Garching an der Alz:Glassplitter und Schwerter zum Frühstück

Schwertschlucker

Franz Huber ist Weltmeister im Schwertschlucken.

(Foto: Sebastian Beck)

Franz Huber steht im Guinness-Buch der Rekorde. Er ist ein Künstler, der sein Publikum schon mal schockiert - indem er mehr als 20 Schwerter schluckt.

Von Rudolf Neumaier

Jetzt hat Franz Huber auch noch angefangen, Glühbirnen zu essen. Er holt sie aus der Packung, und dabei erzählt er immer den gleichen Witz. "Manche Leut' fragen sich, wie sie ihre Birnen entsorgen sollen. Das habe ich mich auch gefragt, weil ich Glühbirnen zum Saufüttern daheim habe. Aber meine Sau isst sie nicht. Also esse ich sie selbst."

Dann legt er ein Frottee-Handtuch um die Birne, damit keine Glassplitter herumfliegen, wenn er sie mit einem Hammer zerschlägt. Er faltet das Tuch wieder auf und holt sich einen Glassplitter heraus. Den kaut Franz Huber mit den Backenzähnen. Er schluckt - und schiebt sich den nächsten Glassplitter in den Mund. Als würde es nicht reichen, dass er sich Schwerter in den Hals schiebt.

Bei der Sword Swallowers Association International, dem Weltverband der Schwertschlucker, ist Franz Huber ein Exot. Jedenfalls wenn man es geografisch betrachtet. Der Verband, der für seine Liste eine gewisse Vollständigkeit aller in der Welt bekannten Schwertschlucker für sich in Anspruch nimmt, führt ihn unter 120 überwiegend nordamerikanischen Artisten als einzigen Deutschen. Seine Kollegen trumpfen mit Künstlernamen wie The Space Cowboy, Barron of Bizarre und Martin Ling The Suicide King auf. In seinem Eintrag heißt es nur Franz Huber, Garching an der Alz, Bavaria. Aber wenn er zum jährlichen Weltschwertschluckertag fährt, der Franz, dann ist er trotzdem eine große Nummer. Ein Weltrekordler.

Einige Schwertschlucker präsentieren sich als Schreckgestalten - ihr Geschäftsmodell. Sie sind tätowiert mit Fratzen, die Hieronymus Bosch wie einen Idyllenmaler aussehen lassen, und gepierct wie ein Nadelkissen. Im Vergleich zu solchen Exemplaren tritt Franz Huber auch extrem auf: extrem bodenständig. Rötliche Koteletten unter der ebenso roströtlich glänzenden Rockabilly-Tolle, ein Bäuchlein unter der Leoparden-Weste, wie man es als 36-Jähriger mit fester Beziehung, eigenem Häuschen, zwei Papageien, die auf die Namen Charly und Raja hören, und sicherem Einkommen als Elektriker schon mal bekommen kann, wenn man die Freizeit mit bizarreren Dingen als Sport verbringt. Wobei nicht verschwiegen werden darf, dass Franz Huber auch als Musikant reüssiert: Er spielt Posaune, Schlagzeug, Gitarre und E-Bass beim Postamt-Trio, bei den Engelsberger Andreasbläsern und beim Musikverein Obing. Manchmal singt er sogar, im Kehlkopf ist noch alles in Ordnung.

Es gibt Tage, da klemmt der untere Ösophagussphinkter, der Muskel am Ende der Speiseröhre. An solchen Tagen geht das Schwert nicht so leicht hinunter und der Körper will es schnell wieder loswerden. Das haben alle Schwertschlucker. Und manche Menschen bekommen wegen dieses Magenschließmuskels nie ein Schwert hinunter. Huber erzählt, er berate derzeit einen Aspiranten aus Holland, dem das Schwert im Hals stecken bleibt. "Er bringt es einfach nicht weiter."

Der Eleve sei wirklich für alles offen: Er habe sich sogar schon einmal eine Woche lang öffentlich hinter einem Schaufenster ausgestellt und der Boden war komplett mit Glasscherben bestreut, so ein Typ sei das. Aber mit dem Schwert war am Mageneingang immer Schluss, sie wissen jetzt auch kein Mittel. Außer Training. "Von der Anatomie her müsste es jeder können." Aber die wenigsten wollen es.

Huber hat einen berühmten Vorgänger

Regelmäßiges Training hilft. Franz Huber sagt, es sei nur eine Sache der Konzentration. Gleichzeitig müssen Schluck- und Würgereiz überwunden werden. Seine Schraubenzieher, Gartenscheren und Schwerter, ob sie 133 Grad gebogen sind oder gewellt, schiebt sich der 36-Jährige normalerweise hinunter. Das letzte Schwert in seiner etwa 20 Minuten langen Show aber lässt Franz Huber in den Magen plumpsen. Und wenn ihm ein Mikrofon-Headset an den Kopf gehängt wird, muss der Tontechniker in diesem Moment den Ton abdrehen, weil unappetitliche Geräusche entstehen können. Bei einer Fernsehaufzeichnung kam das mal vor, Gott sei Dank in der Probe.

