35 Jahre Spider Murphy Gang:Wiar a Traum

Sie zogen ihre "Rock 'n' Roll Schua" an und sorgten dafür, dass die ganze Welt erfuhr, mit welcher politischen Keule den Münchnern die Unmoral ausgetrieben wurde: Seit 35 Jahren steht die Münchner Band Spider Murphy Gang auf der Bühne. Wer die Lieder von Rosie, Sperrbezirk und Schickeria hört, hört ein Stück Heimat.

Karl Forster

Der Taxifahrer war sehr freundlich. Man hatte wohl die Adresse nicht korrekt ausgesprochen. Wer "Schpeersoat" sagt statt vornehm "S-peersort", ist in Hamburg halt sofort als Süddeutscher oder Norditaliener identifiziert. Noch in Sichtweite des Flughafens Fuhlsbüttel kramte er in einer Tasche voller Musikkassetten - das war damals, in den Achtzigern, ein gängiger Tonträger. Dann, ratsch ratsch, rein damit, auf "Play" gedrückt, und der Benz füllte sich mit Tönen.

Spider Murphy Gang, 2010

Sie haben sich der größten, einflussreichsten und ehrlichsten Mode verschrieben hat: dem Rock'n'Roll: Die Spider Murphy Gang bei einem Konzert 2010.

(Foto: Catherina Hess)

Tönen, die einem so bekannt vorkamen, als säße man daheim in München beim sonntäglichen Frühschoppen mit Livemusik. Der Taxifahrer brüllte irgendwas, es klang nach: "Na, das müsste Dir doch gefallen! Ist ja aus Deiner Heimat!" Ja, es gefiel. Und es war aus der Heimat. Wo sonst gab es damals schon und gibt es noch heute einen "Skandal im Sperrbezirk"? In Hamburg schon gar nicht.

Es ist der Spider Murphy Gang zu verdanken, dass alle Welt erfuhr, mit welcher politischen Keule den Münchnern die Unmoral ausgetrieben wurde. Und nun feiert diese Band also 35. Bühnenjubiläum.

Pardon, wenn man da nur bedingt mitfeiern will, bei aller Liebe zu Günther Sigl und den Seinen: Solche Feste zeigen leider auch, dass man, seit dem ersten Frühschoppen mit den Spiders im Allotria in der Türkenstraße, das heute Café Puck heißt, ebenfalls 35 Jahre älter geworden ist.

Entdeckt aber wurden die Spiders nicht im Allotria, wo es sonst gepflegten Dixieland-Jazz gab mit dem Wirt am Schlagzeug, sondern im Memoland, einem Schwabinger Laden des legendären Musikkneipiers Memo Rhein. Dabei half, man erinnert sich mit Wehmut, der mittlerweile verstorbene Rolling Schorsch; das war der von ihm selbst erfundene Spitzname Georg Kostyas, dem Rock 'n' Roll-verrückten Plattenaufleger des Bayerischen Rundfunks.

Der sagte zu Sigl: "Singts doch auf Bairisch." Gesagt, gesungen. Die Spiders zogen die "Rock 'n' Roll Schua" an und bedichteten den Sperrbezirk mit seiner Rosi.

Bis dahin hatten sich die vier Musiker vornehmlich aus dem Fundus der Rock-'n'-Roll-Literatur bedient, was auch der Name verrät: Der echte Spider Murphy war Saxofonist in Elvis Presleys berühmter "Jailhouse Rock"-Band. Das war schon sehr programmatisch, denn wie Spider-Gitarrist Barny Murphy wirklich heißt, weiß kein Mensch. Damals, das nur der Vollständigkeit halber, spielte Michael Busse auf den Tasten, und es trommelte Franz Trojan, der heute einen Schlagzeugladen im Glockenbachviertel betreibt.

Bairisch rockt

Die Spider Murphy Gang traf mit ihrem Dialekt-Rock auf einen Markt, in dem die Musikszene recht orientierungslos mal dies, mal jenes versuchte. Die Punkbands übten, falsch zu spielen, die Neue Deutsche Welle schwappte übers Land, die Österreicher lachten sich schepps über ihre Erste Allgemeine Verunsicherung, die Klügeren unter ihnen verstanden eher die Lieder von Wiggerl Adams wilder Politrock-Combo Hallucination Company.

Die Spiders aber bedienten, was auch heute wieder funktioniert, die große Retro-Rock-Sehnsucht und verbanden dies mit der lokalen Verortung ihrer Heimatstadt. Songs wie "Schickeria" und "Dolce Vita" sind von zeitlosem Münchenbezug. Und sie bewiesen erneut, was andere Münchner Bands, beispielsweise die von Hansi Schoirer, schon aufgezeigt haben: dass Bairisch rockt, fast so gut wie Österreichisch.

Was die Spider Murphy Gang allerdings von den diversen aufstrebenden Bayernrock-Bands unterschied, war zum einen die fürs harte Bühnengeschäft notwendige professionelle Einstellung (die durch den Austausch von Michael Busse und Franz Trojan durch Wiggerl Seuss und Paul Dax und die Erweiterung durch die Gitarreros Willie Duncan und Gerhard Gmell nicht im Mindesten gelitten hat), zum anderen die gnadenlose Verweigerung jeglicher musikalischer Experimente.

Man lebte und lebt die Rock-'n'-Roll-Attitüde. Dazu kam noch eine ziemlich klare Bandstruktur, die Hierarchie zu nennen einen falschen Zungenschlag reinbrächte. Günther Sigl, einer der wenigen Leadsänger, die, wie Sting oder Paul McCartney, dazu Bass spielen können, ist der Chef, der Rest ist egal.

So hat das Spider-Murphy-Konzept alle musikalischen Moden überlebt, weil man sich der größten, einflussreichsten und ehrlichsten Mode verschrieben hat: dem Rock 'n' Roll.

Wie singt Günther Sigl, der einst Bankkaufmann lernte, in dem Lied mit dem netten Titel "Sch-Bum": "'s Leb'n is wiar a Traum, wenn i mit dir aloa im Reg'n spazier'n geh', mit dir ganz eng umschlunga vor da Haustür steh'." So ein Lied hört man gerne, wenn man weit weg ist von zu Hause. Am Strand von Collioure vielleicht, in der Wüste von Arizona, oder auch nur in Hamburg, wenn es regnet. Dann denkt man an München in der Nacht.

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