Abschied von der Politik:"Es war a guade Zeit"

Erwin Huber geht in den Ruhestand

Die Zeiten, in denen Erwin Huber mit Aktentasche ins Maximilianeum fährt, sind bald vorbei.

(Foto: Robert Haas)
  • Zahlreiche Politiker, die teils Jahrzehnte im bayerischen Landtag gesessen haben, scheiden aus der Politik aus.
  • Unter ihnen sind mehrere frühere Minister.
  • Manche Abgeordnete gehen in den Ruhestand, andere zurück in den früheren Beruf.

Von SZ-Autoren

CSU

Der Begriff "standorttreu" wird gewöhnlich für Spatzen oder Rehe verwendet, also für die Tiere, die gerne in ihrem Revier leben. Er passt aber auch gut zu Erwin Huber: Der 72-Jährige lebt bis heute in seinem Geburtsort Reisbach, in seiner "niederbayerischen Heimat Niederbayern". Auch politisch ist Huber stets standorttreu geblieben: Er hat seine Arbeitskraft ganz der CSU gewidmet, für die er 40 Jahre lang im Landtag saß. Die Aufzählung seiner Ämter würde Seiten füllen.

Vielleicht lässt sich Hubers Wirken auch so zusammenfassen, dass er viele Jahre lang Edmund Stoibers wichtigste Stütze war. Sein Intermezzo als Parteichef war nur kurz. Rückblickend kann man sagen: Schwamm drüber. Huber schaffte dafür ein Kunststück, das sonst selten gelingt: Er trat, ohne zu maulen, in die zweite Reihe zurück, wo er als Wirtschaftspolitiker werkelte. In Hubers scharfe Analysen mischt sich gelegentlich ein Anflug von Altersmilde. Mit seinem Ausscheiden endet die Ära der CSU als Staatspartei.

Er saß erst 14 Jahre lang im Europaparlament, dann 25 Jahre im Landtag, davon zehn Jahre als Minister und weitere zehn als Jahre als Vizepräsident: Reinhold Bocklet gehört in der CSU zu den Altgedienten, die Ende der Sechzigerjahre politisch sozialisiert wurden. Damals habe man allerorten die These vertreten, wonach der Siegeszug der Linken unaufhaltsam sei, erinnert er sich. Doch 1974 habe die CSU dann 62 Prozent bei der Landtagswahl geholt. Schon deshalb sei er nicht so pessimistisch, was die Zukunft seiner Partei betreffe. Als Ruheständler will er das tun, was ihm Spaß macht - etwa eine Arbeit über ein "politologisches Thema" schreiben.

Schon als 23-Jähriger saß Helmut Brunner im Kreistag und Gemeinderat. Mit anderen Jungspunden in der CSU hat er damals über alle gespöttelt, die von der Politik nicht loslassen können. Nun, 40 Jahre später, denkt Brunner öfter an diese Geschichte. Er hätte Landwirtschaftsminister bleiben können, doch er wählte den Abschied. Seit 1994 saß er für Regen im Landtag und fast zehn Jahre im Kabinett. Was sich verändert hat in all der Zeit? "Der Kameradschaftsgeist war früher besser ausgeprägt, alles ist ein Stück weit hektischer und individueller geworden." Was bleibt? "Dankbarkeit und große Erfüllung." Und bei vielen anderen die Erinnerung an einen gefürchteten Schafkopfspieler.

Langweilig wird es Emilia Müller ohne Politik nicht werden: Im katholischen Frauenbund ist sie Vorsitzende von 165 000 Mitgliedern. Den Landtag kannte Müller kurioserweise lange nur von der Regierungsbank aus. Zehn Jahre saß sie bereits im Kabinett, erst dann zog sie ins Parlament ein. Stoiber hatte sie nach der Wahl 2003 aus Brüssel nach München geholt, 2008 verpasste sie als CSU-Listenführerin der Oberpfalz den Einzug, erst 2013 klappte es. Müller, 66, war Staatssekretärin im Umweltministerium, Europa-, Wirtschafts- und Sozialministerin. Loyalität, Bodenhaftung und die Fähigkeit, auch nach Niederlagen ohne Groll weiterzuarbeiten - daran habe sie sich orientiert. Ihr Fazit: "Man braucht Nehmer- und Geberqualitäten."

Emilia Müller verabschiedet sich aus dem bayerischen Landtag

Emilia Müller widmet sich nun ganz der Arbeit im katholischen Frauenbund.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Joachim Unterländer gehört zur bedrohten Spezies in der CSU: Nur wenige verkörpern das "S" für sozial im Parteinamen wie der 61-Jährige. Fast ein Vierteljahrhundert setzte sich der Münchner für die kleinen Leute ein, wenn der Landtag ein Blindengeld für Schwerstsehbehinderte oder eine höhere Kita-Förderung beschloss, war er glücklich. Unterländer schätzt sachorientierte Diskussionen, "Twitterpolitik ist nicht die meine". Seine Stimme will er künftig als Chef des Landeskomitees der Katholiken in die Politik einbringen.

