MeinungBayerischer Landtag:Neue AfD-Abgeordnete hat wegen Kartoffelanbau keine Zeit, ihre Politik zu erklären

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Kolumne von Thomas Balbierer

Lesezeit: 2 Min.

Im Frühling werden die Kartoffeln angepflanzt, damit sie im Spätsommer geerntet werden können. Eine Landwirtin aus dem Donaumoos muss ihren Beruf nun mit der Politik unter den Hut bringen.
Im Frühling werden die Kartoffeln angepflanzt, damit sie im Spätsommer geerntet werden können. Eine Landwirtin aus dem Donaumoos muss ihren Beruf nun mit der Politik unter den Hut bringen. (Foto: Uwe Anspach)

Eine Lokalzeitung will mit der Nachrückerin Christin Gmelch über deren neue Rolle im Landtag sprechen. Aber die Landwirtin aus dem Donaumoos ist zu beschäftigt. Über Politiker und ihre Berufe.

April und Mai sind für Kartoffelbauern wichtige Monate. In der Regel hat sich der Boden bis zum Frühling genug erwärmt, um die Saatkartoffeln ertragreich einzupflanzen. Auf dem Acker gibt es viel zu tun, die Erde muss gepflügt, gelockert und gedüngt werden. Man kann also verstehen, wenn eine Kartoffelbäuerin dieser Tage zu beschäftigt ist, um Fragen einer Lokalzeitung zu beantworten, noch dazu politische. Christin Gmelch ist aber keine normale Kartoffelbäuerin, zumindest nicht mehr. Seit dem 4. April ist sie offiziell Abgeordnete des Bayerischen Landtags, nachgerückt für den AfD-Mann Ingo Hahn, den es in den Bundestag gezogen hat.

Die Neuburger Rundschau wollte die neue AfD-Landtagsabgeordnete aus einem Dorf im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen zu deren politischen Plänen befragen. Ein Gespräch kam aber nicht zustande, „derzeit sei die 37-Jährige mit der Arbeit auf den Kartoffelfeldern massiv eingespannt und könne deshalb persönlich keine genaueren Auskünfte geben“, schrieb die Zeitung. Eine Mitarbeiterin Gmelchs teilte mit, dass ihre Chefin im Landwirtschaftsausschuss arbeiten wolle, immerhin.

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Es ist ja grundsätzlich zu begrüßen, dass in Parlamenten nicht nur Karrierepolitiker sitzen, sondern Menschen aus vielerlei Berufen. Die Perspektiven eines Landwirts oder einer Bäckerin können den politischen Diskurs bereichern. Eine Monokultur an Juristen und Berufspolitikern hat zwangsläufig Defizite in der Repräsentation. Im neuen Bundestag zum Beispiel stammen laut Statistik 459 der 630 Parlamentarier aus dem Bereich „Unternehmensorganisation, Recht, Verwaltung“, nur 20 kommen aus der Produktion oder Fertigung. Ein großes Ungleichgewicht.

Im Juli steigt die Bezahlung von Abgeordneten auf 10 178 Euro im Monat

Etwas besser sieht es im Bayerischen Landtag aus. Zwar sind laut Berufsstatistik auch hier Rechtsanwälte (24) oder Architekten (15) überrepräsentiert, allerdings ist die Mischung der 203 Abgeordneten bunter: Rund ein Dutzend Landwirte, acht Handwerker und sogar ein Hufschmied sitzen im Maximilianeum.

Laut Abgeordnetengesetz dürfen Parlamentarier ihren Beruf auch neben dem Mandat weiterführen, sofern keine Interessenkonflikte daraus folgen. Im Mittelpunkt soll allerdings die Tätigkeit im Landtag stehen, dafür werden die Politikerinnen und Politiker auch sehr gut bezahlt.

Am 1. Juli steigt die Abgeordnetendiät in Bayern auf 10 178 Euro im Monat, davon können viele Berufsgruppen nur träumen. Hinzu kommt eine Pauschale von rund 4000 Euro für Büro, Fahrten und Übernachtungen. Das Geld kommt aus öffentlicher Hand. Daher darf die Öffentlichkeit von einer Politikerin zu Recht erwarten, dass sie sich ein wenig Zeit nimmt, um in der Zeitung ihre Ziele zu erklären. Kartoffeln hin oder her.

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