Nürnberg:"Früher hat das ganze Dorf die Kinder großgezogen"

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Erst Brei, dann Bildschirm: Viele Familienblogger beginnen während der Elternzeit mit dem Schreiben.

(Foto: Imago)

Weil das heute nicht mehr so ist, tauschen sich Eltern oft online aus - in Elternblogs. Beim Treffen im echten Leben in Nürnberg geht es um Neugier. Und Reichweite.

Von Katja Auer, Nürnberg

Am Anfang hat Susanne Hausdorf vor allem Rezepte ins Internet gestellt. Baggers zum Beispiel, die fränkische Variante von Kartoffelpuffern. Die macht sie aus fertigem Kloßteig, mischt Gemüse und Kräuter darunter und mit einem Salat dazu hat sie in 20 Minuten ein gesundes Mittagessen auf dem Tisch.

Sie wollte Rezepte archivieren, die schnell gehen und Kindern schmecken, aber mittlerweile schreibt sie unter www.ichlebejetzt.com auch über ihr Familienleben und darüber, wie sie dieses möglichst nachhaltig gestaltet. Susanne Hausdorf ist Mamabloggerin und weil es davon inzwischen mehrere tausend in Deutschland gibt - auch Väterblogger, aber bei weitem nicht so viele -, veranstaltete sie zusammen mit Sven Trautwein am Wochenende die erste Elternblogger-Konferenz in Nürnberg. "Wir bringen Eltern und die zusammen, die über das Elternsein schreiben", sagt Hausdorf.

"Man will ja auch wissen, wie es bei anderen Familien zugeht"

In der Elternzeit fingen viele Mütter an, über ihren Alltag zu schreiben, sagt Hausdorf, viele hörten danach aber auch wieder auf. Andere machen weiter und so werden Blogs im Internet für viele Eltern inzwischen zu wichtigen Ratgebern. "Früher hat das ganze Dorf die Kinder großgezogen", sagt Susanne Hausdorf, die mit ihrem Mann und den drei Kindern im fränkischen Zirndorf lebt. Weil das nicht mehr so sei, tausche man sich nun im Internet aus, sagt sie. In den Blogs finden sich Hinweise zu allen Aspekten des Elternsein. Da geht es um Ernährung und Betreuung, um Geschwister und Großeltern und darum, wann und wie oft Kinder Fernsehen sollten oder das Internet nutzen dürfen.

"Man will ja auch wissen, wie es bei anderen Familien zugeht", sagt Susanne Hausdorf, so spiele beim Interesse an den Blogs auch die Neugierde eine große Rolle. Weil die meisten Elternblogger daheim alleine vor sich hin schrieben, wolle sie nun den Austausch fördern. Deswegen kam ihr zusammen mit Sven Trautwein, der über das Leben mit seinen Zwillingen schreibt, die Idee, eine Konferenz zu veranstalten. Die beiden wollen die Veranstaltung etablieren, künftig soll sie jedes Jahr stattfinden.

Eine Konkurrenz empfindet Hausdorf gar nicht. "Jeder hat so seine Nische", sagt sie. Der Austausch sei eher anregend, und so geht es offenbar den meisten Teilnehmern. Wie Severine Bonini zum Beispiel, die für die Veranstaltung eigens aus der Schweiz angereist ist. Dort gebe es nur sehr wenige Elternblogs, sagt sie, in Deutschland sei die Szene wesentlich größer. Sie verfolgt aufmerksam, was andere Elternblogger so machen, "man puscht sich auch gegenseitig", sagt sie. Ihre Seite werde etwa 30 000 Mal pro Monat aufgerufen, damit ordnete sie sich selbst ins Mittelfeld der Mamabloggerinnen ein.

In Nürnberg geht es auch darum, mehr Leser für die eigenen Blogs zu bekommen. Technische Tipps gibt es, aber auch inhaltliche. Andrea Reif, die selber erfolgreich über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bloggt, rät den Teilnehmern, vor allem authentisch zu bleiben. Das bedeute nicht, den Lesern das eigene Familienleben komplett offenzulegen, aber sich von Anfang an zu entscheiden, was der Blog beschreiben wolle.

Gelegentlich schreiben sie Artikel, die von Firmen bezahlt werden

Die meisten Bloggerinnen schreiben ihre Artikel im Internet nebenbei, einige verdienen damit auch ein bisschen Geld. Vor allem dann, wenn sie etwa Kooperationen eingehen und ihren Lesern bestimmte Produkte vorstellen. Die Bloggerinnen sind wichtige Multiplikatoren für viele Firmen und so bemühen sich auch in Nürnberg einige Vertreter von Windel-, Schultaschen- oder Spiele-Herstellern um die Gunst der Damen und wenigen Herren.

Auch Susanne Hausdorf schreibt gelegentlich Artikel, die von Firmen bezahlt werden, sagt sie, aber nur, wenn sie das Produkt tatsächlich selbst überzeugt. Bei der Konferenz wirbt ein Lego-Mitarbeiter für seine Produkte und dafür, dass Kinder spielend Schlüsselkompetenzen erwerben sollten. Wie man miteinander kommuniziert, wie man Probleme löst - das lasse sich alles beim Spielen erlernen.

Viele Eltern haben ihre Kinder mitgebracht, um die geht es ja schließlich meistens. Ob die Bloggerinnen nun Ratschläge im Internet geben oder einfach ihren Alltag schildern, die meisten können sich auf einen Satz von Albert Einstein einigen, der bei vielen auch zu lesen ist: Es gibt keine andere vernünftige Erziehung, als Vorbild sein, wenn es nicht anders geht, ein abschreckendes.

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