer sich in der AfD-Fraktion nicht wohlfühle, könne jederzeit austreten. Beide haben dank Minderheitsrechten trotzdem die Möglichkeit, eineinhalb Minuten im Plenum zu sprechen. Nur mal angenommen, es würden noch mehr AfDler ihre Fraktion verlassen; hätten sie dann zusammen nicht sogar mehr Redezeit als andere Fraktionen? Reiß sagt: "Die Geschäftsordnung kann jederzeit angepasst werden."

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