Süddeutsche Zeitung

Abgeordnete:Neue Köpfe für Berlin

SPD und Grüne schicken deutlich mehr Abgeordnete aus Bayern in den Bundestag. Die CSU verliert zwar an Stimmen, kann aber weiter auf die Direktmandate setzen. Bei den kleinen Parteien ändert sich wenig

Von Gregor Grosse und Sarah Höger

In der nächsten Legislaturperiode werden sich einige Abgeordnete neu einarbeiten müssen, sie sind zum ersten Mal gewählt worden. Manche konnten sich schon am Wahlsonntagsabend freuen, andere wussten erst spät in der Nacht, ob es tatsächlich gereicht hat.

CSU

Die CSU hat herbe Verlust erlitten und dennoch fast alle Direktmandate im Freistaat gewonnen. Nur in München-Süd gibt es nun die erste grüne Direktkandidatin. In Neu-Ulm gewann die CSU erneut, dort tritt der Weißenhorner Alexander Engelhard, 48, ein schwieriges Erbe an. Er folgt auf Georg Nüßlein, der fast 20 Jahre im Bundestag war und nun wegen der Maskenaffäre aus der CSU aus- und nicht mehr angetreten ist. Der Wirtschaftsingenieur Engelhard betreibt eine Bio-Getreidemühle in Attenhofen. Ralph Edelhäußer, 48, erringt das Direktmandat in Roth. Der gelernte Bankkaufmann war seit 2011 Bürgermeister der Stadt Roth. Er folgt auf Marlene Mortler, die bereits 2019 ihr Bundestagsmandat niederlegte, um Abgeordnete im Europäischen Parlament zu werden.

Als eine von drei neuen Frauen für die CSU zieht Martina Englhardt-Kopf, 39, in den Bundestag ein. Sie löst Karl Holmeier im Wahlkreis Schwandorf/Cham ab. Die Studiendirektorin arbeitete zuletzt bei der Regierung der Oberpfalz. In der Kommunalpolitik hat sie als Schwandorfer Kreisrätin und Stadträtin Erfahrung gesammelt. Susanne Hierl ist die neue Abgeordnete des Wahlkreises Amberg-Neumarkt, den vormals Alois Karl vertreten hatte. Die 48-Jährige ist Rechtsanwältin und hat sich auf Steuerrecht spezialisiert. Die dritte neue Frau in der CSU-Landesgruppe ist die ehemalige Landtagsabgeordnete Mechthilde Wittmann, 53. Sie vertritt nun den Wahlkreis Oberallgäu, die Heimat ihres Lebensgefährten Thomas Kreuzer, dem Chef der CSU-Landtagsfraktion.

Jonas Geissler, 37, ist der erste Bundestagsabgeordnete aus dem oberfränkischen Kronach. In der Vergangenheit wurde der Wahlkreis Coburg/Kronach stets von Coburgern vertreten. Der Vorsitzende der Jungen Union Oberfranken folgt Hans Michelbach, der sich nach 27 Jahren aus dem Bundestag verabschiedet. Tobias Winkler, 43, tritt die Nachfolge des ehemaligen Bundesministers Christian Schmidt im Wahlkreis Fürth an. Er leitete zuletzt das Verbindungsbüro des Europäischen Parlaments in München.

SPD

Die Landesgruppe der SPD im Bundestag hat sich vergrößert. Hinzugekommen sind einige junge Neu-Parlamentarier. Wie Johannes Schätzl. Der 28-Jährige war bisher schon Stadtrat in Hauzenberg im niederbayerischen Landkreis Passau. Er arbeitet bei der Zahnradfabrik Friedrichshafen, eine der weltweit größten Automobilzulieferer. In den Bundestag geschafft hat es zudem die Juso-Landesvorsitzende Carmen Wegge, 32. Die leidenschaftliche Poetry-Slammerin ist im Ruhrgebiet geboren und aufgewachsen in Fürstenfeldbruck. Sie ist Juristin mit Berufsziel Arbeitsrichterin.

Im zweiten Anlauf hat es für Sebastian Roloff geklappt, 2017 war er noch gescheitert. Auch dieses Mal reichte es nicht für das Direktmandat, erzieht über die Liste ein. Der 38-Jährige Münchner ist seit einigen Jahren als Rechtsanwalt tätig. Außerdem wirkt er als ehrenamtlicher Richter am Landesarbeitsgericht München. Auch Andreas Mehltretter, 29, hat es im zweiten Anlauf geschafft. Für eine Mehrheit im Wahlkreis Freising hat es zwar wieder nicht gereicht, dennoch zieht er über Listenplatz 15 in den Bundestag ein. Mehltretter ist im Freisinger Stadtrat als Referent für Wirtschaft und Digitalisierung zuständig. Auch Markus Hümpfer hat es geschafft. Der Ingenieur ist Fraktionsvorsitzender im Gemeinderat von Schonungen (Landkreis Schweinfurt) und außerdem stellvertretender Vorsitzender der Unterfranken SPD. Die Co-Vorsitzende der Oberpfalz SPD Carolin Wagner ist über den Listenplatz 22 noch in den Bundestag eingezogen.

