70 Jahre SZ:Gewählt für alle Ewigkeit

CSU-Parteitag

Ein Mann befestigt ein CSU-Logo.

(Foto: dpa)

CSU, CSU, CSU - wie man sich als bayerischer Journalist ein Leben lang an einer einzigen Partei abarbeitet. Und weshalb sich daran wohl auch für nachfolgende Journalisten so bald nichts ändern wird.

Von Sebastian Beck

Vielleicht sollte man die Geschichte über die CSU erst einmal mit der SPD beginnen. Deren Abgeordneten V. bekam die Lektüre des SZ-Bayernteils beim Frühstücken mitunter schlecht. Im Maximilianeum steuerte er dann auf den Landtagskorrespondenten zu und baute sich vor ihm auf: "Sie mögen uns nicht!", schleuderte er dem Journalisten ins Gesicht. "Ihre Fragestellung beim Interview mit dem Fraktionschef ist so was von aggressiv. Da ist keinerlei Sympathie erkennbar!" Der Journalist antwortete sinngemäß, dass ihm - rein beruflich betrachtet - das Schicksal der bayerischen SPD völlig wurscht sei und Sympathie keine journalistische Kategorie. Der Abgeordnete V. zeigte sich entsetzt und sagte: "Und wir haben gedacht, dass die SZ uns hilft." Das war 2003, im 46. Regierungsjahr der CSU.

Zwei Generationen von Journalisten haben sich bereits an der CSU abgearbeitet

Im Frühchristentum gab es die Vorstellung der Naherwartung; dass also bald der Heiland wieder erscheinen und dem schrecklichen Treiben auf Erden ein Ende bereiten möge. Auch die damals noch jungen Grünen lebten Anfang der Achtzigerjahre im Zustand der Naherwartung: Wahrlich, das Ende des schwarzen Filzes ist nah! Die bayerische SPD hatte zu dem Zeitpunkt bereits von der Naherwartung auf eine eher mittelfristige Perspektive umgeschaltet. Nach der Jahrtausendwende erodierten Nah- und Mittel- und Fernerwartung langsam zu einer allgemeinen Erwartungslosigkeit. Im Jahr 2015 regiert die CSU immer noch. Ununterbrochen seit dem 16. Oktober 1957.

Manchmal fragen Kollegen aus Norddeutschland, vorzugsweise aus der Hauptstadt Berlin, wie das denn sei, wenn man dauernd über diese provinzielle, populistische, dialektverseuchte Partei schreiben müsse. Sie grinsen dabei mit einer Mischung aus Häme und Mitleid: Ihr seid doch alle rückständige CSU-Kasperl da unten in München! Man hört sich dann selbst plötzlich sagen: Angenommen, dass die Provinz in Wirklichkeit ein innerer Zustand ist, dann ist es doch möglich, dass die provinziellsten Deppen in den größten Städten sitzen. Das klingt dann schon fast wie eine Verteidigungsrede auf bayerische Verhältnisse. Andererseits stimmt es ja auch: Zwei Generationen von Journalisten haben sich bereits an der CSU abgearbeitet. Und sie liegt immer noch wie ein riesiger schwarzer Betonblock in der Landschaft. Meteoritenhaft. Ewiglich.

Zwei Weißbier und ein Schweizer Wurstsalat gratis, das ließ sich cool an

Einer seiner ersten Termine führte den jungen Journalisten im September 1986 - was sonst - auf eine CSU-Versammlung im Landkreis Erding. Weltanschaulich konnte er sich damals nicht recht zwischen seinem Sechszylinder-BMW und der Naherwartungspartei entscheiden, weshalb er sich und sein Fahrzeug mit einem "Tempo 100 dem Wald zuliebe"-Aufkleber folterte. Die Strauß-CSU repräsentierte für ihn aber innerpsychisch eine autoritäre Vaterfigur, die es schon deshalb zu bekämpfen galt. Der Ortsvorsitzende begrüßte ihn geradezu devot als "Herrn von der Presse", der selbstverständlich zu Speis und Trank eingeladen sei. Das ließ sich schon mal ziemlich cool an mit dem Journalismus und der CSU. Zwei Weißbier und ein Schweizer Wurstsalat gratis!

