Abitur G9:Letzte Chance: September

Bloß nicht durchfallen: Das war die Devise der letzten G9-Abiturienten: Doch 307 Schüler sind durch die Prüfung gefallen. Dabei wurde alles getan, damit genau das nicht passiert.

Tina Baier

"Bloß nicht durchfallen" - das war die Devise für die Schüler und Schülerinnen des letzten G9-Jahrgangs. Wer durchfiel, musste zurück ins G8 und hatte es schwer, sich in dem neuen Gymnasialsystem zurechtzufinden. Auch die meisten Lehrer waren bemüht, ihren Schülern diese Situation zu ersparen. "An unserer Schule gab es sogar eine schriftliche Aufforderung, möglichst keinen G9er durchfallen zu lassen", sagt eine ehemalige Referendarin.

G8-Abiturienten in Bayern starten mit Prüfungen

Viel Glück können die Schüler und Schülerinnen des letzten G9-Jahrgangs gebrauchen, die das Abitur im ersten Anlauf nicht bestanden haben. Sie dürfen die Prüfung im September wiederholen.

(Foto: dpa)

Doch nun sind trotz aller Bemühungen 307 von bayernweit 36.800 Abiturienten des letzten G9-Jahrgangs durchs Abitur gefallen. Das sind 0,8 Prozent und damit nur geringfügig weniger als im Vorjahr, in dem 1,01 Prozent der Schüler, die angetreten waren, ihr Abitur nicht geschafft haben. In der Abiturprüfung für die letzten G9er war von Sonderbehandlung nicht viel zu spüren. "Die Prüfungen waren machbar, aber nicht geschenkt", sagt Hannah Öhrlein, Bezirksschülersprecherin für Unterfranken. Die Klausur im Grundkurs Mathematik sei sogar ungewöhnlich schwierig gewesen.

"Ich habe erwartet, dass es so viele sein würden", sagt Max Schmidt, Vorsitzender des bayerischen Philologenverbands. "Alles andere wäre auch ungerecht gewesen, und zwar sowohl gegenüber dem ersten G8-Jahrgang als auch gegenüber früheren G9-Jahrgängen." Schließlich entscheide die Abiturnote darüber, ob jemand den gewünschten Studienplatz bekomme oder nicht.

Immerhin gab es für die Schüler des letzen G9-Jahrgangs schon einige Erleichterungen, die die Nachteile ausgleichen sollten, die sie durch den früheren Prüfungstermin hatten. "Ein großer Vorteil waren die Feststellungsprüfungen", sagt Winfried Steflbauer, Schulleiter des Albert-Einstein-Gymnasiums in München. Bei diesen Prüfungen konnten Schüler noch fehlende Punkte sammeln, um zum Abitur zugelassen zu werden. Steflbauers Eindruck war, dass es einige Schüler bewusst in Kauf genommen haben, die Punktehürde zu reißen, weil jeder wusste, dass es die Möglichkeit geben würde, trotzdem noch zugelassen zu werden.

Ob dagegen der Nachtermin im September eine Erleichterung ist, der ausnahmsweise für die Durchfaller aus dem G9 eingerichtet wurde, wird individuell sehr unterschiedlich gesehen. "Für Schüler, die beispielsweise wegen einer langen Krankheit nicht am Abitur teilnehmen konnten und jetzt zum Nachtermin müssen, ist die Vorbereitungszeit sehr kurz", sagt Susanne Arndt, Vorsitzende der Landes-Eltern-Vereinigung der Gymnasien in Bayern.

Andererseits sparen sich Schüler, die die Prüfung im September bestehen, viel Zeit. Die Alternative wäre nämlich, in die elfte Klasse des G8 zurückzutreten. "Das macht schon allein wegen des großen Altersunterschieds kaum jemand", sagt Schmidt.

Die Vorbereitung der durchgefallenen Schüler auf den Nachtermin im Herbst ist bereits in vollem Gange. Am Albert-Einstein-Gymnasium in München zum Beispiel ist ein Schüler betroffen. "Er bekommt Sonderunterricht von seinen ehemaligen Lehrern", sagt Steflbauer. "Je zwei Stunden pro Woche in den Leistungskursfächern Physik und Geschichte und eine Stunde in den Grundkurs-Fächern." Außerdem besucht er neun Stunden pro Woche den Unterricht einer elften Klasse.

Die Aufgaben werden wie beim ersten Versuch von einer Prüfungskommission ausgearbeitet und zentral gestellt. "Der Schwierigkeitsgrad wird bestimmt so sein, dass die meisten ihr Abitur beim zweiten Anlauf doch noch bekommen", glaubt Hannah Öhrlein

. "Die Prüfungen müssen das selbe Niveau haben wie bisher, damit niemand benachteiligt wird", sagt dagegen der Sprecher des Kultusministers, Ludwig Unger.

Philologen-Chef Max Schmidt ist froh, wenn der doppelte Abiturjahrgang durch ist und die Zeit der Sonder- und Ausnahmeregelungen vorbei. "Sowohl der letzte G9-Jahrgang als auch der erste G8-Jahrgang wurden sehr wohlwollend behandelt", findet er. Die Schüler hätten in den letzten Jahren gelernt, dass vieles verhandelbar ist und dass es immer noch ein Schlupfloch gibt. Zwar sei es richtig, auf die Sondersituation des doppelten Abiturjahrgangs Rücksicht zu nehmen. Doch auf die Schüler wirke sich das Hin und Her nicht positiv aus.

Gerade als er das sagt, kommt ein junger Mann in sein Büro. Er hat vergessen, was er angegeben hat, als es darum ging, den Stoff für die Kolloquiumsprüfung einzugrenzen und will, dass Schmidt ihm noch mal sagt, was er nicht lernen muss. "Die Prüfung ist morgen", sagt Schmidt leicht fassungslos, als der Schüler sein Büro wieder verlassen hat.

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