Grüne

Die Landesgruppe der bayerischen Grünen im Bundestag wächst gewaltig: Die Zahl der Abgeordneten aus Bayern hat sich nun annähernd verdoppelt. Außerdem konnten sie der CSU sensationell ein Direktmandat abknüpfen. Im Wahlkreis München-Süd löst Jamila Schäfer den CSU-Mann Michael Kuffer ab. Der Wahlkreis wurde seit 2002 durchgehend von der CSU vertreten. Viermal hintereinander gewann ihn Peter Gauweiler, bis 2017 Michael Kuffer folgte. Nach 19 Jahren schafft also eine Grünen-Politikerin die Ablöse im Münchner Süden. Die 28-Jährige ist stellvertretende Bundesvorsitzende der Grünen und war davor Sprecherin der Grünen Jugend München. Schäfers Themenschwerpunkte liegen neben der Europapolitik auf der Entwicklungspolitik, Flucht und Migration sowie der Bekämpfung von Rechtsextremismus Der Miesbacher Karl Bär, 36, zieht auf Platz 12 in den Bundestag ein. Er hat die politische Ochsentour hinter sich: drei Wahlkämpfe hat er bereits bestritten, bisher hatte er den Einzug immer knapp verpasst. Dieses Jahr hat es geklappt.

Die Nürnbergerin Tessa Ganserer, 44, verlässt den Landtag und zieht in den Bundestag ein. Aus Franken hat es auch Niklas Wagener, 23, nach Berlin geschafft - als jüngster Kandidat der bayerischen Grünen. Bisher gehörte er dem Stadtrat von Aschaffenburg an. Wagener studiert Forstwirtschaft, im Bundestag will er sich deshalb vor allem für den Erhalt des Waldes einsetzen. Die Politikwissenschaftlerin Marlene Schönberger, 31, schaffte es auf Listenplatz 15 in den Bundestag. Die gebürtige Landshuterin kennt sich bereits aus in Parlamenten, sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin im Landtag. Der Coburger Johannes Wagner, 28, ist Mediziner und möchte als Abgeordneter des Bundestags einen Schwerpunkt auf das Thema Gesundheit legen. Er will für eine bessere medizinische Versorgung auf dem Land kämpfen. Tina Winklmann, 41, ist Bezirksvorsitzende der Grünen in der Oberpfalz. Sie will im Bundestag ihre Erfahrungen als Gewerkschafterin einbringen.

FDP

Maximilian Funke-Kaiser ist nach dem Debakel bei der Bundestagswahl von 2013 der FDP beigetreten, als die Liberalen aus dem Parlament flogen. Nun sitzt Funke-Kaiser selber drin. Der 27-Jährige ist Landesvorsitzender der Jungen Liberalen Bayern. Der Augsburger ist studierter Betriebswirt und leitet zwei Start-Ups und ein Familienunternehmen. Auch Kristine Lütke, 38, ist Unternehmerin. 2018 war sie Bundesvorsitzende der Wirtschaftsjunioren Deutschland, das größte Netzwerk von Unternehmern und Führungskräften unter 40 Jahren. Heute ist sie Schatzmeisterin der FDP Bayern und engagiert sich in der Pflegepolitik. Muhanad Al-Halak schaffte ebenfalls den Bundestagseinzug. Der FDP-Politiker ist mit elf Jahren aus dem Irak nach Niederbayern gekommen. Der 31-Jährige ist Abwassermeister in Grafenau und ist dort seit 2020 Stadtrat sowie Kreisvorsitzender der FDP Freyung-Grafenau.

Linke

Die Linke verliert in Bayern deutlich und stellt noch vier Abgeordnete. Als Neuer hat nur Ateş Gürpinar ein Mandat errungen. Der 37-Jährige ist Co-Landessprecher der bayerischen Linken und seit diesem Jahr stellvertretender Bundesparteivorsitzender. Der studierte Theater- und Medienwissenschaftler aus München hat den Studierendenverband die Linke.SDS mitaufgebaut.

AfD

Die AFD hat im Vergleich zu 2017 in Bayern klar verloren. Nur Gerrit Huy kann als neues Gesicht in den Bundestag einziehen. Sie ist Diplom-Mathematikerin und hat vor allem an den Programminhalten der AfD mitgewirkt. Als Leiterin des Bundesfachausschusses für Arbeit und Soziales hat die 68-Jährige aus dem oberbayerischen Inning das Sozialkonzept der Partei mitgestaltet.

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Quelle:
SZ vom 27.09.2021
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