Steinabbau im Altmühltal:Verletztes Paradies

Schiffahrt auf dem Rhein-Main-Donau-Kanal

Viele Anwohner haben Angst, dass durch den verstärkten Steinabbau die einzigartige Landschaft des Altmühltals zerstört wird.

(Foto: ddp)

Marmor aus dem Altmühltal wird in alle Welt exportiert. Weil das Geschäft gut läuft, sollen nun die Abbauflächen erweitert werden. Doch viele Bürger wehren sich - sie fürchten einen Schaden für die ganze Region und das Verschwinden einer Jahrtausende alten Landschaft.

Von Uwe Ritzer

Als der Architekt, Maler und Fotograf Heinrich Ullmann 1953 hochbetagt starb, hinterließ er Hunderte Zeichnungen und Fotografien. Sie zeigen das Altmühltal vor 100 Jahren als eine harmonische Landschaft. Mit Häusern, die mit ihren Mauern aus grobem Stein und den Legschieferdächern wie aus dem Boden gewachsen scheinen. Das Material lieferten die zahlreichen Steinbrüche der Region. "Früher galt die Regel, dass die Steine nur in dem Umkreis verkauft werden, den ein voll beladenes Pferdefuhrwerk an einem Tag schafft", sagt der Steinbruchbesitzer Rainer Heubeck. Das waren kaum mehr als 20 Kilometer.

Heute werden vor allem Juramarmor- und Solnhofer Platten in alle Welt exportiert. Der Altmühljura ist Deutschlands größtes Abbaugebiet für Naturstein. Doch mit der Harmonie aus Mensch, Landschaft und Stein ist es nicht mehr weit her, zumindest nicht im fränkischen Teil des Naturparks Altmühltal. Dort sollen die Abbauflächen der Steinindustrie gewaltig erweitert werden. Viele Bürger wehren sich.

So sind die Dorfwirtshäuser selbst zur besten Champions-League-Fernsehzeit voll, wenn Karl-Heinz Schork und seine Mitstreiter eines Aktionsbündnisses zu Informationsabenden einladen. Dabei geht es um eine auf den ersten Blick trockene, bürokratische Materie: Der Regionalplan für die Region 8, das westliche und südliche Mittelfranken, wird fortgeschrieben.

Eine landesplanerische Vorgabe ist, Rohstoffvorkommen zu sichern. Im Zuge dessen sollen die sogenannten Vorrangflächen für Steinabbau von 1700 auf etwa 2500 Hektar ausgedehnt werden - nach Angaben des Aktionsbündnisses ein Mehrfaches der bestehenden Steinbrüche.

Weitere 3000 Hektar sind als Vorbehaltsflächen eingeplant. Letztere stellen eine planerische Absichtserklärung für die fernere Zukunft dar. Was aber zur Vorrangfläche erklärt wird, ist ab sofort ausschließlich für den Steinabbau reserviert. Die im Einzelfall noch nötige Genehmigung ist Formsache. Für ihre Eigentümer sind die Grundstücke eine Lizenz zum Gelddrucken. Eine Vorrangfläche bringt bis zu hundertmal mehr ein als reiner Wald- oder Ackerboden.

"Was hier passieren soll, ist maßlos", sagt Karl-Heinz Schork und zeigt eine Landkarte mit großen schraffierten Flächen. Werden daraus tatsächlich Steinbrüche, bliebe etwa vom Raitenbucher Forst, einem großflächigen, dichten Staatswald, nicht viel übrig. Manche Dörfer zwischen dem mittelfränkischen Weißenburg und der oberbayerischen Bischofsstadt Eichstätt würden inmitten gewaltiger Abbaugebiete förmlich verschwinden.

Ganze Höhenzüge entlang des Schambach- oder des Altmühltales würden weggefräst oder wie hohle Zähne tief ausgehöhlt. "Wenn der Regionalplan so beschlossen wird, verschwindet eine Jahrtausende alte Landschaft", sagt Schork, ein früherer Speditionsunternehmer.

Tiefe Steinbruchkrater

Nun ist es aber so, dass Steinbrüche seit Jahrhunderten zu dieser Kulturlandschaft gehören. Touristiker bewerben sie als charakteristische Besonderheit des Altmühltales. Noch nie wurde die Ausweitung der Abbauflächen in der Bevölkerung so massiv in Frage gestellt wie jetzt. Die Steinbarone waren lange Zeit ebenso geachtet wie unantastbar. Nun kritisiert nicht nur Karl-Heinz Schork, die Industrie dehne sich immer schneller aus. In ehedem dicht bewaldeten Höhenzügen klaffen tiefe Steinbruchkrater, deren Ausmaße man oft nur aus der Luft erkennt, denn meist grenzen Baumreihen als seitlicher Sichtschutz die Brüche ein. "Keuschheitsstreifen" nennt sie Schork verächtlich.

Der Abbau in dieser Region ist wirtschaftlich sehr lukrativ. Was nicht zu edlen Juramarmor-Platten taugt, landet im Gartenbau oder wird zu Schotter zerkleinert. "Letzteres ist mit weitem Abstand der größte Anteil", sagt Bernhard Kling, für Naturstein zuständiger Geschäftsführer des bayerischen Industrieverbandes Steine und Erden. Dieser Schotter lande hauptsächlich bei Straßenbaumaßnahmen in der Region. Genau darum gehe es auch bei den Erweiterungen, sagt Horn: "Um die langfristige Versorgung mit ortsnah gewonnenen Rohstoffen." Das verlange das Gesetz und sei letztlich ein volkswirtschaftliches Anliegen. "Es wird nur das aus dem Boden entnommen, was nötig ist und regional verbraucht wird", sagt Kling. Das es auch um Gewinnstreben der Firmen geht, weist er von sich. Außerdem würden ausgebeutete Steinbrüche zu Biotopen renaturiert.

Schork und seine Mitstreiter sehen das anders. Alle paar Wochen würden ganze Güterzugladungen mit aus dem Boden gesprengten, unbehandelten Steinblöcken nach China transportiert. Dort würden aus den Blöcken feine Steinplatten geschnitten, die anschließend teuer in die ganze Welt verkauft werden. Der vom Abbau betroffenen Region blieben nur Lärm und Dreck. Das Grundwasser werde gefährdet, Tieren ihr Lebensraum geraubt und Pflanzenbestände vernichtet.

Binnen weniger Wochen hat das Aktionsbündnis 3500 Unterschriften gegen die Erweiterungspläne gesammelt. Die Kommunalpolitiker vor Ort wirken irritiert von so viel Unmut. Sie verweisen auf 700 Arbeitsplätze in den Steinbetrieben und hohe Gewerbesteuereinnahmen. "Wir können als eine der steuerschwächsten Gegenden Bayerns diese Einnahmen und die vielen Arbeitsplätze nicht außer Acht lassen", sagt Weißenburg-Gunzenhausens Landrat Gerhard Wägemann (CSU). "Aber wir wollen auch nicht, dass die Landschaft verschandelt wird." Ein klassischer Zielkonflikt bei dem der Ton immer rauer wird.

"Da wird vieles hinter den Kulissen ausgemauschelt", vermutet Schork. Die ganze Regionalplanung sei "scheindemokratisch und intransparent", Wägemann kaum mehr als "ein Sprachrohr der Steinindustrie". Über solche Etiketten ärgert sich wiederum der Landrat. Noch vor Weihnachten will er Regionalplaner, Industrievertreter und Naturschützer zur Kompromisssuche an einen Tisch holen. Die eigentliche Entscheidung über die Ausweitung fällt der regionale Planungsausschuss voraussichtlich im Frühjahr 2014.

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