Süddeutsche Zeitung

AfD-Klausur:Sänger garstiger Lieder

Überraschenderweise veranstaltet die AfD wieder einmal eine Klausur. Es kommt ein Referent, der in den Neunzigerjahren Herausgeber der Liedersammlung "Der Schlachtruf" war. Er soll jetzt Ratschläge zum Verfassungsschutz geben.

Glosse von Johann Osel

Die Fraktionen im Landtag stehen wegen der Omikron-Welle gerade vor der Frage, ob und wie ihre traditionellen Klausuren stattfinden, wer überhaupt kommt. Bei der AfD gab es die Fragen, auch fast traditionell, bereits vor Corona: Mal reiste ein Teil der Abgeordneten gar nicht an zur Klausur in Schwaben, mal wurde ein solches Treffen im Landtag abgebrochen, weil sich die zerstrittenen Lager nicht auf eine Tagesordnung einigen konnten, mal gab es keine Klausur, weil's eh nix bringt, wie es hieß.

Seit Herbst ist eine neue Fraktionsführung unter Ulrich Singer und Christian Klingen am Ruder, das Lager des abgewählten Vorstands um Katrin Ebner-Steiner und Ingo Hahn will zur Winterklausur kommende Woche dem Vernehmen nach erscheinen - kein Boykott. Eine reguläre Klausur hatte man schon lange nicht mehr, vielleicht ist die Stimmung gar harmonisch, so gesellig, dass man gemeinsam ein Liedchen anstimmt.

Da trifft es sich gut, dass nach Informationen der SZ ein echter Liedgut-Experte als Referent geladen ist. Alexander Wolf, Mitglied im AfD-Bundesvorstand und "alter Herr" der völkischen Burschenschaft Danubia zu München, tat sich in den Neunzigern als Herausgeber der Liedersammlung "Der Schlachtruf" hervor; darin zu finden war "Unsere Fahne flattert voran", der Gassenhauer der Hitlerjugend, mit dem eifrig für den Führer marschiert wurden. Allerdings waren Worte wie Hitler in Wolfs Buch durch "Deutschland" ersetzt.

Man ist ja nicht rechtsradikal, alles andere wäre eine infame Verleumdung. So betonte Wolf in Medienberichten, als die Causa 2017 publik wurde, dass auch Lieder etwa von Hans Albers gelistet seien, und heute würde er "für die Herausgabe dieser Liedersammlung nicht mehr zur Verfügung stehen". Die Fraktion erhofft sich kundige Gedanken von ihm zur drohenden Beobachtung durch den Verfassungsschutz, Wolf erstellte in einer Arbeitsgruppe der Bundespartei Analysen dazu. "Quo vadis, AfD?" soll sein Vortrag heißen zur Klausur.

Ohne Singen? Fraktionschef Singers Vorankündigung gibt keinen Hinweis darauf. Demnach soll es um die "demokratiepolitische Krise" gehen. Singer sorgt sich um die Grundrechte in der Pandemie, "wobei Ministerpräsident Söder in Bayern ein besonders restriktives Corona-Regime verfolgt".

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