Regensburg:"Wenn wir abgeschoben werden, sind wir tot"

Flüchtlinge im Regensburger Dom

Mit Sack und Pack sind die Flüchtlinge in den Dom gezogen, sie nächtigen unter anderem auf dem Flur zwischen Sakristei und Domschatz-Museum.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Albana Ademi und viele andere Roma campieren seit zwei Tagen aus Protest im Regensburger Dom - als Balkanflüchtlinge haben sie keine Chance auf Asyl.

Von Andreas Glas, Regensburg

Eine Frau mit Sonnenbrille schiebt ihr Radl in den Innenhof des Regensburger Doms. Warum sie gekommen ist? "Weil Schluss sein muss", sagt sie. Ihre Stimme ist schrill, sie fuchtelt mit den Händen. "Ich bin Christin", sagt sie, aber es müsse doch möglich sein, "diese Kirche von den Zigeunern zu befreien".

Eine Weile hört Isen Asanovski zu, dann erzählt er der fuchtelnden Frau, dass seine Großeltern in Deutschland ermordet wurden, von den Nationalsozialisten, eben weil sie "Zigeuner" waren. Deswegen habe er als Angehöriger der Volksgruppe der Roma ein Recht, hierzubleiben, sagt Asanovski. "Ach, hör' auf mit der Vergangenheit", sagt die Frau. Und schiebt ihr Radl aus dem Innenhof.

Isen Asanovski, 42, hat den Protest im Regensburger Dom angezettelt. Nicht wegen der Vergangenheit, jedenfalls nicht in erster Linie. Ihm geht es um das Hier und Jetzt, um all die Balkan-Flüchtlinge, die nach der Verschärfung des Asylrechts keine Chance mehr haben, in Deutschland zu bleiben.

Mehr als 40 Menschen, denen die Abschiebung droht, haben die Nacht zum Mittwoch dort verbracht. Sie wollen erst wieder gehen, wenn sie die Zusage haben, dauerhaft in Deutschland bleiben zu dürfen. "Jeder Anwalt, zu dem wir gehen, sagt: Ihr werdet alle abgeschoben, das neue Gesetz hat so entschieden", sagt Asanovski.

Die Flüchtlinge sind derweil in den Westflügel umgezogen

Begonnen hatte der Protest am Dienstagvormittag. Die Männer, Frauen und Kinder hatten sich zunächst im Mittelschiff des Doms einquartiert, hatten sich dort aufgereiht und Transparente hochgehalten, auf denen in Großbuchstaben stand: "Bleiberecht für Alle" oder "Wir sind nicht zu stoppen".

Eines dieser Transparente liegt auch am Mittwoch noch auf einem Seitenaltar, unterhalb der Heiligenfigur des Erzengels Michael. "Für Roma gibt es keine sicheren Herkunftsländer", steht drauf. Die Flüchtlinge sind derweil umgezogen, nach nebenan, in den Westflügel der Kirche, auf den Flur zwischen Sakristei und Domschatz-Museum.

Feldbetten stehen dort herum, dazwischen Türme aus Kissen, Decken, Schlafsäcken, dazu zwei Biertische, auf denen Büchsen mit Instant-Kaffee stehen, Knäckebrot und Dutzende Wasserflaschen aus Plastik. "Das Bistum Regensburg bemüht sich um humanitäre Hilfe und Versorgung für diese Menschen", sagte ein Sprecher bereits am Dienstag.

Die Frage, wie lange das Bistum den Flüchtlingen Zuflucht bieten will, möchte aber auch am Mittwoch niemand beantworten. "Wir haben kein Kirchenasyl gewährt, es handelt sich um eine geduldete Präsenz. Wir entscheiden von Tag zu Tag, wie es weitergeht", sagt Bistumssprecher Jakob Schötz. Am Donnerstag sollen Asylberater der Caritas in den Dom kommen, um sich der Menschen anzunehmen.

Erst die Kirche, danach die Gemeindewohnung

Während sich die Kirche zurückhaltend äußert, haben die Flüchtlinge viel zu erzählen. So viel, dass sie am Mittwoch eine Pressekonferenz im Innenhof des Doms halten. Isen Asanovski, Lederjacke, Jeans, Lederschuhe, steht vor einem Pulk aus Kameras und Mikrofonen, zwischen den Beinen der Reporter wuseln Kinder der Protestierenden.

Die Flüchtlinge stammen aus Albanien, aus Kosovo, aus Mazedonien, aus Serbien. Einige von ihnen haben die vergangenen Monate und Jahre in Flüchtlingsunterkünften in Regensburg verbracht, andere sind aus dem Rückführungszentrum in Manching bei Ingolstadt hergekommen.

Zum Beispiel Albana Ademi, blondiertes Haar, Pferdeschwanz. "Wir suchen einfach Schutz", sagt die 27-Jährige in akzentfreiem Deutsch. Sie ist mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in den Regensburger Dom gekommen - weil ihrem Mann bei einer Abschiebung nach Kosovo die Todesstrafe drohe, weil ihre Krebserkrankung dort nicht behandelt werden könne. "Wenn wir abgeschoben werden, sind wir tot", sagt Albana Ademi.

Auch Edita Qarri, 26, hat die Nacht im Dom verbracht. Mit ihrem Mann und ihren fünf Kindern, von denen vier an diesem Mittwochvormittag in der Schule sind. Dort, wo sie seit drei Jahren Deutsch lernen, wo sie integriert sind und Freunde haben. Aus einem Koffer kramt Edita Qarri einen Papierstapel, zieht das Attest eines Arztes raus. Ihre älteste Tochter ist schwerstbehindert, in mehreren Attesten warnen die Ärzte davor, das Mädchen zurück in ihre Heimat zu schicken, "wo sie weder eine Schule besuchen, noch Arzttermine wahrnehmen könnte", so der Wortlaut.

Im Regensburger Dom kümmert sich ein Arzt aus einem katholischen Krankenhaus darum, dass die Menschen medizinisch versorgt sind. "Wir sind der Kirche sehr dankbar", sagt Isen Asanovski. Auch dafür, dass das Bistum ein Eingreifen der Polizei bislang ablehnt. Entsprechend ruhig sei die Nacht im Dom gewesen, erzählt er: "Es war wunderbar. Niemand hat aus dem Fenster geguckt, ob ein Polizeibus wegen der Abschiebung kommt. Zum ersten Mal seit Monaten konnten die Kinder ohne Angst schlafen."

Isen Asanovksi gehört zur Gruppe "Vereinigte Roma Hamburg", die im vergangenen Herbst einen ähnlichen Protest in der Hamburger Michaelis-Kirche organisiert hat. Damals blieben die Flüchtlinge vier Wochen lang in der Kirche und wurden danach in Gemeindewohnungen untergebracht. Darauf hofft Asanovski nun auch in Regensburg: "Wir bleiben hier eine Woche, zwei, zehn Monate, egal. Wir haben keine andere Chance."

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