81-Jährige muss ins Gefängnis:Heroin-Dealerin im Rollstuhl

Eine 81-Jährige wurde in Nürnberg zu fünf Jahren Haft verurteilt. Die "Drogen-Oma" hatte das schmutzige Geschäft ihres Sohnes weitergeführt - als der im Gefängnis saß.

Roman Deininger

Der Sohn hatte sich ein blühendes Geschäft aufgebaut, so sehr blühte es, dass die betagte Mutter hin und wieder mitanpacken musste. Sie tat das gern, es war ja ein Familienunternehmen: klein und überschaubar. Hauptsitz war die gemeinsame Wohnung. Dann, von einer Stunde auf die andere, konnte sich der Sohn nicht mehr kümmern, widrige Umstände zwangen ihn fort. Doch die Mutter verzagte nicht, sie übernahm einfach den kompletten Betrieb, ganz allein, und der blühte munter weiter. Jetzt steht sie dafür vor Gericht.

Christa K. ist in ihren Rollstuhl versunken, über die Rückenlehne hat sie ihre Jacke gelegt, der Fellkragen ist künstlich oder stammt von einem lila Leopard. Manche Angeklagte spielen krank. Sie muss nicht spielen, sie ist 81 Jahre alt und wirkt kein Jahr jünger. Sie hat es an den Beinen und am Herz, sie ist gerade so verhandlungsfähig. Auf dem Stuhl neben ihr sitzt ein Notarzt, das steht leuchtend rot auf seiner Weste. Der Mann lässt die alte Dame keine Sekunde aus den Augen. Man müsste Mitleid haben mit Christa K. Aber Mitleid mit der Frau, die ganz Nürnberg aus seinen bunten Blättern als "Drogen-Oma" kennt?

Als Christa K. Anfang Juni verhaftet wurde, zeigte eine Boulevardzeitung ein Foto - viel Rollstuhl, wenig Frau - und fragte: "Ist diese Omi Deutschlands älteste Drogendealerin?" Die Sache konnte nicht abschließend geklärt werden, der Titel gebührt aber aller Wahrscheinlichkeit nach eher einer 84-jährigen Solingerin, die jüngst ebenfalls als "Drogen-Oma" Medienruhm erlangte. In diese Riege gehört auch eine 72-jährige Karlsruherin, die in ihrer Wohnung eine Marihuana-Plantage angelegt hatte. Bei Christa K. geht es nicht um Marihuana. Es geht um Heroin. Zwischen Juni und September 2008 soll sie in ihrer Wohnung in einem Block im Nürnberger Stadtteil Gostenhof rund 410 Gramm des gefährlichen Rauschgifts gekauft und wieder verkauft haben. Geschätzter Umsatz laut Staatsanwaltschaft: 16400 Euro.

Zuerst, sagt ein Polizeibeamter am Dienstag vor dem Nürnberger Landgericht, hätten die Ermittler nur Christa K.'s 53-jährigen Sohn im Verdacht gehabt. Der erfreute sich schon länger der Aufmerksamkeit der Polizei. In den sechziger Jahren war er das erste Mal als Drogenkonsument aufgefallen und danach immer wieder in Haft. Nun führte die Spur eines Rauschgifthändlers aus Rheinland-Pfalz direkt zu ihm. "Dann hat sich die Sache gedreht", sagt der Polizist. Die Telefonüberwachung ergab: Auch Christa K. hatte bei dem Lieferanten (Codename "Masseur") angerufen und Ware bestellt. Im Sommer 2008 war ihr Sohn verhaftet und zu fünf Jahren hinter Gittern verurteilt worden, wegen Drogenhandels. Danach handelte sie ohne ihn weiter. Sie habe nur ihre Rente aufbessern wollen, soll sie gesagt haben, als die Polizei schließlich auch zu ihr kam.

Im Saal 228 des Landgerichts legt Christa K. ein umfassendes Geständnis ab, oder genauer: Ihr Anwalt tut das, ihre Stimme ist zu schwach. "Bitte genau aufpassen, Frau K.", sagt er vorher. Und dann gibt es wirklich so etwas wie Mitleid für die Angeklagte, für eine Frau, deren Familiengeschichte dem Vernehmen nach Leid birgt für 100 Familien. Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung verständigen sich auf eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren - es hätten auch acht werden können. Christa K. soll behindertengerecht untergebracht werden, dafür wollen sich ihre Anwälte einsetzen. In der Untersuchungshaft hätte sie nicht einmal einen Fernseher gehabt.

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