Süddeutsche Zeitung

ADAC unter Druck:"Nicht die feine Art"

Beschäftigte klagen über ein Klima der Angst, eine Sekretärin beschwert sich über angeblichen Sexismus: Die Gewerkschaft Verdi will den ADAC Nordbayern zur Klärung aller kürzlich erhobenen Vorwürfe zwingen.

Uwe Ritzer

"Wir arbeiten bei einem der besten Arbeitgeber Deutschlands", jubelte das Magazin ADAC intern in seiner Ausgabe 2/2009. Hintergrund war die Rangliste eines Wirtschaftsinstituts, das herausgefunden haben wollte, dass der Automobilistenverband diesbezüglich an Nummer zwei in Deutschland steht. Der ADAC werde nicht nur von Mitgliedern als Helfer in der Not geschätzt, sondern zeige auch "nach innen Innovation, Flexibilität und Menschlichkeit", hieß es in der Mitarbeiterpostille.

Bei den Beschäftigten des ADAC Nordbayern empfinden einige den Bericht und die Auszeichnung als Hohn. "Das Betriebsklima ist schlecht und bei vielen Mitarbeitern von Angst geprägt", sagt die langjährige Betriebsratsvorsitzende Daniela Aigenstuhler. Und eine Ex-Sekretärin beklagt, dass "Diskriminierung und Mobbing" Einzug gehalten hätten. So schrieb sie in einem Brief an den Betriebsrat. Kurz darauf trennte sich der ADAC von ihr per Aufhebungsvertrag.

Nun will die Gewerkschaft Verdi öffentlichen Druck aufbauen, um die Verantwortlichen des ADAC Nordbayern zur Aufklärung aller Vorwürfe zu zwingen. Denn mehr noch als über das Betriebsklima hatte die Sekretärin über angeblichen Sexismus ihres Vorgesetzten geklagt. Er soll Gesäße von Mitarbeiterinnen fotografiert und sich permanent vulgär über intimste Dinge und weibliche Beschäftigte ausgelassen haben (die SZ berichtete). Die Vorwürfe gegen den Mann erhalten nun neue Nahrung.

"Es existiert eine CD-Rom mit teilweise pornographischen Bildern, die auf dem Dienst-PC des Mannes abgelegt waren", sagt Harry Roggow, Verdi-Sekretär in Nürnberg. Der ADAC Nordbayern dementierte dies auf Anfrage. "Auf dem Laptop" des Beschuldigten seien "keine erotischen oder pornographischen Fotos vorhanden", erklärte der nordbayerische ADAC-Vorsitzende Herbert Behlert zwei Tage, nachdem die SZ nach der CD gefragt hatte.

Behlert ließ bis dato ebensowenig wie der Rest des Vorstandes des ADAC Nordbayern großen Aufklärungswillen erkennen, was diese und andere Vorwürfe angeht. Genau diesen erwartet jedoch die deutsche ADAC-Spitze in München. Die allerdings hat auf die 18 regionalen Gaue rechtlich so gut wie keinen Einfluss. Doch der Ruf des ADAC steht auf dem Spiel. Es gebe, so ein Sprecher am Freitag, kritische Anfragen von Mitgliedern zu den Vorgängen in Nordbayern.

Verdi argumentiert, ein Regionalverband mit mehr als 900000 Mitgliedern wie der ADAC Nordbayern könne es sich nicht leisten, so schwere Vorwürfe einfach auszusitzen. Man müsse Mitarbeiter ernst nehmen, wenn es um Kritik an internen Vorgängen gehe. Verdi will nun eine Unterschriftenaktion starten. Rückenwind erhalten die Kritiker vom früheren nordbayerischen ADAC-Chef Peter Spruß. Er sagte am Freitag, es gebe seit einigen Monaten "verstärkt und immer wieder Klagen" über die Führung. Kritischen Mitarbeitern werde sehr schnell mit Kündigung gedroht und es werde "gegenüber dem Personal nicht die feine Art an den Tag gelegt".

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SZ vom 20.11.2010/kar
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