Zuhören, helfen, die Menschen in kleinen Dingen unterstützen - so habe sie ihre Arbeit verstanden, sagt Reserl Sem. 15 Jahre gehörte sie dem Landtag an, mit 64 quittiert sie ihren Dienst. Sem stammt aus dem Rottal, wo die AfD der CSU besonders zu schaffen macht. "Nicht auf anderen rumhacken, sondern immer fragen, wie kann ich es besser machen", das ist ihr Motto. Besonders gefreut habe sie sich, wenn der Landtag gezeigt hat, "dass wir nicht nur streiten, sondern über Parteigrenzen hinweg etwas erreichen". Vielleicht würde es ja helfen, einmal im Jahr den Umgang miteinander zu diskutieren, findet sie. Sem hat es geliebt, im Landtag Dialekte zu hören. Ihre Schlussworte: "Es war a guade Zeit."

Christine Haderthauer und Otmar Bernhard scheiden als Minister a.D. aus. Der Münchner Bernhard, 71, hatte seinen Zenit als Umweltminister erreicht; die Ingolstädterin Haderthauer, 55, sah sich als Aspirantin für noch höhere Aufgaben, ehe die Modellauto-Affäre ihre Karriere abrupt stoppte. Ebenfalls mit Kabinettserfahrung verabschiedet sich der frühere Staatssekretär Jürgen Heike, 69, aus Coburg. Aus gesundheitlichen Gründen gehen die Oberpfälzerin Petra Dettenhöfer, 61, und der Bamberger Heinrich Rudrof, 63.

Im Nürnberger Pflegebeauftragten Hermann Imhof, 65, verliert die CSU einen weiteren profilierten Sozialpolitiker, seinen Stimmkreis übernimmt Ministerpräsident Markus Söder. Altgediente Abgeordnete wie die Altöttinger Fraktionsvize Ingrid Heckner, 68, der Kitzinger Otto Hünnerkopf, 67, der Ansbacher Jürgen Ströbel, 70, der Lindauer Eberhard Rotter, 64, sowie der Chef des mächtigen Haushaltsausschusses, Peter Winter, 64, aus Aschaffenburg machen Platz für Jüngere. Nur eine Amtszeit und noch kürzer saßen der Dachauer Anton Kreitmair, 55, und der Landshuter Florian Hölzl, 33, im Landtag.

SPD

Es sei der richtige Zeitpunkt, sagt die Nürnbergerin Angelika Weikert, "wenn ich noch wertgeschätzt werde". Seit 15 Jahren sitzt sie im Landtag, Bildung und Soziales sind ihre Themen, mit der CSU hat sie sich über Flüchtlingspolitik gestritten. Im Plenum oft hart, im Ausschuss dagegen habe man sich respektiert, da sei über Parteigrenzen hinweg eine sachliche Arbeit möglich gewesen. Der Niedergang ihrer Partei schmerzt die 64-Jährige. Noch einmal wirft sie sich voll in den Wahlkampf, danach will sie sich ihren Ehrenämtern widmen. Der Arbeit für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zum Beispiel.

Peter Paul Gantzer, SPD-Abgeordneter im bayerischen Landtag

Peter Paul Gantzer ist der Alterspräsident im Landtag.

(Foto: Florian Peljak)

Helga Schmitt-Bussinger, 60, hat für sich entschieden, dass 20 Jahre Parlament genug sind. Natürlich sei es schön, Menschen helfen zu können als Parlamentarierin, sagt die Schwabacherin. Aber wieder Zeit zum Lesen zu haben, danach sehne sie sich schon auch. Stromlinienförmiger seien die Kollegen geworden, und der Einfluss der Ministerien werde immer größer. Ihr Lieblingsministerpräsident in den 20 Jahren? Beckstein. "War zwar nur kurz. Ist aber immer Mensch geblieben."

40 Jahre saß Peter Paul Gantzer im Parlament, damit ist der 79-Jährige nicht nur einer der dienstältesten Abgeordneten, sondern auch der Alterspräsident. Er ist Experte für Polizei und Innere Sicherheit. Als Fallschirmspringer, Notar und Porschefahrer entspricht er ebenfalls nicht dem Klischee des Sozialdemokraten. Franz Schindler dagegen schon. Der 62-jährige Oberpfälzer gilt als Sozi der alten Schule. Seit 1990 gehört er dem Parlament an und hat sich als Rechtsexperte parteiübergreifend Anerkennung erworben.

