Der Stadel hätte wirklich alt werden können dort droben am Samerberg, ein ewiges Monument des landwirtschaftlichen Bauprivilegs. Wie genau das Gebäude gealtert wäre, das wäre noch die Frage gewesen. Ob es wirklich noch eine Holzverkleidung bekommen hätte, so wie es der Bauer aus dem nahen Rohrdorf einst angekündigte hatte? Nach außen hin ein in allen Ehren ergrauter hölzerner Stadel also, wie so viele andere auch im ländlichen Oberbayern? Oder doch das brutalistische Grau nackten Sichtbetons? Denn der Landwirt hatte seinen Stadel vor ziemlich genau zehn Jahren komplett aus Beton gießen lassen, von der Bodenplatte bis unters Dach. Das ist dann aber gar nicht mehr draufgesetzt worden. Statt Handwerkern befassten sich schnell allerlei Ämter und Gerichte mit dem bald ein bisschen berühmten Betonstadel vom Samerberg. Am Wochenende ist der heftig umstrittene „Roh-Bau“ nun abgerissen worden.
Genau das hatte das zuständige Landratsamt in Rosenheim schon 2015 zum ersten Mal angeordnet. Doch der Landwirt berief sich auf sein Bauprivileg. Er sei nachweislich Bauer und dürfe sich als solcher jederzeit einen Stadel auf seinen Grund und Boden stellen, wenn dieser Stadel der Betriebsführung dienlich sei. Den Bauernverband wusste der Landwirt hinter sich, und eine schriftliche Bestätigung vom Landwirtschaftsamt hatte er auch. Dass das ganze Gebäude gleich so massiv geworden ist, begründete er damit, dass er auf 700 Metern Höhe eben schneefest und zukunftssicher bauen und der nächsten Generation „kein Graffel“ hinterlassen wollte. Die fünf kleinen Isolierglasfester habe der Maurer irgendwo übrig gehabt und ihm dann recht günstig eingebaut.

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Doch die Gemeinderäte im Samerberger Rathaus wollten sich nicht einfach irgendein Trumm aus Beton mitten in ihre idyllische und überdies tourismusrelevante Berglandschaft klotzen lassen, und das schon gar nicht von einem Bauherren von drunten aus der Nachbargemeinde Rohrdorf. Die Sachbearbeiter im Landratsamt Rosenheim sahen es genauso, und nach einem Ortstermin befand dann auch das Verwaltungsgericht München, dass sich kein vernünftiger Bauer für landwirtschaftliche Zwecke so einen Vollbeton-Stadel in die schützenswerte Landschaft stellen würde. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bestätigte den Spruch in letzter Instanz. Denn für so etwas brauche es dann schon ein ganz konkretes Betriebskonzept.
Das ließ sich der Landwirt nicht zweimal sagen und erklärte den vormaligen Stadel zum zukünftigen Rinderlaufstall, obwohl seine ohnehin nur noch wenigen Kühe während des Wegs durch die Instanzen noch einmal um ein Drittel weniger geworden waren. Denn der Bauer hatte sich eben einen Betonbau in den Kopf gesetzt und auf die Weide gestellt, und von dort war der Stadel dann auch schwer wieder wegzubringen. Also wieder vor Gericht, im vergangenen Herbst schließlich eine neue Beseitigungsanordnung aus Rosenheim, dagegen dann die nächste Klage plus Eilantrag.
Die angedrohten Zwangsgelder hatten sich schon auf 45 000 Euro aufsummiert, was im Januar dann zu einer Art Einigung vor Gericht geführt hat: Der Prozessvertreter des beklagten Freistaats sagte zu, auf diese Zwangsgelder zu verzichten, wenn der Betonbau samt Bodenplatte und der ebenfalls betonbefestigten Auffahrt bis Ende März entfernt würde. Der Bauer zog seine Klage zurück und ließ, praktisch auf den letzten Drücker, am Wochenende doch noch einen Bagger vorfahren.

Der hat das Trumm vom Samerberg am Ende zu einem Haufen aus Stahlbetonbrocken zerkleinert. Das geschah unter einer gewissen Anteilnahme etlicher Samerberger, die einen Spaziergang oder eine kleine Radtour unternommen haben, um sich mit eigenen Augen und mit eigenen Handykameras vom Ende des umstrittenen Stadels zu überzeugen. Samerbergs Bürgermeister Georg Huber hat sich ebenfalls auf diese Weise überzeugt. Er sei „erleichtert und froh, dass der Stadel jetzt weg ist“, sagte Huber am Montag. Dass das Gebäude irgendwann wirklich abgerissen würde, das habe im Ort schon fast keiner mehr geglaubt. Umso wichtiger sei nun dieses Zeichen gewesen, dass das System funktioniert. Und das System hat weiter zu tun. Für den Montagabend stand ein Antrag des Bauern für einen neuen Rinderlaufstall an selber Stelle auf dem Programm des Samerberger Bauausschusses.