Politik in Bayern:Gespaltene AfD-Fraktion sucht gemeinsamen Vertreter

Politik in Bayern: Ein gemeinsames Logo hat die AfD-Fraktion im Landtag noch, aber sonst verbindet die in zwei Lager gespaltenen Abgeordneten nicht besonders viel.

Ein gemeinsames Logo hat die AfD-Fraktion im Landtag noch, aber sonst verbindet die in zwei Lager gespaltenen Abgeordneten nicht besonders viel.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Die zerstrittenen Lager in der AfD können kaum noch vernünftig miteinander arbeiten. Bald darf die Fraktion einen der anstehenden Untersuchungsausschüsse im Landtag stellvertretend leiten - doch dafür müsste sie in Eintracht einen Vertreter wählen.

Von Johann Osel, München

Oft steckt in einer Randnotiz viel mehr, als man denkt. Die AfD-Fraktion im Landtag hat wieder einen stellvertretenden Parlamentarischen Geschäftsführer, einen Vize-PGF. Der Niederbayer Ralf Stadler hat künftig das zuletzt vakante Amt inne, dessen Träger wenig im Rampenlicht steht, sondern sich der Organisation im Parlamentsbetrieb widmet. Die Fraktion hat auch gar nicht viel Aufhebens von der Personalie gemacht, eine Meldung findet sich etwa auf Stadlers Facebook-Profil.

Tatsächlich wurde mit dem neuen Mitglied im Fraktionsvorstand allerdings ein Pflock eingerammt im Streit zwischen den beiden zerstrittenen Lagern der AfD. Die Wahl zeigt auch, dass die beiden Gruppen kaum noch vernünftig miteinander arbeiten können. Was wiederum bald Auswirkungen für den ganzen Landtag haben könnte: Noch vor Weihnachten werden zwei weitere Untersuchungsausschüsse eingesetzt, zur zweiten S-Bahn-Stammstrecke in München und zum Zukunftsmuseum Nürnberg. Und bei einem Gremium wird die AfD den Vize-Vorsitz stellen. Der aber erst mal intern gewählt werden muss.

Aber der Reihe nach: Bekanntlich liegen in der AfD die zwei Lager im Dauerclinch - die Gruppe um die früheren Fraktionsvorsitzenden Katrin Ebner-Steiner und Ingo Hahn, von der die meisten dem formal aufgelösten völkischen "Flügel" zuzurechnen sind. Und das nach eigener Deutung moderatere Lager unter Fraktionschef Ulrich Singer mit Gerd Mannes und Franz Bergmüller als Stellvertretern. Im Herbst 2021 war die jetzige Führung ans Ruder gekommen, sie hatte eine Mehrheit bei der turnusmäßigen Wahl. Durch einen Nachrücker sowie Austritte, darunter von Singers Co-Fraktionschef Christian Klingen, haben sich die Verhältnisse wieder geändert. Die aktuelle Spitze steht ohne Mehrheit da, kann nur auf acht der 17 Abgeordneten zählen; das Gegenlager auf neun.

Zwei Posten im sechsköpfigen Vorstand waren zuletzt frei, ein Vorsitzender und eben der Vize-PGF. Laut Satzung reicht ein alleiniger Chef theoretisch aus, während der stellvertretende PGF zwingend nachgewählt werden muss. Beide Posten dürfen jedoch nicht besetzt werden, da sonst mehr als ein Drittel aller Fraktionsmitglieder im Vorstand säße. Das untersagt die Satzung ebenfalls. Das Lager um Ebner-Steiner wollte mit seiner knappen Mehrheit schon länger wieder den Vorsitz neben Singer erobern. Vergangene Woche fehlten nun aus diesem Lager mehrere Abgeordnete krankheitsbedingt bei der Sitzung - und die Fraktionsspitze nutzte die Gunst der Stunde, um Stadler als Vize-PGF zu wählen. Womit jetzt bis zur Landtagswahl zementiert ist, dass es keine Doppelspitze mehr geben wird. Ebner-Steiner und ihre Leute können ihre Mehrheit also nicht in ein Führungsamt ummünzen.

Politik in Bayern: Der Niederbayer Ralf Stadler ist neuer stellvertretender Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Landtag.

Der Niederbayer Ralf Stadler ist neuer stellvertretender Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Landtag.

(Foto: privat)

"Das war schon eine Machtdemonstration der Moderaten", hört man in Fraktionskreisen. Auch wenn es aus dem unterlegenen Lager prompt heißt, Stadlers Wahl sei gar nicht korrekt gewesen, da Ebner-Steiner und Mitstreiter kurz zuvor den Saal verlassen hätten. So sei die Sitzung wegen zu weniger Anwesender nicht beschlussfähig gewesen. Darüber wird nun akut gestritten: Inwiefern kann eine Versammlung, die bei Eröffnung beschlussfähig war, es später nicht mehr sein? Kurzum: Keine Versöhnung in Sicht.

Grüne, SPD und FDP haben kürzlich ihre Pläne für zwei neue Untersuchungsausschüsse präsentiert. Das Desaster beim geplanten Bahntunnel in München sowie die Finanzierung des Technikmuseums in Nürnberg sollen beleuchtet werden. Kurioserweise wird aus der Ampel-Opposition niemand die U-Ausschüsse leiten, nicht mal stellvertretend. Die Leitungen werden (gemäß Verteilsystem nach Stärke) der CSU sowie den Freien Wählern zufallen, bei den Stellvertretern kommt einmal die CSU zum Zuge, einmal die AfD. Welcher Ausschuss es wird für Letztere, bestimmt die Reihenfolge der Beantragung - darüber beraten Grüne, SPD und FDP noch. Mancher in der AfD raunt schon über den großen Knall in der Sache - in einem U-Ausschuss oben auf dem Podest zu sitzen und kritische Fragen stellen zu dürfen, lasse sich im Wahljahr sicherlich keiner entgehen. Womöglich könne sich die AfD gar nicht auf einen Vertreter einigen, wenn frühere und aktuelle Fraktionsführung Anspruch erheben.

Wer sich direkt in Fraktionskreisen umhört, in beiden Lagern, der erlebt dagegen merkwürdige Zurückhaltung. Das passt dazu, dass sich in jüngster Zeit die AfD anscheinend selbst verordnet hat, den Streit möglichst unter der Decke zu halten - um den Trend nach oben mit wieder zwölf Prozent im BR-Bayerntrend nicht durch das öffentliche Bild einer Chaostruppe zu torpedieren. Anfragen bleiben unbeantwortet, andere drucksen herum. Und manche sehen die Sache ganz gelassen: U-Ausschüsse bräuchten ja Leute, die im Thema fit seien. Am Ende werde vielleicht einträchtig ein Mitglied des Verkehrsausschusses (moderates Lager) für die Stammstrecke oder des Finanzausschusses (Flügel-Lager) für das Museum bestimmt, je nach dem, was kommt. Ganz ohne Zoff also, hört man trotz der Vorfälle vergangene Woche allen Ernstes, man werde sich da schon "nicht balgen".

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