Huber ist der einzige Schwertschlucker in Garching, aber er ist nicht der erste. Und trotz seiner Weltrekorde ist sein Vorgänger immer noch legendärer. Der Mühldorfer Journalist Wolfgang Haserer hat das Leben des Josef Zehetbauer aus dem Garchinger Ortsteil Mauerberg nachgezeichnet, der als Joe Jagger auftrat und als Schreck der Volksfestwirte endete. Zehetbauer, Jahrgang 1947, wollte als Schwertschlucker die Welt erobern. Mit all seinem Erbe startete er nach Las Vegas - und kam schnell wieder heim, weil er das Geld nicht halbwegs so gut im Griff hatte wie den Schluckreflex.

In St. Pauli brachte er es zur Peepshow-Attraktion, doch wenn er heim kam in die Bierzelte, reagierten die Wirte Jahr für Jahr genervter. Haserer hat Jaggers Klagen im Archiv gefunden: "De Muidorfer Festwirt ham koa Kunstverständnis." Josef Zehetbauer endete als Obdachloser, er ertrank im Mai 2007 in einem Tümpel. Sein Schwert blieb verschollen. Aber mit Franz Huber hat er einen Nachfolger im Landkreis Altötting.

Huber schaffte es am 17. Oktober 2013 erstmals mit einem Schwert hinunter in den Magen. Solche Daten hält er fest. Er will mal ein Buch schreiben über sein Leben. Witz hat der Mann, keine Frage. Und wenn er einem seine T-Shirts mit Sprüchen wie "Messer, Gabel, Schere, Licht, steck ich mir in mein Gesicht" und seinen selbst gebastelten Hampelfranz feilbietet, einen lederbehosten Schwertschlucker-Hampelmann zum Preis von zehn Euro, dann ist auch klar, dass er mit feinerem Geschäftssinn gesegnet ist als Joe Jagger.

"Es ist eine Gaudi, wenn es die Leute fasziniert"

Was die Kunst angeht, hat der Huber Franz aber eine ähnliche Einstellung. "Kunst", sagt er, "ist vielschichtig." Und wer einen Künstler wie ihn nach dem tieferen Sinn seines Tuns fragt, darf natürlich keine andere Auskunft als "Es ist eine Gaudi, wenn es die Leute fasziniert" erwarten. Nur gibt es in seinem Fach nicht allzu viele Möglichkeiten, sie zu präsentieren. Auf mehr als 15 Auftritte im Jahr kommt er nicht, und für Peepshows gäbe er sich nicht her.

Einige Frauen verließen den Saal, als er bei einem Kleinkunstabend im nahen Töging am Inn auftrat. Sie hatten gerade gesehen, wie Franz Huber sich neben ihnen eine Pizza und ein Bier einverleibte - dass er jetzt das Schwert in diese Brühe aus Pizza, Bier und Glassplittern schob, war ihnen wohl zu viel.

Bei der Tattoo-Messe in Eggenfelden traf er hartgesotteneres Publikum an. Er machte seine Witze. Wie immer. Den mit dem Glas, den mit dem langen Schraubenzieher, damit bei ihm keine Schraube mehr locker sei, solche Schockpointen eben. Kaum einer lachte. Erst als er Weltrekorde aufstellte, rangen sich die Hautmalkünstler vor dem Schluckreflexartisten einen ordentlichen Applaus ab. Erst machte er 20 Liegestützen mit einem Schwert im Magen, dann drehte er 15 Schwerter im Magen um 180 Grad, ehe er kopfüber sieben Schwerter schluckte und am Ende den Weltrekord der Weltrekorde aufstellte: 28 geschluckte Schwerter. So kommt man ins Guinness-Buch. So wird man unsterblich. Ein bisschen.

Als Publikum eignen sich für Schwertschlucker Franz Huber Ärzte definitiv besser als Tätowierer und Kabarettfreunde. Kürzlich trat er bei einer Fortbildung für Mediziner in Burghausen als Überraschungsgast auf. Es ging um Eisen im Körper. Und Franz Huber, historisch gebildet wie er ist, erzählte den Doctores von den ersten Versuchen der Endoskopie. "Der Professor Adolf Kußmaul in Freiburg hat 1868 einen Schwertschlucker hergenommen, als er sein Rohr ausprobieren wollte, um einem lebendigen Menschen in den Magen zu schauen", doziert er. Und als er seine Schwerter der Reihe nach in den Rachen schiebt, klatscht das honorige Auditorium begeistert. Ärzte kennen sich aus mit der Anatomie, sie wissen seine Kunst zu bewundern. Und Ekelgefühle sind ihnen sowieso fremd.

Beim letzten Weltschwertschluckertag in Florida holte er sich einen rauen Hals. 25 Schwerter gleichzeitig, da hatte er ganz schön Halsweh, und das nicht von der Klimaanlage im Flugzeug. Er ging ins Krankenhaus. Professor Michael Kraus, der ihn nun auch für die Fortbildung in Burghausen engagierte, schaute ihm in die Kehle. Ein kleiner Cut, nichts Schlimmes. Die Schwerter müssen wohl zu trocken gewesen sein, sagt Franz Huber. Nach wenigen Tagen konnte er wieder schlucken. Es schmeckte wie immer.

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