Die Zeit der Bauernkriege vor 500 Jahren war reich an Tragödien, Gemetzeln und Meuchelmorden. Einem Attentat ist zum Beispiel der radikale Tiroler Bauernführer Michael Gaismair zum Opfer gefallen. Nach dem Fiasko beim Bauernaufstand in Salzburg anno 1526 floh Gaismair in die Republik Venedig, wo man ihm Asyl gewährte. Der österreichische Erzherzog Ferdinand I. hatte indessen ein Kopfgeld auf den Flüchtigen ausgesetzt. Eines Morgens stellten drei gedungene Mörder Gaismair auf einer Freitreppe in Padua und setzten seinem Leben mit Dutzenden Messerstichen ein Ende.
Der Bauernkrieg von 1525 ist als erste große Massenerhebung im deutschsprachigen Raum im kollektiven Gedächtnis verankert. Mit Blick auf das heutige bayerische Staatsgebiet erfasste die Rebellion zunächst das Allgäu, bald standen die Bauernhaufen aber auch in Franken im Feld sowie in Tirol, wo alsbald Amtsstuben, Pfarrhöfe und Klostergebäude in Schutt und Asche lagen. Sodann sprang der Krieg nach Salzburg über, wo sich der Erzbischof in letzter Sekunde auf die dortige Festung retten konnte.
Im Volk gärten schon lange vorher Frustration und Unzufriedenheit, bis sich die Bauern im Sog der Reformation endlich anschickten, gegen Unterdrückung und für eine gerechtere Welt zu kämpfen. Eine ihrer Kernfragen lautete: Ist es Gottes Wille und Gesetz, dass die Bauern um ihre Rechte betrogen werden und immer neue Steuern zahlen müssen?

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Es fällt auf, dass das heutige Altbayern weitgehend von diesem Krieg verschont wurde. Dort blieben die Bauern lieber hinter dem Ofen sitzen, wie der Historiker Benno Hubensteiner deren Unwillen bildhaft schilderte. Höchstens, dass es in Traunstein kurz schepperte oder dass ein Bierdimpfl im Dorfwirtshaus das Maul gegen die Obrigkeit ein bisserl zu weit aufriss. Letztlich hatte es die wittelsbachische Landesherrschaft geschafft, mit rechtlichen Regelungen und energischem Einschreiten Konflikte zwischen kirchlichen und adeligen Grundherrschaften auf der einen Seite sowie den Bauern auf der anderen Seite rasch einzudämmen. Dass die Herzöge klug schlichteten und dabei den Bauern das Gefühl vermittelten, keiner Willkürherrschaft ausgeliefert zu sein, darin sieht der Agrarhistoriker Dietmar Stutzer einen Hauptgrund für das Ausbleiben größerer Bauernunruhen in Altbayern.
Dazu kam das Einschreiten der Herzöge gegen die neue Glaubenslehre, denn die Lehren Luthers wurden, wie der Historiker Karl Bosl schrieb, auch als „Aufruf zur Veränderung der Gesellschaft“ verstanden. In Altbayern aber hielten die Herrschenden das Land von den konfessionellen Wirren einigermaßen frei. Nachdem die Memminger Bauern im März 1525 in den „Zwölf Artikeln“ ihre Rechte eingefordert hatten, vertrat der bayerische Kanzler Leonhard Eck vehement die Auffassung, die Herrschenden möchten keinen Schritt von ihren alten Positionen abweichen. Die Verbreitung der reformatorischen Lehren in Bayern zu verhindern, gelang in der Folge aber nicht.

Seit jeher besitzt die bäuerliche Bevölkerung in Bayern einen Hang zum Bewahren. Revolutionäre Forderungen prallten meistens an ihr ab, Stabilität und Sicherheit waren dem Landvolk wichtiger. Gestützt wird diese Einschätzung von dem Abensberger Johannes Turmair alias Aventinus, der in seiner kurz vor dem Bauernkrieg vollendeten „Bayrischen Chronik“ ein aufschlussreiches Porträt der bayerischen Bauern überlieferte: „Das ganze Land im allgemeinen ist sehr fruchtbar“, schrieb er und fuhr fort: „Das bayerische Volk . . . legt sich mehr auf den Ackerbau und die Viehzucht als auf den Krieg . . .“
Die altbayerischen Regionen genossen überdies das Glück, weitaus seltener von wirtschaftlichen Nöten heimgesucht worden zu sein als andere Landstriche. Vor allem die Pest hatte im 14. Jahrhundert in den dichter besiedelten Landschaften Frankens und Schwabens die Dörfer ausgedünnt und zu Arbeitskräftemangel und Preisverfall geführt.
Aus zeitgenössischen Reisebeschreibungen geht hervor, dass die Bauern aus Altbayern in jener Zeit sogar „auf Rosen und Violen gebettet“ gewesen seien. Was wiederum die Folge einer Intensivierung der Viehhaltung sowie einer Währungsreform gewesen sein könnte, die im Herzogtum Bayern mit seiner zentralisierten Verwaltung wesentlich besser gelang als in den politisch zersplitterten Landschaften Frankens und Schwabens.

