Zu gerne hätten die Freien Wähler (FW) am Montag einen Sturm entfacht, aber dann kam nur eine schwache Brise dabei heraus. Nach der Absage des berühmten Abensberger Volksfestes Gillamoos wegen der Corona-Pandemie wollten Freie Wähler und CSU zumindest die Tradition der politischen Kundgebungen beim Gillamoos retten, indem sie ihre Reden per Live-Stream ins Netz stellten. Leider war die Übertragung des Vortrags von FW-Chef Hubert Aiwanger von ständigen Bild- und Tonstörungen begleitet. Das Zuhören war anstrengend, und wer die Geduld verlor, hatte am Ende zumindest eine hörenswerte Anmerkung Aiwangers versäumt. "Die Dritte Startbahn in München braucht keiner", sagte dieser, "das sehen wir gerade mehr denn je." Die Planungen sollten beendet werden, fuhr Aiwanger fort, hierüber wolle er mit dem Koalitionspartner CSU intensiv beraten.
Der Live-Stream der CSU-Kundgebung mit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer lief technisch reibungslos. Was nicht heißt, dass es nicht auch dort Probleme gab. Als Scheuer während seiner Rede zum irdenen Krug griff, um seine Kehle zu befeuchten, erschrak er gehörig: "Festwirt, da ist ja Wasser drin", rief er entsetzt, "das hab ich beim Gillamoos auch noch ned erlebt!" Wenn es in der Corona-Krise fuchst, dann aber gescheit.
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Ein gutes Jahr vor der nächsten Bundestagswahl wäre der Gillamoos unter normalen Umständen gewiss ein politisches Spektakel geworden. Traditionell treten am letzten Festtag in den verschiedenen Bierzelten Spitzenpolitiker jeglicher Couleur auf. Auf die virtuelle Variante ließen sich nur CSU und FW ein. Die Grünen begründeten ihren Verzicht, die Gillamoos-Stimmung werde durch die zeitgleichen Auftritte der Parteien auf der Festwiese hergestellt. Dieser Reiz gehe bei einer Digitalveranstaltung verloren.
1313 erstmals erwähnt, ist der Gillamoos wohl das älteste Volksfest in Bayern überhaupt. Der Name rührt von einer Wallfahrt zum heiligen Ägidius her. Dessen Name wurde im Dialekt zu Sankt Gilg und schließlich zu Gilla, während der Namensbestandteil Moos auf das sumpfige Gelände rund um Abensberg anspielt. Politikerträume vom Paradies Bayern gehen zweifellos auch auf die berauschende Melange aus Bier, Brathendl und Volksreden zurück. "Man darf das den Menschen nicht vorenthalten", sagte der Kelheimer Landrat Martin Neumeyer (CSU), der augenzwinkernd das Motto der virtuellen Veranstaltung formulierte: "Sommer, Sonne, Scheuer Andi!" Scheuer genoss gegen über den Freien Wählern den Vorteil, dass zumindest 80 handverlesene Parteifreunde in der Festhalle Bayernland dabei sein durften, während Aiwanger und Kollegen im Brauereigasthof "Zum Kuchlbauer" vor leeren Rängen sprachen.
Um keine Tristesse aufkommen zu lassen, rühmte Gastgeber Martin Neumeyer den Gillamoos als einen "Ort der starken und der wahren Worte." In diesem Sinne mäanderte Scheuer quer durch die Bundes- und Weltpolitik. Er verteidigte die bayerische Corona-Teststrategie gegen "typisch deutsche" Kritik, die kaum über die zigtausend guten Tests spreche, dafür aber über die "40, 46, 90 Tests, die nicht so gut gelaufen sind." Bei der kommenden Bundestagswahl rechnet er mit einem extrem schweren Wahlkampf für die Union. "Es wird eine Wahl mit der Losung alle gegen CSU und CDU." Zuletzt kam Scheuer ins Schwärmen über diese "grandiose Veranstaltung" in Abensberg, ein Urteil, das vielleicht nicht von allen der 50 bis 100 Zuschauer geteilt wurde, die seine Rede live auf Youtube verfolgten. Es war solide Unterhaltung, und Scheuer bekam als Dank von Neumeyer eine Gesichtsmaske, auf der ein Bierkrug prangte und das wohl treffendste Wort dieses Vormittags: Mass-kenpflicht.