Abgehängt von Flüchtlingen:Der dürre Kerl auf dem alten Damenfahrrad

Das Land ändert sich, es wird irgendwie senegalesischer oder eritreischer. Auch in Oberbayern kurven jetzt überall Asylbewerber herum. Als Einheimischer muss man schauen, dass man noch mitkommt.

Von Sebastian Beck

Als Landmensch macht man ja zurzeit die erstaunlichsten Beobachtungen. Neulich beim Mountainbiken südlich von Penzberg in Oberbayern: Von hinten schießt eine Dreiergruppe mit Carbonrahmen-Fahrern in weißen Trikots vorbei. Grundsätzlich ist es für jeden ambitionierten männlichen Radler eine Demütigung, wenn er überholt wird. Man kann sich natürlich auf die Ausrüstung oder Verletzungen rausreden: Carbonschleuder versus Stahlrahmen - da hast du keine Chance, selbst mit deiner Top-Kondition. Ist doch klar. Und wie das Knie schmerzt! Wenn die Carbon-Schnösel bloß wüssten, welch heroischer Kampf hier stattfindet.

In diesem Fall ist es aber so, dass im Windschatten der Dreiergruppe ein dürrer Kerl mit Lederjacke hinterherjagt. Er sitzt auf einem älteren Damenfahrrad der Marke Kalkhoff und gehört augenscheinlich zur Gruppe der Eritreer, die derzeit in der Penzberger Turnhalle hausen. Beim Vorbeiziehen grinst er den Mountainbiker an und ruft: "Hä! Servus! Pfiadi!" Und weg ist er mit den anderen. Ja gut, der Mann ist jung und ambitioniert, und außerdem hat er eh nichts anderes zu tun, als zu trainieren.

Deutscher Formal-Kram

Bei schönem Wetter quietscht und scheppert es auf allen Radwegen in der Region. Flüchtlinge erkunden das Alpenvorland. Ihr Verständnis von Verkehrsregeln entspricht nicht immer den deutschen Vorschriften, aber das Tempo, das sie dabei vorlegen, ist ziemlich hoch. Das erinnert ein wenig an den Marathonläufer aus Äthiopien, der vor einigen Tagen in der Fränkischen Schweiz wegen der Bahn zu spät an den Start ging, dann aber mit großem Vorsprung gewann.

Etliche Flüchtlinge aus dem Senegal haben sich bereits Autos besorgt, wie eine ehrenamtliche Helferin aus Oberbayern erzählt: Man kann damit auch ganz wunderbar ohne Führerschein und Zulassung herumfahren. Das ist alles deutscher Formal-Kram.

Ja, das Land ändert sich. Es wird irgendwie senegalesischer oder eritreischer. Man muss schauen, dass man noch mitkommt.

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