Söder-Besuch im Vatikan:Der bayerische Kreuzritter beim Papst

Bayerns Ministerpräsident im Vatikan

Ministerpräsident Markus Söder im Zentrum des Katholizismus. Für seinen umstrittenen Kreuzerlass bekam er im Petersdom Lob ausgesprochen.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Markus Söder trifft in Rom zwei Päpste und spürt dabei "ein großes Wohlwollen" Bayern gegenüber. Die Reise nutzt er gleich, um möglichst oft seine Botschaften für den Landtagswahlkampf zu wiederholen.

Von Katja Auer, Rom

Schöner hätte sich in der Staatskanzlei niemand ausdenken können, was Monsignore Oliver Lahl gerade zu Markus Söder sagt. In der Vorhalle der wichtigsten Kirche der Christenheit, im Rücken das Standbild Karls des Großen, spricht der Priester über Kaiser Konstantin. Der war von 306 bis 337 römischer Kaiser, er ließ den Vorgängerbau des Petersdoms errichten, er habe die Christen aus der Verfolgung geführt, sagt Lahl. Konstantin machte das Kreuz zu seinem Bannerzeichen. "So wie Sie jetzt."

Das Kreuz als Bannerzeichen, das gefällt Söder, sein Grinsen wird breit: Er in der Rolle als Befreier des Christentums, das wäre was für den bayerischen Ministerpräsidenten. Ein schöneres Kompliment hätte ihm der Monsignore kaum machen können, kurz bevor er Papst Franziskus und dann dessen Vorgänger, den emeritierten Papst Benedikt XVI., treffen wird.

Die Audienzen sind privat, Journalisten sind nicht zugelassen, drei wurden ausgelost, die zumindest zuschauen dürfen, wie Söder die Geschenkkörbe aus Bayern überreicht. Nürnberger Lebkuchen, Marmelade, einen Dürerhasen aus Schokolade für Papst Franziskus, aber keine Porzellanlöwen, davon gebe es im Vatikan schon mehr als Kreuze. Dazu einen Scheck über 10 000 Euro für die Obdachlosenhilfe. "Wie, aus Bayern und kein Bier?", soll der Papst gesagt haben. Söder versprach, noch ein Fass Hofbräu nachzuliefern.

Noch etwas hat er mitgebracht, mehr für daheim als für den Papst, aber es gibt kaum einen besseren Platz, um es zu verkünden. Söder weiß um Wirkungen. Auf einer Dachterrasse mit Blick auf den Petersdom sagt er, dass er die Obdachlosenhilfe in Bayern ausweiten wolle: "Da können wir mehr machen." Wie es konkret aussehen soll, damit werde sich Sozialministerin Kerstin Schreyer beschäftigen, den Auftrag habe sie bereits.

Eine Kooperation könnte das sein, mit den Kommunen und jenen Trägern der Sozialarbeit, die sich um wohnungslose Menschen in den Städten kümmern. Mehr Schlafplätze, mehr Essen, mehr Duschgelegenheiten, solche Dinge könnten das sein, sagt Söder. Fast schon habe er das in der Regierungserklärung unterbringen wollen, aber die war ohnehin so voll. Nun hat offenbar Papst Franziskus als einer der ersten davon erfahren. Und er habe es gutgeheißen, sagt Söder, was sonst. Der Papst kümmert sich schließlich auch in Rom um die Obdachlosen.

Was noch so gesprochen wurde in der halben Stunde unter vier Augen, das bleibt geheim, ein religiöses Gespräch sei es gewesen, ein spirituelles, sagt Söder. Vom bayerischen Kreuzerlass sagt er nichts, mehrmalige Nachfragen, ob sich Franziskus dazu geäußert habe, umgeht er. "Solche Dinge bleiben vertraulich." Dass sich der emeritierte Papst Benedikt XVI. dazu eingelassen habe, und zwar positiv, das sagt Söder wiederum schon. Auch Kardinal Paul Gallagher im Übrigen, der vatikanische Außenminister. Der habe das Thema von sich aus angesprochen. Er sei nicht nach Rom gefahren, um sich die Erlaubnis zu holen, sagt Söder, er wolle das nicht instrumentalisieren. Aber er spüre ein großes Wohlwollen Bayern gegenüber.

Benedikt bekommt Bratwürste, Leberknödel, Blaukraut, er soll gleich probiert haben, ein Fass Bier wird auch ihm noch geliefert. Dazu ebenfalls einen Scheck, 5000 Euro für die Erdbebenopfer in Italien. Der 91-Jährige empfängt Söder sitzend, das Gehen fällt ihm schwer, heißt es. Sein Domizil, das Kloster Mater Ecclesiae in den Vatikanischen Gärten, verlässt er kaum noch. Geistig sei er sehr rege, erzählt Söder, und sehr gut informiert über Bayern. Und noch einmal: "Er begrüßt ausdrücklich unsere Aktivitäten zum Bekenntnis." Ein sehr bewegender Vormittag sei das gewesen, sagt Söder.

Es ist ein Zufall freilich, das mit dem Besuch und dem Kreuzerlass. Die Privataudienz sei lange angefragt gewesen, gleich nach der Wahl zum Ministerpräsidenten, trotzdem ist es eine hübsche Gleichzeitigkeit der Geschichte, dass Söder ausgerechnet an diesem Freitag im Vatikan zu Besuch ist, an dem in Bayern sein umstrittener Kreuzerlass in Kraft tritt. In allen Behörden des Freistaats sollen Kreuze hängen, so hat es der Ministerpräsident angeordnet, um die Identität Bayerns zu stärken und die christlich-abendländische Tradition zu verdeutlichen.