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Das jüngst erfolgte Vordringen von Tierrechtsaktivisten auf den Hof des Agrarfunktionärs Günther Felßner erinnert an einen aggressiven Rügebrauch, der das ländliche Bayern über Jahrhunderte hinweg geprägt hat. Am Ende gab es häufig nur Verlierer.
Über den Bauernkrieg im Allgäu gibt es sogar einen Spielfilm, den Klaus Gietinger und Leo Hiemer 1979 gedreht haben. Er trägt den Titel „Lond it luck“ (Lass nicht locker). Zum jetzigen Bauernkriegs-Gedenkjahr zeigen die Autoren diesen erstaunlichen Streifen bis Mitte Mai in einer restaurierten Fassung in vielen Allgäuer Kinos (Kempten, Bad Wörishofen, Kaufbeuren, Isny, Füssen, Lindau, Sontheim). Auf dem aktuellen Flyer zum Film ist zu lesen: „Für alle, die angesichts schreienden Unrechts ihre Menschenrechte einfordern, gilt auch heute noch und vielleicht als jemals zuvor: Lond it luck!“
Trotzdem: Auch Altbayern blieb von Unruhen nicht ganz verschont. Das offenbart der Überfall eines Allgäuer Bauernhaufens im Juni 1525 auf das unter dem Schutz der bayerischen Herzöge stehenden Kloster Steingaden, das dabei in Brand gesetzt wurde. Und auf dem Peißenberg versammelten sich die Bauern des Oberlandes, um darüber zu beraten, . . . „wie man sich halten solle, wenn auch in Bayern der Sturm angeschlagen werde.“
Kämpferischer gaben sich die bayerischen Bauern gut 200 Jahre später beim nächsten Aufstand. Nachdem in der Schlacht von Höchstädt in Schwaben im August 1704 die französisch-bayerischen Weltmachtsträume zerplatzt waren, begann für Bayern eine zehnjährige Besatzungszeit, in der die Österreicher das Land auspressten. Sie drangsalierten die Menschen, bis die Bauern den Aufstand wagten. „Lieber bairisch sterben als kaiserlich verderben!“, tönte es durchs Land. Was dann auch geschah.
Bei der „Sendlinger Mordweihnacht“ im Dezember 1705 wurden die Haufen aus dem Oberland niedergemetzelt. Jene aus Niederbayern folgten 14 Tage später in Aidenbach, wo bis heute jedes Jahr am 8. Januar bei einem Fackelzug an den Bauernaufstand erinnert wird, der mit dem Abschlachten von nahezu Wehrlosen endete. Die Bauern waren im Kampfe ungeübt und kämpften lediglich mit Dreschflegeln gegen die Soldateska. Am Abend des 8. Januar 1706 lagen die Leichen von gut 4000 Landesverteidigern auf den Feldern.
Revolutionäre Ideen fanden auf dem Land wenig Resonanz
Dessen eingedenk, hielten sich die Bauern fortan eher zurück. Als im revolutionären München am Abend des 7. November 1918 ein Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrat gebildet wurde, deutete dies darauf hin, dass auch die Bauern bei der Niederschlagung der Monarchie tatkräftig mitwirkten. Letztlich blieb ihr Einfluss jedoch gering, da die revolutionären Ideen auf dem Land wenig Resonanz fanden. Die ländlichen Gebiete Bayerns verhielten sich wie so oft abwartend und konservativ, auch wenn die Bauernräte unter Führung von Karl Gandorfer anfangs die Revolution unterstützten.
Aufstände wie einst im Bauernkrieg sind heute undenkbar. Was nicht heißt, dass bayerische Bauern nicht imstande wären, mit Protesten und Demonstrationen auf missliebige politische Entscheidungen zu reagieren. Deutlich wurde dies zuletzt bei den Bauernprotesten im Januar 2024, als Landwirte massiv gegen die Streichung von Steuersubventionen für Agrardiesel und die Einführung der Kfz-Steuer für landwirtschaftliche Fahrzeuge protestierten. Ihre Forderungen unterstrichen sie mit scharfen Reden und mit einer Parade turmhoher Traktoren. Die Aktionen verliefen aber größtenteils friedlich. Die modernen Bauernführer wissen es sicherlich zu schätzen, dass ihnen, wenn sie heutzutage aufmucken, das Schicksal des armen Gaismair erspart bleibt.