Zwei Tage später rief der CSU-Mensch in der Redaktion an und beschwerte sich: "Da frisst und sauft er sich auf unsere Kosten durch und schreibt so einen Mist!" Es hätte CSU Oberding heißen müssen und nicht CSU Niederding. Und drei von fünf Namen waren falsch geschrieben. Immerhin, ein publizistischer Anfang war gemacht, auch im Verhältnis zur CSU.

Die nächsten 13 Jahre führten den Journalisten durch Dutzende Stadt- und Gemeinderäte im Umland von München. Es war stets das gleiche Bild: Wenn alle Bauanträge duschgenuschelt waren, wenn es zur Abstimmung kam, gewannen immer die Schwarzen. Überall. Ausnahmslos. Dabei war die Kommunalpolitik der CSU so völlig frei von jeglicher neuen Idee, doch gerade darin bestand ja ihr Konzept. Bewahren, erhalten, betonieren. Solaranlagen fürs Neubaugebiet? Wenn SPDler oder Grüne so etwas Ende der Achtzigerjahre vorschlugen, dann bekamen sie in der Regel ein paar höhnische Bemerkungen nachgeworfen. Nächster Punkt auf der Tagesordnung: Zuschuss für den Sportverein.

Im journalistischen Alltag führte dies dazu, dass all die chronischen Verlierer der bayerischen Politik Obdach und menschliche Wärme bei der SZ suchten. Die Zeitung war zum Sprachrohr der Opposition geworden. Die CSU unterschied nicht mehr zwischen Presse und den paar Hanseln, die im Sitzungssaal auf der anderen Seite des Tisches saßen. "Ich bin im Bayerischen Wald aufgewachsen", brüllte ein Gemeinderat den Berichterstatter der SZ an. "Wir haben nicht einmal Strom gehabt. Und ihr wollt uns des alles wieder nehmen!"

In den Achtzigerjahren galten SZ-Journalisten als Kommunisten

Auch in der CSU-lastigen Verwandtschaft herrschte eine gewisse Skepsis gegenüber dem Handwerk des Journalisten, was sich in Kommentaren entlud: "Ha Schreiberling, lügst no jeden Tag dein Blattl voll?" Oder: "Ihr bei der Süddeutschen, ihr seid doch lauter Kommunisten." Ja, die SZ war tatsächlich ziemlich links in den Achtziger- und Neunzigerjahren. Das hatte sich die CSU auch redlich verdient.

Kürzlich war Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer zu einem sogenannten Hintergrundgespräch in der SZ-Redaktion. In Hintergrundgesprächen reden Politiker manchmal wie normale Menschen, was man dann aber nicht schreiben darf. Wenn man es doch schreibt, dann nur so, dass keiner merkt, von wem die Information stammt. Seehofer hat in dem Gespräch ein paar Äußerungen über sich und die CSU gemacht, die von der Intonierung stark an ein Wochenende vor zwölf Jahren mit dem Meyer Franz im Landkreis Passau erinnerten.

Die CSU ist keine Partei, sondern eine Löschgemeinschaft

Der Franze aus Hirnschnell hatte bei seiner Nominierung als CSU-Landtagskandidat damals 100 Prozent erhalten, was selbst für CSU-Verhältnisse ein recht ordentliches Ergebnis darstellte. Am Wochenende zog er mit dem SZ-Reporter von Feuerwehrfest zu Feuerwehrfest. Und in seinem Wahlkreis gab es immerhin 161 Feuerwehren. Die CSU, das wurde dort einmal mehr klar und gilt bis heute, ist keine Partei, sondern eine Löschgemeinschaft. Franze ließ sich als Superstar feiern, in München hingegen hieß es in der CSU-Spitze: ein netter Kerl, aber fürs Kabinett ein bisserl zu schlicht gestrickt.

Als der Artikel auf der Seite Drei erschienen war, stornierte der CSU-Landrat von Passau Anzeigen in der SZ mit der Begründung, man habe den Meyer Franze und damit die gesamte Region in den Dreck gezogen. Der CSU-Bürgermeister der Stadt X. sagte dem SZ-Journalisten, er sei im Grunde ein "Dreckhammel". Ein späterer CSU-Fraktionschef hingegen, der gerne ungefragt duzte, war neidisch: "Mogsch ned au mal über mi in Schwaben so was schreiben? Des wär doch a Sach."

