Schulpolitik:SPD-Vorstoß zum Schul-Übertritt stößt auf Kritik

  • Die SPD-Fraktion lässt derzeit einen Juristen prüfen, ob die auf Noten basierende verbindliche Übertrittsempfehlung der Verfassung widerspricht.
  • Auch der BLLV kritisiert den Druck, der auf Grundschülern laste, und auch auf Lehrern, wenn Eltern bei schlechten Noten mit dem Anwalt drohen.
  • Der BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann gehen die SPD-Vorschläge allerdings nicht weit genug.

Von Anna Günther

Die SPD ist mit ihrem Vorstoß, den Übertritt von der Grundschule auf die weiterführenden Schulen neu zu regeln, sogar bei Gleichgesinnten auf Kritik gestoßen. Der Bayerische Lehrerinnen- und Lehrerverband (BLLV), der stets vor zu viel Stress in der vierten Klasse gewarnt hatte, bezweifelt, dass eine Klage vor dem Verfassungsgerichtshof das richtige Mittel ist, um die Kinder zu entlasten.

Die SPD-Fraktion lässt derzeit einen Juristen prüfen, ob die auf Noten basierende verbindliche Übertrittsempfehlung der Verfassung widerspricht, und behält sich eine Popularklage vor. Bildungsexperte Martin Güll setzt auf ein Beratungsgespräch, danach sollen die Eltern entscheiden, auf welche weiterführende Schule die Kinder gehen.

Der BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann gehen die SPD-Vorschläge nicht weit genug: "Den Elternwillen im bestehenden System freizugeben, ist halbherzig." Weder die frühe Sortierung der Kinder auf drei Schularten werde damit verhindert noch der Drang ans Gymnasium. Aber "fachlich und faktisch" sei sie sich mit der SPD einig.

Seit Jahren kritisiere der BLLV den Druck, der auf Grundschülern laste, und auch auf Lehrern, wenn Eltern bei schlechten Noten mit dem Anwalt drohen. "Das ganze System krankt, bei Zehnjährigen kann man keine Entwicklungsprognose erstellen", sagte Fleischmann, die jahrelang eine Volksschule leitete. Entspannung bringe längeres gemeinsames Lernen. Außerdem sei es sehr fraglich, ob die CSU ihr dreigliedriges Schulsystem aufgeben würde, selbst wenn das Übertrittsverfahren verfassungswidrig wäre.

Noten als formalen Vergleich hält Max Schmidt, der Vorsitzende des Philologenverbands, dagegen für wichtig. Selbst in Bundesländern, in denen der Übertritt nach einem Beratungsgespräch erfolgt, seien die Klagen groß. "Wir würden uns keinen Gefallen tun", sagt auch Günther Felbinger, der bildungspolitische Sprecher der Freien Wähler. Der Drang auf das Gymnasium habe in den anderen Ländern nicht abgenommen, viele Eltern ignorierten den Rat der Experten.

Statt das Gymnasium allen zu öffnen, sollten Kinder besser gefördert werden. "Ein Blick nach Baden-Württemberg zeigt, welches Chaos der Elternwille verursacht. Dort hat sich die Durchfallquote in den 5. Klassen an Realschulen und Gymnasien mehr als verdoppelt", sagt Jürgen Böhm, Vorsitzender des Realschullehrerverbands. Den Vorstoß der SPD hält er für "Panikmache und Populismus", zumal sich das Klima gerade beruhige. Nach der 4. Klasse sei nicht das Ende erreicht, der Wechsel zwischen Mittel-, Realschule und Gymnasium klappe immer besser.

Einzig die Grünen springen der SPD bei

Im Kultusministerium zeigt man sich unbeeindruckt. 2009 sei das Wahlrecht der Eltern gestärkt worden, sagte ein Sprecher. Selbst wenn Kinder den Schnitt für Realschule oder Gymnasium nicht erreichen und im Probeunterricht Vieren bekommen, können Eltern auf die gewünschte Schulart bestehen. Um den Übertrittsstress zu verringern, gebe es in der 3. Klasse Informationsabende und in der 4. Klasse Beratungsangebote. Außerdem führten alle Schularten zum mittleren Bildungsabschluss und über die FOS/BOS zum Abitur.

Trotzdem fordert die SPD die Staatsregierung auch noch auf, die Verfassungsmäßigkeit der Übertrittszeugnisse zu prüfen. Die großen regionalen Unterschiede der Noten könnten gegen den Grundsatz der gleichen Lebensverhältnisse verstoßen. Einzig die Grünen springen der SPD bei: "Das bisherige Verfahren wird als objektiv und wasserdicht dargestellt, aber ist bei genauem Hinsehen eine dubiose Geschichte", sagte Bildungsexperte Thomas Gehring.

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