Streit um Neun-Euro-Ticket:Anti-Ampel-Rumpeleien aus Bayern

Streit um Neun-Euro-Ticket: Kritik mit Ansage: Bayerns Regierungschef Söder hat seine Minister angewiesen, bei jeder sich bietenden Gelegenheit gegen die Bundesregierung zu schießen.

Kritik mit Ansage: Bayerns Regierungschef Söder hat seine Minister angewiesen, bei jeder sich bietenden Gelegenheit gegen die Bundesregierung zu schießen.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Bayerns Verkehrsminister ist gegen das Neun-Euro-Ticket der Bundesregierung, obwohl es genau jene entlastet, die die CSU auch entlasten will. Ein taktisches Manöver? Oder steckt doch mehr dahinter?

Von Andreas Glas

Natürlich ist in Bayern einiges anders als im Rest der Republik. Doch was da gerade passiert, stellt auf den ersten Blick selbst Bayernversteher vor ein Rätsel. Da ist, erstens, die Sache mit dem Neun-Euro-Ticket, mit dem die Bundesregierung diejenigen entlasten will, die auch die CSU entlasten möchte: Familien, Studierende, Rentnerinnen und Rentner. Trotzdem rebelliert Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) gegen das Ticket. Er droht mit Blockade im Bundesrat. Und dann ist da, zweitens, das Tempolimit, das CSU und Freie Wähler eigentlich ablehnen. Trotzdem hat Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (FW) neulich in der Umweltministerkonferenz (UMK) fürs Tempolimit gestimmt. Was ist da bitteschön los?

Zunächst zum Neun-Euro-Ticket, da hat CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder am Montag nachgelegt. Drei Monate für je neun Euro den öffentlichen Nah- und Regionalverkehr nutzen, bundesweit, von Juni bis August? "Nette Idee", sagte Söder, aber "dann ist ab September wieder alles wie vorher". Es brauche schon "was Nachhaltigeres". Dann der vielleicht zentrale Satz: "Es kostet den Freistaat viel."

Es geht mal wieder ums Geld zwischen Bayern und Berlin. Minister Bernreiter hat das noch härter formuliert: "Wenn der Bund glaubt, er könne sich auf dem Rücken der Länder für ein dreimonatiges Trostpflaster beklatschen lassen und andere sollen dafür die Rechnung zahlen, dann hat er sich gewaltig getäuscht." Sofern der Bund die Kosten für das Neun-Euro-Ticket "nicht voll ausgleicht" und die Regionalisierungsmittel erhöhe, "wird er im Bundesrat gegen eine Mauer laufen", drohte Bernreiter, der - wie alle CSU-Ministerinnen und -Minister - von Söder beauftragt ist, bei jeder sich bietenden Gelegenheit gegen die Bundesregierung zu schießen. Ist die Blockade gegen das Neun-Euro-Ticket also ein taktisches Manöver der CSU, um sich im Konflikt mit Berlin bei der eigenen Wählerschaft zu profilieren?

Bayern ist nicht das einzige Land, das Probleme mit den Ticket-Plänen hat

Natürlich nutze Bayern seinen Status als einziges "ampelfreies" Bundesland, um sich "härter zu Wort zu melden", heißt es in Kreisen der Staatsregierung. Aber, das stimmt eben auch: Bayern ist nicht das einzige Land, das unzufrieden ist mit den Ticket-Plänen. Auch Baden-Württembergs grüner Verkehrsminister Winfried Hermann protestiert, selbst im rot-grün-roten Bremen regt sich Widerstand. Dass Bremen ein Stadtstaat ist, entlastet Bayerns Minister Bernreiter dann auch vom Vorwurf, dass ihm das Neun-Euro-Ticket egal sei, da ihn Söder ja vor allem als Vertreter des ländlichen Raumes sieht, wo das Auto Hauptverkehrsmittel ist.

Ums Geld geht es also nicht nur den Bayern. Auch der Protest der anderen Länder dient offenkundig dem Zweck, den eigenen Beitrag klein zu halten - und den Bund im Kostenpoker ums Neun-Euro-Ticket unter Druck zu setzen. Dass ausgerechnet die CSU statt des Tickets "eine dauerhafte Stärkung des Öffentlichen Personennahverkehrs durch mehr Bundesmittel" fordert, ist da schon eher ein spezifisch-bayerischer Umstand. Eine Stärkung des Nahverkehrs hätte die CSU ja selbst durchsetzen können, die von 2009 bis 2021 stets den Bundesverkehrsminister stellte.

So oder so dürfte Bayern nicht in erster Linie anstreben, das Neun-Euro-Ticket zu verhindern. Laut Umfragen stehen die meisten Menschen dem Angebot positiv gegenüber, die Rolle des Blockierers wäre keine populäre Rolle. Sollte ihr Protest dazu beitragen, dass die Länder billig aus der Ticket-Nummer rauskommen, könnte sich die CSU allerdings als Kämpferin für die finanziellen Interessen des Freistaats profilieren - ohne gleich Spielverderberin zu sein. Dass Söder allen Bayern vor vier Jahren ein 365-Euro-Jahresticket für den Nahverkehr versprochen hat, für das der Freistaat "kräftig" mit zahle? Sei kein Widerspruch zur Neun-Euro-Ticket-Blockade, heißt es aus Parteikreisen. Infolge der Pandemie und des Krieges in der Ukraine seien die finanziellen Möglichkeiten nicht mehr dieselben wie 2018.

Und nun zum Tempolimit. Hier sind die bayerischen Verhaltensauffälligkeiten in der Umweltministerkonferenz einfacher zu erklären. "Das Tempolimit war einer von mehr als einem Dutzend Unterpunkten eines Gesamtbeschlusses zu den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs", teilt ein Sprecher des Umweltministeriums mit. Was heißen soll, dass Bayern nicht aus Überzeugung fürs Limit gestimmt hat, sondern der Einfachheit halber. Das belegt eine Protokollerklärung zum Beschluss. Darin ist festgehalten, dass Bayern "die Wirkung eines generellen Tempolimits für begrenzt" hält und dieses trotz Zustimmung in der Umweltministerkonferenz "nicht mittragen" werde. Echte Folgen hat der Beschluss ohnehin nicht. Über ein Tempolimit kann nur der Bundestag entscheiden.

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