Nur ein Jahr später rückte Johanna Werner-Muggendorfer in den Landtag nach, die 68-Jährige war unter anderem Fraktionsvize und ließ sich auch im Plenum nie davon abhalten, ihre Reden im Dialekt zu halten. Ebenfalls aus Niederbayern kommt der Gewerkschafter Bernhard Roos, 64, der nach zehn Jahren nicht mehr antritt. In der benachbarten Oberpfalz lebt Reinhold Strobl, 68, der 2005 für Marianne Schieder in den Landtag nachrückte.

Susann Biedefeld, 53, aus Oberfranken ist seit 24 Jahren Abgeordnete und war von 1999 bis 2004 zudem Generalsekretärin der Bayern-SPD. Nach 20 Jahren tritt Christoph Rabenstein, 66, aus Bayreuth ebenfalls ab, sodass Oberfranken gleich zwei langjährige Parlamentarier verliert. Gerade Rabenstein war immer sehr bedacht darauf, eventuelle Benachteiligungen der Franken durch die Altbayern zu vermeiden. Diesen Landstrich wiederum, München genauer gesagt, vertreten Kathrin Sonnenholzer, 62, und Hans-Ulrich Pfaffmann, 62. Sie eine ausgewiesene Gesundheitsheitsexpertin, er als gelernter Krankenpfleger ebenso, auch wenn sich Pfaffmann mehr mit Bildung und Sozialem beschäftigte. Er war Fraktionsvize und Chef der Münchner SPD.

Nach nur einer Periode treten der Münchner Andreas Lotte, 44, und der frühere Puchheimer Bürgermeister Herbert Kränzlein, 68, nicht mehr an.

Grüne und Freie Wähler

Ulrike Gote war 33, als sie in den Landtag einzog. Es wurden gute 20 Jahre für sie. Nur die letzten drei Jahre haben ihr nicht mehr recht gefallen. Obwohl die AfD noch nicht im Landtag ist, findet sie den Ton rauer. "Das ist ein gesellschaftlicher Wandel", sagt sie, das mache ihr Sorge. Die 53-Jährige aus Oberfranken wird fürs Europaparlament kandidieren.

Grünen-Politikerin Ulrike Gote

Ulrike Gote will für das Europaparlament kandidieren.

(Foto: Stephan Rumpf)

Wenn Christine Kamm durch Augsburg radelt, sieht sie die Erfolge genau. Zum Beispiel den Fahrradweg, für den sie sich im Stadtrat eingesetzt hatte. Vergleichbare Erfolge hat Kamm oft vermisst, seit sie seit 2003 im Landtag sitzt. "Dort werden meistens Darstellungskämpfe geführt." Bei den für sie wichtigen Themen Klimaschutz und Integration sei "trotz großer Anstrengungen wenig passiert". Im November wird Kamm 66. "Wenn man noch mal etwas Neues anpacken will, ist jetzt der Zeitpunkt." Sie möchte sich unter anderem in der Flüchtlingshilfe engagieren.

Thomas Mütze sagt, er habe "den tollsten Job, den man sich vorstellen kann". Als Landtagsabgeordneter "da bist du mittendrin". Seit 15 Jahren ist Mütze, 52, dabei. Eher Mannschafts- als Führungsspieler, deswegen gab er den Job als Fraktionschef nach kurzer Zeit wieder auf. Er bedauert nur eins: "Dass es nie zum Mitregieren gereicht hat." Doch auch er sagt: "Es gibt noch ein anderes Leben." Mütze will wieder als Hauptschullehrer arbeiten

Mit Ausnahme der Wahlperiode von 1998 bis 2003 sitzt er seit 1986 im Maximilianeum: Der 62-jährige Biologe und Chemiker Christian Magerl, der über die Singvögel im Erdinger Moos promoviert hat, zählt zu den grünen Schwergewichten in Bayern. Seit den Achtzigerjahren hat Magerl in allen umweltpolitischen Streits an vorderster Front mitgemischt. Künftig will er sich der Ornithologie widmen.

Nach fünf Jahren im Landtag verabschiedet sich der Allgäuer Bio-Bauer Ulrich Leiner, 65, wieder. Er kümmerte sich um Tourismus und Gesundheit.

Freie Wähler

Peter Meyer, 55, hat im Landtag einen schnellen Aufstieg erlebt. Als die Freien Wähler 2008 zum ersten Mal ins Parlament einzogen, wurde der Oberfranke gleich zum Landtagsvizepräsidenten gewählt. Nach zehn Jahren tritt er nun nicht wieder an, ebenso wie sein Fraktionskollege Karl Vetter. Der 65-jährige Orthopäde aus Cham engagiert sich für die FW im Ausschuss für Gesundheit und Pflege.

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