Die CSU denkt schon in Dynastien

Um aber langsam wieder auf Seehofer zurückzukommen: Den eigentlichen Satz des Franze-Wochenendes sprach Josef Stempfl, der frühere CSU-Ortsvorsitzende von Aigen am Inn. Er stand beim CSU-Fußballturnier am Spielfeldrand und sagte: "Ich war 33 Jahre lang Ortsvorsitzender, dann habe ich es dem Schwiegersohn übergeben."

Das ist insofern eine interessante Äußerung, weil sie die dynastische Denkweise der CSU offenbart: Ihre Macht wird mittels Wahlen vererbt. Seit 1957. Während Seehofer neulich an seinen Wiener Würstl mit Senf kaute, erläuterte er einigermaßen plausibel, wie er bis zur Landtagswahl 2018 die Macht übergeben wolle. An wen, das sagte er nicht. Er sagte leider nur, dass es keinesfalls Markus Söder sein werde. Die Möglichkeit einer Wahlniederlage gegen die SPD bezog er jedenfalls nicht in sein Kalkül mit ein. Er erwähnte die SPD nicht einmal.

Der "Django aus dem Isar-Valley" wechselt in die Landespolitik

Als der SZ-Journalist 1999 seine Stelle als Landtagskorrespondent antrat, da war er nach 13 Jahren CSU auf dem Lande ein bisschen vorbelastet. Lustigerweise funktionierte der Landtag nicht anders als zum Beispiel der Gemeinderat Holzkirchen oder der Kreistag in Miesbach: Die CSU gewann immer. Nur gab es in München jemanden wie den Fraktionsvorsitzenden Alois Glück. Er hatte geradezu liberale Anwandlungen, was man beispielsweise von der CSU im Landkreis Bad Tölz nicht behaupten konnte. Glück verbrachte einige Zeit damit, das S und das C in der CSU auszudeuten. Zum U fiel ihm eher weniger ein. In Interviews konnte Glück homöopathische Botschaften in der Verdünnung C200 an den Edmund schicken, was bei jenem maximale Wirkung erzeugte. Die CSU im Landtag war manchmal ein positive Überraschung.

Auch die SPD, die sich damals gerade zur Fernerwartungspartei wandelte, begrüßte den neuen Mann von der SZ mit einer gewissen Vorfreude: Vielleicht konnte der ja endlich was reißen. Der Plan lautete ungefähr so: Die SZ muss nur lange genug über die Schweinereien der Staatspartei berichten und Pressemitteilungen der SPD drucken, dann wird alles anders. Bereits nach drei Monaten machte sich allerdings Enttäuschung breit, weil der Journalist politisch unzuverlässig erschien: In einem Brandbrief an die SZ-Redaktion hieß es, der neue Journalist sei ein selbst ernannter "Django aus dem Isar-Valley", der ein gestörtes Verhältnis zur Sozialdemokratie habe. Irgend so ein Karriereschreiber halt.

Was bleibt nach 29 Jahren mit der CSU?

Die CSU ist 2015 immer noch da und regiert im 58. Jahr. Reste der SPD existieren auch noch. Der Journalist aus dem Isar-Valley schreibt weiter für die SZ. Vor einigen Jahren fuhr er einen klapprigen Porsche 924S. Im Kassettenrekorder klemmte ein Interview mit Edmund Stoiber. Man konnte nur dieses einstündige Interview hören. Ähm, äh, es war brutal. Irgendwann verkaufte er den Porsche für 1500 Euro samt Interview. In der Mitteilung der Presseversorgung stand neulich, dass seine Lebensversicherung 2030 fällig wird. Wenn es schlimm läuft, wird der Ministerpräsident dann Markus Söder heißen. Er wird sich ins Festzelt stellen und sagen: Nur die CSU ist der Garant für ein stabiles . . . - also genau das, was die CSU seit 1957 runterleiert.

Die CSU, das ist eine Art Erkenntnis aus 29 Jahren, kann sich in Bayern nur selbst besiegen. 2008 hätte sie das bei der Landtagswahl fast geschafft. Zum Glück hat ihr die SPD mit ihrem schlechtesten Ergebnis seit 1946 geholfen. Auf die bayerischen Sozis ist Verlass, wenn es drauf ankommt.

Man könnte nun der Meinung sein, dass es für die CSU trotzdem eine schöne demokratische Übung wäre, einmal in die Opposition zu gehen. Nur so als Experiment, um zu sehen, was dann passiert. So zum Spaß halt. Nur ganz kurz, versprochen! Aber den Gefallen wird sie weder dem Land noch den bayerischen Journalisten erweisen.

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