Der bayerische Verfassungsschutz beobachtet den AfD-Landtagsabgeordneten Franz Schmid als Einzelperson. Schon im Mai hatte das Landesamt bestätigt, dass es nach einer entsprechenden Prüfung einen der Parlamentsneulinge der AfD im Visier hat, nannte jedoch den Namen zunächst nicht. Nun teilte das Innenministerium Details auf schriftliche Anfrage der Grünen im Landtag mit.
Das Ministerium sieht den Fall, dass „ein Abgeordneter sein Mandat zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht oder diese aktiv und aggressiv bekämpft“. Die Beobachtung von Franz Schmid sei auf dieser Grundlage „verhältnismäßig“. Der 23-Jährige, der im Oktober erstmals ins Parlament gewählt wurde, ist auch Chef der Jungen Alternative in Bayern, also dem Parteinachwuchs, sowie Beisitzer im AfD-Landesvorstand.
Hintergrund der Beobachtung sind Kontakte mit Rechtsextremisten außerhalb der AfD und zuvorderst der sogenannten Identitären Bewegung (IB). Der Abgeordnete aus Schwaben sei bestrebt, „die Vernetzung der AfD hin zum extremistischen Vorfeld der Partei zu intensivieren“. Der Verfassungsschutz bezieht sich dabei nicht nur, aber auch auf das Treffen zur „Remigration“ im schwäbischen Dasing mit dem Österreicher Martin Sellner, dem bekanntesten Kopf der IB; daran hatten Schmid sowie der AfD-Politiker Daniel Halemba teilgenommen. Schmid hatte seine Nähe zur Gruppe auch durch das Tragen eines T-Shirts der IB belegt, heißt es.
Kontakte zwischen AfD und den rechtsextremen Identitären gibt es schon seit vielen Jahren. Allerdings wurden diese früher in der Regel nicht offensichtlich zur Schau gestellt. Offiziell steht die IB auf einer „Unvereinbarkeitsliste“ der AfD.
Der Verfassungsschutz verweist zudem auf Äußerungen Schmids, „in denen ein gegen die Menschenwürde gerichteter ethnischer Volksbegriff propagiert wird“. Beim Stichwort „Remigration“ solle dieser quasi Anwendung finden. Kürzlich hatte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bei der Präsentation des Verfassungsschutzberichts betont: Rechtsextreme, IB und auch Teile der AfD verstünden unter „Remigration“ nicht nur die Rückführung ausreisepflichtiger Ausländer, sondern auch von deutschen Staatsbürgern mit Migrationshintergrund. Diese Degradierung von Menschen zu „Bürgern zweiter Klasse“ sei mit dem Grundgesetz unvereinbar. Das trifft nun im Fall Franz Schmid offenbar zu.
Weiter schreibt das Innenministerium: Finanzielle und materielle Ressourcen durch sein Mandat setze Schmid zur Förderung extremistischer Ziele ein – eben zur Vernetzung von Extremisten mit der AfD. In der Abwägung zwischen Eingriff in das freie Mandat, dem von Schmid ausgehenden „Gefährdungspotenzial“ und dem Aufklärungsinteresse des Landesamts sei insgesamt die Beobachtung gerechtfertigt.
Auch bei weiteren AfD-Abgeordneten wurde die Maßnahme geprüft, indes zum gegenwärtigen Zeitpunkt als nicht verhältnismäßig gesehen. Bei einigen wurde aber die Prüfphase verlängert. Diese Abgeordneten bleiben anonym in der Antwort des Ministeriums. Auch eine Zahl wird nicht genannt. Nach SZ-Informationen dürfte sie höchstens im mittleren einstelligen Bereich liegen; die AfD-Fraktion zählt insgesamt 32 Mitglieder.
Bayerischer Landtag:AfD-Abgeordneter Halemba wegen Volksverhetzung angeklagt
Die Staatsanwaltschaft Würzburg wirft dem 22-Jährigen darüber hinaus Geldwäsche, Nötigung und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vor. Der Landtag hatte bereits Ende April die Immunität Halembas aufgehoben.
Dass sich das Landesamt zur Beobachtung von Franz Schmid und zur Veröffentlichung des Namens entschieden hat, liegt offenbar auch an dessen Stellung innerhalb der Partei. Als Abgeordneter, Chef der AfD-Jugend im Freistaat, Vorsitzender des Kreisverbandes Neu-Ulm und Mitglied des Landesvorstands sei er „der Führungsebene der Partei zuzuordnen und kann somit maßgeblich die weitere Entwicklung der Partei mitgestalten“.
In Schmids Augen wird der Verfassungsschutz „politisch missbraucht“
Für die Beobachtung von Abgeordneten gelten hohe Hürden. 2013 definierte sie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einer Grundsatzentscheidung, damals ging es um den Linkenpolitiker Bodo Ramelow. Wenn ein Parlamentarier sein Mandat „zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht“, rechtfertige das die Maßnahme. Generell müsse aber trotzdem die Verhältnismäßigkeit mit Blick auf das freie Mandat einzeln geprüft werden. Schon beim erstmaligen Einzug der AfD in den Landtag 2018 standen zunächst drei Abgeordnete unter Beobachtung, etwa wegen rassistischer Aussagen im Wahlkampf. Anfang Januar 2019 lief die Maßnahme aus, damals unter Bezug auf die Karlsruher Schwelle.
Franz Schmid sprach auf Anfrage des Bayerischen Rundfunks von „Stasi-Methoden“ – der Verfassungsschutz „schmeißt hier wiederholt mit Schmutz, in der Hoffnung, dass irgendwas hängen bleibt“. In einem Statement an die SZ ergänzte er: „Man will offenbar mit allen Mitteln unsere immer noch guten Umfragewerte nach unten drücken“. Die Behörde werde „politisch missbraucht“ und fahre eine Kampagne gegen die AfD.
Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze, von der die Anfrage an das Ministerium nun kam, teilte mit: Der Verfassungsschutz habe „rechtlich sauber aufgezeigt“, warum Schmid beobachtet wird. Er sei „ein Politiker, der ganz offen die Idee vertritt, Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland zu vertreiben und der seine Einkünfte als Abgeordneter dazu nutzt, um rechtsextreme Organisationen zu fördern“. Schulze forderte, die Prüfung eines AfD-Verbots jetzt voranzutreiben.
Seit Sommer 2022 wird die Bayern-AfD auch als Landesverband beobachtet – das Landesamt will so aufklären, ob und inwiefern radikale Kräfte dort die Oberhand für die Gesamtausrichtung gewinnen. Der Beobachtungsauftrag erstreckt sich aber nicht auf alle Funktionäre und Mitglieder, sondern fokussiert sich nur auf Extremisten und prüft deren Einfluss. Derzeit findet das laut dem Landesamt nur über öffentlich zugängliches Material statt, nicht über nachrichtendienstliche Mittel wie das Abhören von Telefonen oder V-Leute. Demnächst wird am Verwaltungsgericht München die Verhandlung über eine Klage der Bayern-AfD gegen die Beobachtung beginnen.