Immobilien:Wohnen am Friedhof wird immer beliebter

Immobilien: Friedhöfe sind Orte der Ruhe (Archivild) - und der Entspannung? Vielleicht nutzt deshalb nun eine mittelfränkische Gemeinde einen Friedhof als Park.

Friedhöfe sind Orte der Ruhe (Archivild) - und der Entspannung? Vielleicht nutzt deshalb nun eine mittelfränkische Gemeinde einen Friedhof als Park.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Wohnhäuser, Asylunterkünfte oder Gewerbegebiete: Neben Friedhöfen in Bayern wird stark gebaut. Das geht, weil die Friedhöfe nicht so stark wachsen, wie die Kommunen dachten.
  • Immer weniger Menschen lassen sich nämlich in der Erde bestatten. Schätzungen zufolge lassen sich 60 Prozent einäschern.
  • Das kann etwa daran liegen, dass sie ihren Hinterbliebenen nicht zur Last fallen wollen, die das Grab später pflegen und bezahlen müssten.

Von Matthias Köpf

In den katholischen Gegenden Bayerns könnte es vielleicht einmal im Jahr an Allerheiligen ein kleines Parkplatzproblem geben, aber ansonsten ist die Lage all dieser Neubaugebiete mindestens nach einer Seite hin ziemlich grün und ziemlich ruhig. Höchstens, dass in der Nachbarschaft hin und wieder das Totenglöcklein läutet oder zuweilen ein paar Bläser eine getragene Weise spielen. Denn neben Bayerns Friedhöfen wird gebaut wie selten zuvor. Platz ist genau dort oft genug, weil die Friedhöhe bei Weitem nicht so wachsen, wie es die Kommunen bis vor kurzem noch geglaubt haben.

Im oberbayerischen Laufen an der Salzach zum Beispiel entsteht neben dem Friedhof am südwestlichen Stadtrand gerade ein ansehnliches neues Feuerwehrhaus; der neue städtische Bauhof und das Trachtlerheim dort sind auch erst ein paar Jahre alt. Einen großen Teil der Fläche hatte sich die Stadt lange für eine Erweiterung des Friedhofs aufgespart, doch danach sieht es in Laufen trotz eines anhaltenden Bevölkerungswachstums im Umland von Salzburg schon länger nicht mehr aus.

Die Gemeinde Waakirchen im Landkreis Miesbach hat neben dem Friedhof in Schaftlach zuletzt zwei massive neue Häuser für Flüchtlinge gebaut, auch sie auf eigenem Grund, der bis dahin für neue Gräber gedacht war. Wolfratshausen hatte Ähnliches vor, doch die Pläne sind mangels akuten Bedarfs inzwischen wieder in der Schublade verschwunden.

Dafür soll im schwäbischen Aichach, wo neben dem Friedhof zuletzt der Mais gewachsen ist, auf Beschluss der Gemeinderäte eine Wohnsiedlung mit Einfamilienhäusern entstehen, und auch in Mühldorf wollen die Stadträte neben dem Nordfriedhof eine Wohnsiedlung sehen. In Anzing im Landkreis Ebersberg hatten am Tag der Bundestagswahl die Bürger das Wort. Sie haben mehrheitlich für das neue Gewerbegebiet neben dem Friedhof gestimmt. Dort will sich ein Discounter ansiedeln, dessen Parkplatz dann sicher auch für Allerheiligen reichen wird.

Diese und viele andere Kommunen haben über Jahrzehnte Grundstücke neben ihren Friedhöfen gekauft oder vorhandene Flächen planerisch freigehalten, weil es auf den alten Gottesäckern immer enger wurde. Es werden in Bayern immer noch Friedhöfe erweitert, doch der Trend hat sich längst umgekehrt. Denn immer weniger Menschen wollen in einem Erdgrab bestattet werden - oft weil sie keine Verwandten am Wohnort haben, die später die Grabpflege übernehmen könnten. Manche wollen ihren Hinterbliebenen posthum schlicht nicht zur Last fallen, andere haben die langfristigen Folgekosten ihrer eigenen Erdbestattung in Form hoher Friedhofsgebühren im Blick.

Die meisten dieser Menschen lassen sich dann einäschern, deutschlandweit liegt der Anteil nach Angabes des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur inzwischen bei 60 Prozent. Die letzte Ruhestätte ist dann meistens ein kleines, billigeres und pflegeleichtes Urnengrab und manchmal nur eine Nische in einer Urnenwand, wie sie derzeit überall entstehen - auch in Laufen, wo nun eben Platz für die Feuerwehr ist.

Warum keinen Park aus dem Friedhof machen?

Und wenn jemand doch in einem Erdgrab bestattet wird, so ist längst nicht mehr gewiss, dass die ewige Ruhe dort länger dauert als ein paar Jahre. Viele Erdgräber werden inzwischen sehr viel früher aufgelassen als ehedem. In den Grabreihen klaffen Lücken, die Rotation bei den Parzellen hat sich beschleunigt.

All das hat auch der Bayerische Gemeindetag registriert, der diese Entwicklungen bestätigt. Exakte Zahlen, was die frei werdenden Flächen und die entsprechenden Baugebiete betrifft, hat allerdings auch der Gemeindetag nicht, denn diese Zahlen werden so nirgendwo erfasst. Wenn aber irgendwo urnenhalber Platz wird, dann lässt sich zur Not auch innerhalb der Friedhofsmauern eine neue Nutzung verwirklichen: Die mittelfränkische Gemeinde Adelsdorf hat ihren Friedhof im Ortsteil Aisch gerade wie einen Park gestalten lassen, an dem es im Ort bisher gefehlt hat.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: