Süddeutsche Zeitung

Landespolitik:AfD erhält Zugang zu Dutzenden Gremien und Institutionen

  • Die Alternative für Deutschland sitzt mit 22 Abgeordneten im Parlament.
  • Das verschafft der Partei Zugang zu zahlreichen Verwaltungsräten und anderen Gremien.
  • Die müssen sich nun überlegen, wie mit den Politiker umzugehen ist.

Von Anton Rainer

Es waren warnende Worte, die Barbara Stamm (CSU) ihren Kollegen mitgab: "Mehr Disziplin" mahnte die scheidende Landtagspräsidentin in den Wochen vor der Wahl an, "vom ersten Tag an, von der ersten Minute". Nur mit Fleiß und Präsenz könne man der AfD, die in den Umfragen schon mal auf 14 Prozent geklettert war, langfristig Herr werden. Nun sitzt die Alternative für Deutschland tatsächlich mit 22 Abgeordneten im Parlament - das sind weniger als Barbara Stamm befürchtet hatte, aber immer noch genug, um die Stimmung im Landtag zu verändern.

Der rauere Ton, den die neue Partei in ihre Parlamentsarbeit mitbringen dürfte, wird dabei nicht nur auf die Debatten im Plenum beschränkt sein: Die Abgeordneten haben auch ein Anrecht auf eine Mitgliedschaft in Dutzenden Gremien und Institutionen, die vom Landtag besetzt werden. Was die Personalien betrifft, sei "noch nichts spruchreif", sagt die AfD-Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner, "weil wir das in der Fraktion erst Ende der Woche auf der Tagesordnung haben." Unter anderem einen Ausschuss-Vorsitzenden wird die AfD aber in jedem Fall nominieren und ein Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums, das die Arbeit des Verfassungsschutzes überwacht. Letzteres ist unter Umständen heikel, weil mehrere bayerische AfD-Abgeordnete vom Verfassungsschutz beobachtet wurden - nun könnten sie selbst zu Beobachtern werden.

Bis vor wenigen Wochen hätte auch das Kuratorium der Landeszentrale für politische Bildungsarbeit mit AfD-Vertretern rechnen müssen, so stand es im Gesetz. Unter dem künftigen Leiter Rupert Grübl aber bekommt die Landeszentrale nicht nur einen geschärften Fokus, um "gegen Extremismus und Radikalismus" aufzutreten, sondern auch eine neue Gesellschaftsform: Sie ist eine "Anstalt des öffentlichen Rechts", unberührt von Kreuzerlässen und anderen Experimenten der bayerischen Politik.

Der Verwaltungsrat, der den Beirat ablöst, bekommt dadurch nicht nur mehr Gestaltungsfreiheit, sondern auch eine Art institutionelle Brandmauer gegen die AfD. Statt die Posten wie bisher nach Fraktionsstärke zu vergeben, entsendet der Landtag künftig beliebige acht Vertreter aus Regierung und Opposition in das Gremium - egal welcher Couleur. "Ich würde diese Änderung nicht expressis verbis der AfD zuschreiben", sagt Karl Freller (CSU), Vorsitzender des Beirats, "aber es ist eben so, dass das Parlament entscheidet, wen es in den Verwaltungsrat schickt."

Anders ist es bei der Akademie für Politische Bildung Tutzing, die trotz ihrer überparteilichen Ausrichtung ein traditionell sehr oppositionsfreundliches Aufsichtsgremium hat. Mindestens ein Vertreter jeder Fraktion sitzt dort im Kuratorium, die stärkste Oppositionspartei hat bei wichtigen Besetzungen sogar ein Veto-Recht. "Das Akademiegesetz ist vermutlich das einzige bayerische Gesetz, in dem die Opposition explizit genannt wird", sagt Direktorin Ursula Münch. Im Rahmen der Viererkoalition, die von 1953 bis 1957 Bayern regierte, hatte die SPD einst für diese Konstruktion geworben, wohl in der Gewissheit, auf ewig mindestens zweitstärkste Partei zu bleiben. Nun nützt das Gesetz anderen. "Uns ist bewusst, dass die AfD nicht viel von politischer Bildung hält", sagt Münch, "aber wir dürfen auch nicht in Schreckstarre verharren." Das Gesetz garantiere dem Bildungshaus große Unabhängigkeit, deswegen werde man mit einem AfD-Vertreter schon klarkommen, sagt die Direktorin: "Der wird nicht als einer von 15 Kuratoren die Akademie aus den Angeln heben."

Im Landtag sieht man die Sache ähnlich: "Die Frage ist, in welchem Verhältnis die Ausschüsse besetzt werden", sagt Karl Freller, "da gibt es durchaus Diskussionen." Änderungen in der Geschäftsordnung, wie sie etwa im Bundestag vorgenommen wurden, könnten der AfD Steine in den Weg legen, sollen aber nicht die "Grundlage der Zusammenarbeit" mit der Partei sein. Wichtiger, glaubt Freller, sei der Zusammenhalt in den Fraktionen: "Solange eine Mehrheit dagegen steht", etwa bei besonders heiklen Besetzungen, "werde vieles nicht möglich sein. Trotzdem ist er froh darüber, dass dem Rat der "Stiftung Bayerische Gedenkstätten", die unter anderem die KZ-Gedenkstätte Dachau betreut, schon per Gesetz keine Landtagspolitiker angehören.

Lediglich der Landtagspräsident hat einen fixen Sitz in dem Aufsichtsgremium. Das habe sich bewährt, sagt Freller. Ein größeres Anrecht auf einen Posten hat die AfD wohl bei einer anderen Gedenkstätte, der Dokumentationsstelle Obersalzberg. Um die millionenschwere Erweiterung, an der derzeit gearbeitet wird, kritisch zu begleiten, beschloss der Landtag im Mai 2014, ein beratendes Kuratorium zu schaffen, dem Abgeordnete aller vier damaligen Fraktionen angehören. Da mit Sepp Dürr (Grüne) und Isabel Zacharias (SPD) gleich zwei dieser vier Vertreter den Wiedereinzug in den Landtag verpasst haben, ist eine Neubesetzung des Kuratoriums wohl unvermeidlich. Ob dann auch FDP und AfD die "Neukonzipierung des Ausstellungskonzepts" Obersalzberg mitgestalten dürfen, entscheidet der Landtag, wie auch viele andere Fragen. "Ich gehe davon aus, dass alle Fraktionen gleichermaßen fair behandelt werden", sagt Katrin Ebner-Steiner (AfD).

Ein unbedingtes Recht hat die AfD auf einen Platz im Rundfunkrat, dem zentralen Entscheidungs- und Kontrollgremium des Bayerischen Rundfunks. Zwölf Vertreter des Landtags werden dahin entsandt, "entsprechend dem Stärkeverhältnis der in ihm vertretenen Parteien". In anderen Bundesländern hat das für Widerstand gesorgt: In Bremen verabschiedete die rot-grüne Mehrheit ein Gesetz, das Parteien ohne Fraktionsstatus ihr Mandat im Rundfunkrat strich - davon betroffen war nur die AfD. Bis 2022, wenn im Freistaat die 2017 begonnene Amtszeit des Rundfunkrats endet, könnte der Landtag ähnliche Manöver starten. Oder aber er hält sich an Harald Parigger, den scheidenden Leiter der Landeszentrale für Politische Bildungsarbeit, der im Umgang mit der AfD einen "alten preußischen Grundsatz" bemüht: "Bevor man wegläuft, sollte man erst mal umdrehen und sich dem Feind stellen."

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SZ vom 23.10.2018/vewo
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