Seehofer-Nachfolge:Die CSU ist auf dem Weg, sich in eine Bayernpartei zu verwandeln

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Folklore muss sein: Bayerns Ministerpräsident Söder mit seiner Ehefrau beim diesjährigen Trachten- und Schützenumzug zum Münchner Oktoberfest. (Foto: Stephan Rumpf)

Wer soll Seehofer als CSU-Chef beerben? Die Macht könnte wohl in den Schoß von Markus Söder fallen, die Partei würde damit in ihrer Bedeutung zur regionalen Kraft schrumpfen.

Kommentar von Sebastian Beck

Unübersichtlich wie das Unterholz im Bayerischen Wald ist die Lage der CSU derzeit selbst aus der Sicht von Großtaktierern. Ein wirklich gangbarer Weg ist in dem Durcheinander nur schwer zu erkennen, dafür kann man sich aber hinter jeder Fichte das Bein brechen. Feststeht allenfalls, dass Horst Seehofer dieses Jahr wohl als Polit-Pensionär beenden wird. Sein Rückzug vom Parteivorsitz ist quasi beschlossene Sache, zumal seine ewige Gegnerin Angela Merkel mit ihrem Verzicht auf den CDU-Vorsitz gewissermaßen in Vorleistung gegangen ist. Seehofer wird seinen Abschied aber noch einige Wochen hinauszögern, allein schon deshalb, weil er dann so tun kann, als sei er Herr des Verfahrens.

Auch seine unselige Episode als Bundesinnenminister geht damit unweigerlich zu Ende. Es ist nur schwer vorstellbar, dass zwei Ex-Parteivorsitzende, die sich obendrein nicht ausstehen können, weiter die Geschicke Deutschlands lenken sollen. Seehofers Macht reicht vielleicht noch für eine letzte Gemeinheit: Er könnte nach dem Verzicht auf den CSU-Parteivorsitz als Bundesinnenminister zurücktreten und so den Druck auf Kanzlerin Merkel erhöhen, seinem Beispiel möglichst bald zu folgen.

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Wer aber soll Seehofer in der CSU beerben? Es sieht ganz danach aus, als ob die Macht in den Schoß von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder fallen könnte. Er hat in diesem Herbst anscheinend riesiges Massel, wie man in Bayern sagt: Jedenfalls schaffte Söder das Kunststück, mit seiner CSU bei der Landtagswahl 10,5 Prozentpunkte zu verlieren und trotzdem unangefochten dazustehen.

Für eine Aufarbeitung des Wahldesasters, für das Söder als Stratege maßgeblich mitverantwortlich war, blieb bis jetzt keine Zeit. Als Ministerpräsident muss er in München Koalitionsgespräche mit den Freien Wählern führen, die sich der CSU mit der Leidenschaft und Naivität von frisch Verliebten um den Hals geworfen haben. Aus Sicht von Söder könnte es kaum besser laufen, zumal er, bestärkt durch die Hessen-Wahl, jetzt erst recht alle Schuld an seiner Niederlage auf die große Koalition und damit auf Seehofer abwälzen kann. Auch wenn es ironisch klingt: Söder darf sich neuerdings sogar als Anker der Stabilität feiern lassen.

Wenn in einigen Wochen der Parteitag den neuen CSU-Vorsitzenden wählt, könnte dieser also durchaus Markus Söder heißen. Manfred Weber, sein einziger ernsthafter Konkurrent, zieht in Brüssel wie der Zwergplanet Pluto seine Bahnen - am Rande des CSU-Sonnensystems, in dem München immer noch den Mittelpunkt markiert und schon Berlin so weit entfernt erscheint wie der Mars von der Erde.

Mit Söder als Parteichef würde sich die Schrumpfung der CSU zur regionalen Kraft weiter fortsetzen. Denn Söder hat im Gegensatz zu Weber die Welt immer nur vom Freistaat aus betrachtet. Einen Wechsel ins zugige Berlin schloss er für sich schon im vergangenen Jahr kategorisch aus. Die CSU ist auf bestem Wege, sich in eine neue Bayernpartei zu verwandeln. Dazu passt, dass sie mit den Freien Wählern koaliert, die sich mehr für die Straßenausbaubeitragssatzung interessieren als für Bundes- oder sogar Weltpolitik. Das mag ziemlich komfortabel sein. Doch nach den Jahren der One-Man-Show unter Seehofer bräuchte auch die CSU dringend eine Debatte um den künftigen Kurs - und einen Neuanfang in Bayern wie im Bund.

© SZ vom 30.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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