Studie zu Masttieren:Das Leid der Billigschweine

Studie zu Masttieren: Ein mieses Leben: Schweine werden in der Regel auf Spaltenböden gehalten. Eine gängige Form der Tierquälerei.

Ein mieses Leben: Schweine werden in der Regel auf Spaltenböden gehalten. Eine gängige Form der Tierquälerei.

(Foto: Sebastien Bozon/AFP)
  • Neun von zehn Mastschweinen, die in süddeutschen Schlachthöfen getötet werden, leiden an schmerzhaften Entzündungen ihrer Beingelenke.
  • Zu dem Ergebnis kommt eine Studie der Tierärztlichen Fakultät an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.
  • Der Grund der Erkrankungen ist die Haltung der Tiere auf sogenannten Spaltenböden, die in der konventionellen Schweinemast die Regel sind.

Von Christian Sebald

Neun von zehn Mastschweinen, die in süddeutschen Schlachthöfen getötet werden, leiden an schmerzhaften Entzündungen ihrer Beingelenke. Das ist das Ergebnis einer Studie der Tierärztlichen Fakultät an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Der Grund der Erkrankungen ist die Haltung der Tiere auf sogenannten Spaltenböden. Sie ist in der konventionellen Schweinemast die Regel. Wissenschaftler, Tierärzte und Tierschützer sprechen von einem Skandal. "Wenn es Mästern und Politikern ernst ist mit dem Tierwohl, dann muss die Schweinehaltung endlich verbessert werden", sagt der Veterinärmediziner Professor Manfred Gareis, an dessen Institut die Studie entstand. Der Bund Naturschutz fordert ein Ende der Massentierhaltung und ein Umbauprogramm für Schweineställe.

Es sind grausige Bilder, die Gareis zeigt: An den Gelenken der Vorder- und Hinterläufe der Mastschweine haben sich bis zu tennisballgroße Geschwülste gebildet. Die Haut um sie herum ist unnatürlich gerötet und sieht wund aus. "Die Deformationen rühren von Hilfsschleimbeuteln her, welche die Tiere wegen einer chronischen Entzündung ihrer Beingelenke ausgebildet haben", sagt Gareis.

In besonders schlimmen Fällen ist die Haut über den Geschwülsten sogar eitrig und blutig. An drei Schlachthöfen hat eine Doktorandin von Gareis 948 Schlachtschweine aus konventioneller Haltung untersucht. Die Tiere wurden so ausgewählt, dass die Studie repräsentativen Charakter hat. 91,8 Prozent litten an der Deformation. Die Hälfte der Geschwülste war mindestens so groß wie ein Tischtennisball. Da die Entzündungen nicht von einer bakteriellen Infektion stammen, haben sie keine Auswirkung auf die Sicherheit und Qualität des Schweinefleisches. Die betroffenen Partien werden in den Schlachthöfen restlos entfernt. "Für die Tiere sind sie freilich zeitlebens mit chronischen Schmerzen verbunden", sagt Gareis.

Falsche Belastung der Gelenke

Die Entzündungen entstehen, weil konventionell gehaltene Mastschweine ihr kurzes, knapp sechsmonatiges Leben auf Spaltenböden verbringen. Das heißt, dass sich in ihren Ställen Balken, auf denen die Tiere stehen oder laufen können, mit knapp zwei Zentimeter schmalen Spalten abwechseln, durch die ihr Kot und Urin fallen und so leichter aus dem Stall befördert werden können. Experten wie der Bauer und BN-Mann Stephan Kreppold unterscheiden zwischen Teilspaltenböden und Vollspaltenböden, je nachdem, ob der Bereich zum Koten und Urinieren mit Spalten ausgestattet ist oder der ganze Stall. "Die Regel in der Schweinemast ist der Vollspaltenboden", sagt Kreppold.

Das Problem für die Schweine ist, dass sie auf den Spaltenböden nicht nur unsicherer stehen und laufen können als auf einem normalen Stallboden. Sie belasten auch ihre Gelenke über Gebühr - zumal sie binnen weniger Wochen auf ein Schlachtgewicht von ungefähr 110 Kilogramm gemästet werden. Die chronischen Entzündungen sind aber nicht die einzige Deformation wegen der Spaltenböden. Die Doktorandin stellte außerdem fest, dass mehr als ein Viertel der Schlachttiere verletzte Fußballen hatten. "Etliche hatten sogar frische blutige Risse in ihren Ballenhörnern", sagt Gareis. "Bei anderen waren sie wenigstens abgeheilt." Auch diese Wunden sind für die Tiere sehr schmerzhaft.

Nicht nur der Wissenschaftler Gareis fordert deshalb eine tiergerechtere Haltung in der Schweinemast. Auch immer mehr Tierärzte tun das. "Wir müssen unbedingt wieder zur Einstreu von Stroh zurückkehren", sagt zum Beispiel Hermann Meiler, der lange Jahre der leitende Tierarzt am Schlachthof in Hof war. "Damit lassen sich nicht nur Verletzungen und Deformationen am einfachsten vermeiden. Schweine fühlen sich im Stroh einfach am wohlsten." Auch Kai Braunmiller von der Landesarbeitsgemeinschaft für Fleischhygiene und Tierschutz in Bayern verlangt die Abkehr von Spaltenböden und die Strohhaltung. BN-Chef Hubert Weiger fordert deshalb ein Förderprogramm für Mäster, die ihre Ställe so umrüsten, dass es den Schweinen besser geht.

3,4 Millionen

In der bayerischen Landwirtschaft spielt die Schweinehaltung keine so herausragende Bedeutung wie in Niedersachsen oder in Ostdeutschland. In einzelnen Regionen, vor allem in Niederbayern, aber schon. In Hohenthann im Landkreis Landshut zum Beispiel gibt es etliche Betriebe, die 2500 und mehr Mastschweine halten, einer hat sogar 6400 Mastplätze. Laut Agrarbericht 2014 von Landwirtschaftsminister Helmut Brunner gab es im Jahr 2013 in Bayern 6000 Schweinehalter, in ihren Ställen standen ungefähr 3,4 Millionen Schweine. Damit ist die Zahl der Schweine in bayerischen Ställen in den vergangen 25 Jahren nur geringfügig gesunken. Dafür war der Konzentrationsprozess in der Branche ungeheuer: 1990 gab es noch 91 000 Schweinehalter in Bayern, im Jahr 2013 waren es nur noch 6000. cws

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