"Bayern ist ein christlich geprägtes Land", sagt Söder auch in Rom, und zwar gleich mehrmals. Deswegen habe er die Reise angetreten, die Verbundenheit sei traditionell groß. Ein Antrittsbesuch des bayerischen Ministerpräsidenten, das gehöre sich einfach. Dass der Besuch nun zusammentrifft mit der Kreuzdebatte, das kommt ihm gelegen, der Kreuzritter beim Papst, bei beiden Päpsten sogar, das kann wenige Monate vor der Landtagswahl im Oktober nicht schaden. Dass er selbst evangelisch sei, spiele da keine Rolle, im Zentrum der Weltkirche. Und der Papst sei ja so was wie "der inoffizielle Sprecher der Christenheit".

Söder nimmt sich Zeit, die Delegation ist klein, er macht kein großes Aufhebens. Von Oliver Lahl, dem Geistlichen Botschaftsrat der deutschen Botschaft am Heiligen Stuhl, lässt er sich den Petersdom zeigen, die Pieta, das Grab von Johannes Paul II. Als Lahl am Grab von Johannes XXIII. erzählt, dass dieser gerade auf Reisen sei, daheim in Bergamo, da fällt sogar Söder für einen kleinen Moment nichts mehr ein. Tatsächlich können Pilger noch bis zum 10. Juni vor dem Heiligtum des Heiligen Johannes XXIII. in Sotto il Monte beten, dann werden seine sterblichen Überreste wieder nach Rom zurückgeschafft.

Versteht die CSU schon etwas von Inszenierungen, ist ihr die katholische Kirche doch an Bildgewalt noch weit überlegen. Söder, der Selbstvermarktungsprofi, weiß das für sich zu nutzen, wie zufällig steht er in der gewaltigen Kirche immer so, dass die Fotografen ein gutes Bild erwischen können. "Wir brauchen in Zeiten, in denen so vieles unsicher ist, einen festen Halt", sagt Söder, ein Satz, der zum Mantra werden könnte. Da geht es dann wieder um das Kreuz, das fortan überall hängen soll.

Das hält der Ministerpräsident nach wie vor für eine gute Idee, und er gibt sich erstaunt, dass der Widerstand, auch aus Kirchenkreisen, zum Teil so scharf ausgefallen ist. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hatte Söder vorgeworfen, es sei "Spaltung, Unruhe, Gegeneinander" entstanden. Es stehe dem Staat nicht zu zu erklären, was das Kreuz bedeute. Marx und die CSU sind immer wieder mal über Kreuz, spätestens seit der Flüchtlingsdebatte. Am Donnerstag, vor dem Flug nach Rom, nahm Söder an der Fronleichnamsprozession in München teil. Dennoch, oder gerade deswegen. Der Kardinal habe sich bedankt für seine Teilnahme, heißt es hinterher.

Kurz zuvor war Söder erst aus Hamburg zurückgekommen, dort hat er seine Mission bei Markus Lanz im Fernsehen bekräftigt. Als die Sendung ausgestrahlt wird, ist Söder bereits in Rom, wo er die Sätze mehrmals wiederholt. Dass er nämlich keinen kenne, der etwas gegen christliche Feiertage habe, gegen Ferien an Ostern, Weihnachten, Pfingsten, auch wenn er nicht in die Kirche gehe. Dass es eine tiefe Verunsicherung in der Bevölkerung gebe, der man auch mit einer Selbstvergewisserung der eigenen Werte und Traditionen entgegenwirken müsse. Und mit Haltung, davon spricht Söder viel zurzeit. Und im Übrigen bekomme er aus der Bevölkerung sehr viel Zuspruch. Dass der Kreuzerlass schon wieder aufgeweicht wurde, dass Hochschulen, Theater, Museen nach dem teils massiven Protest von Kunstschaffenden nun ausgenommen sind, will niemand in der Delegation so bestätigen. Das sei immer eine Empfehlung gewesen, heißt es.

Die Opposition erneuert ihren Protest am Stichtag, SPD-Chefin Natascha Kohnen und die grüne Landtagsvizepräsidentin Ulrike Gote verlangen in der Augsburger Allgemeinen, die Kreuzpflicht wieder abzuschaffen. "Ein souveräner Ministerpräsident würde den Fehler einräumen und den Erlass zurücknehmen", sagte Kohnen, die auch die SPD-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl ist. Gote sagte: "Wir gehen davon aus, dass der Kreuzerlass verfassungswidrig ist." Der CSU-Regierung sei wohl selbst bewusst, dass die Vorschrift nicht zulässig sei.

Das ficht Söder nicht an, er will Entscheidungen und Tatkraft zeigen. Die Landtagswahl könnte eine Zeitenwende bedeuten in Bayern. Die AfD steht stabil bei um die zwölf Prozent, kaum einer glaubt noch, dass ihr Einzug ins Parlament zu verhindern ist. Söder wirbt um die Gunst der abgewanderten konservativen Wähler. Deswegen der Kreuzerlass, deswegen das Polizeiaufgabengesetz, das ausgerechnet im sichersten Bundesland die Sicherheit garantierten soll. Deswegen die Grenzpolizei, deswegen das Bayern-Bamf. Rechtsruck nennen das die einen. Söder, der Vatikan-Tourist, nennt es Haltung.

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