A 3 bei Würzburg:Schüsse auf der Autobahn

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Seit Monaten schon feuern Unbekannte auf Sattelschlepper, bisher war wie durch ein Wunder noch niemand verletzt worden. Doch nun wurde offenbar zum ersten Mal eine Autofahrerin getroffen.

Olaf Przybilla

Die Autofahrerin aus Sachsen hatte gerade die Brücke über das Würzburger Tal passiert, als die Seitenscheibe ihres Wagens zu Bruch ging, scheinbar ohne Grund. Kurz vor der Autobahnraststätte Würzburg-Süd prallte ihr Auto in die Leitplanken.

Schüsse auf der A3: Die Polizei sperrte die Autobahn, um Spuren zu sichern. (Foto: Foto: dpa)

Die Frau verletzte sich schwer an Kopf und Hals. Während einer Operation machten Klinikärzte in der Nacht zum Mittwoch eine Entdeckung, die seither nicht nur die Würzburger Polizei in Alarmbereitschaft versetzt. Im Hals der 40-Jährigen aus der Nähe von Bautzen fanden die Ärzte ein stark deformiertes Projektil, offenbar das Fragment einer Kugel.

Die Attacke auf die Frau könnte im Zusammenhang mit einer Anschlagsserie stehen, die seit Juli 2008 andauert und die längst das Bundeskriminalamt beschäftigt. Bis zum Dienstagabend war wie durch ein Wunder noch niemand verletzt worden.

Die Serie von Anschlägen richtet sich gegen Sattelschlepper, die Neuwagen über Autobahnen transportieren. Bislang zählt das Bundeskriminalamt mehr als 240 solcher Angriffe. Die Angaben schwanken, denn momentan scheinen die Ermittler kaum mehr mit dem Zählen nachzukommen.

Kugel stammte ebenfalls aus Kleinkaliberwaffe

Auch das Landeskriminalamt (LKA) hatte am Mittwochabend eingeräumt, dass der Würzburger Anschlag vom Dienstag bis dato noch gar nicht in die Serie eingeordnet worden war. Bis zum Mittwoch hatte das Münchner Amt allein in Bayern 40 Anschläge auf Autotransporter registriert.

Da auf der A 3 in Höhe des Würzburger Stadtteils Heuchelhof kein Transporter getroffen wurde, sondern die Frau, sei diese Tat "nicht in die Serie eingeordnet" worden, erklärte ein LKA-Sprecher. Am Donnerstag erhärteten sich dann die Hinweise, dass es sich bei dem Projektil um eine Kugel aus einer Kleinkaliberwaffe handelt - mit einer Waffe dieser Gattung waren zuvor sämtliche Anschläge auf deutschen Autobahnen verübt worden.

Dass die Autofahrerin gegen 18.10 Uhr - also nach Einbruch der Dunkelheit - von einem Querschläger getroffen worden sein könnte, sei damit "nicht mehr auszuschließen", erklärt ein Polizeisprecher.

Zumal in der Zwischenzeit immer mehr Meldungen über beschädigte Fahrzeuge eingehen. Der Fahrer eines Autotransporters, der am Dienstag die Unglücksstelle am Würzburger Heuchelhof passiert hatte, stellte ein Loch mit sechs Millimetern Durchmesser in der Verkleidung seines Aufliegers fest. Der Lenker eines Schleppers, der an dem Tag ebenfalls die Autobahn bei Würzburg befahren hatte, meldete sich aus der Oberpfalz. Auch in einem seiner Wagen finde sich ein Einschuss, sagte er. Ein dritter Lkw-Fahrer bemerkte im Kotflügel eines von ihm transportierten Autos ein Loch. Auch er hatte, aus Hessen kommend, die A 3 bei Würzburg passiert.

Dem Bundeskriminalamt haben bislang betroffene Fahrer die Anschläge unterschiedlich geschildert: Manche hörten einen kleinen Knall und dachten, ein Stein sei gegen die Karosserie geflogen. Die meisten aber hörten nichts, merkten gar nicht, dass auf sie gefeuert wurde. Erst später, meistens beim Abladen, fanden sie die Einschusslöcher. Der Schaden an den Autos beläuft sich meist auf 1500 bis 3000 Euro. In elf Bundesländern wurden bislang solche Einschüsse gemeldet. Das am häufigsten betroffene Gebiet liegt an der A 6 und A 61, zwischen Bayern und Nordrhein-Westfalen.

Vielleicht schoss dort ein Täter, vielleicht waren es mehrere. Manchmal traf es die Fahrertür, manchmal die Frontscheibe, stets aber waren Neuwagen das Ziel. Von wo aus geschossen wurde, war bisher nicht festzustellen. Bei den Routen der Laster kommt als Tatort nicht selten ein Bereich von mehreren tausend Kilometern in Frage.

Im Würzburger Fall könnte das nun anders sein. Durch den Unfall der Fahrerin scheint der Tatort diesmal relativ klar lokalisierbar zu sein. Die Autobahn in Richtung Frankfurt wurde am Donnerstag an der Stelle für 45 Minuten gesperrt. Gefundene Spuren werden nun ausgewertet.

Waren es militante Umweltschützer?

Was den Täter oder die Täter antreibt, darüber können die Ermittler nur spekulieren. Die Schüsse könnten von militanten Umweltschützern stammen. Als wahrscheinlicher aber gilt die These, dass da Täter ein virtuelles Ballerspiel in die Realität übertragen wollen. Ob sämtliche Schüsse aus derselben Waffe stammen, ist unklar. Sicher ist nur, dass sie alle aus Kleinkaliberwaffen stammen - die sich jeder Sportschütze besorgen kann.

Lange hatten diese Schüsse nur Sachschaden angerichtet. Die Frau scheint nun das erste Opfer geworden zu sein. Sie konnte mittlerweile vernommen werden. Woher die Kugel gekommen ist, kann sie nicht sagen. Die Frau hatte den Schuss gar nicht wahrgenommen.

© SZ vom 13. November 2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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