CSU-Parteitag:Ein kleiner Dämpfer für Söder

Markus Söder

Markus Söder im Foyer der CSU-Parteizentrale

(Foto: dpa)

Seine Wahl zum CSU-Chef war Indiz dafür, wie es um die Selbstheilungskraft der Partei steht - die 90-Prozent-Marke hat er verfehlt. Bei seinem Aufstieg ließ er Verwundete zurück. Nicht nur Horst Seehofer.

Von Wolfgang Wittl

Man könnte die Szene für eine der Hinterfotzigkeiten halten, wie sie in der CSU gerne praktiziert werden. Kurz vor der bayerischen Landtagswahl trafen sich Horst Seehofer und Markus Söder bei einem ihrer seltenen gemeinsamen Auftritte im Stadttheater Ingolstadt. Söder scheuchte sofort alle Menschen aus dem Nebenraum. Hinter verschlossenen Türen soll er Seehofer versichert haben, dass er, Söder, nicht das geringste Interesse am CSU-Vorsitz hege, Hand darauf. Nun, drei Monate später, hat die CSU nun einen neuen Chef, Markus Söder.

Markus Söder gilt als berüchtigt, seine Ziele auf verschlungenen Pfaden zu erreichen. In diesem Fall täte man ihm aber unrecht. Er wollte immer bayerischer Ministerpräsident werden, als solcher hat er Seehofer schon vor zehn Monaten abgelöst. Ein Interesse am Parteivorsitz ist nicht verbürgt, der politische Schauplatz Berlin hat Söder mehr abgeschreckt als verführt. Bei Seehofer war es umgekehrt: Der Stuhl des CSU-Chefs war sein Sehnsuchtsort. Als Ministerpräsident wechselte er 2008 nur nach Bayern, weil sich die Landespolitiker gegenseitig blockierten. Dass Seehofer der Abschied als Landesvater dann weitaus schwerer fiel als jetzt vom Spitzenamt seiner Partei, mit der er sich teils überworfen hat, ist eine besondere Pointe.

Seehofer und Söder haben sich ein Duell um die Macht geliefert, das seinesgleichen sucht. Wenn Söder nun beide Schlüsselpositionen einnimmt, trägt ausgerechnet Seehofer, der das unbedingt verhindern wollte, großen Anteil daran. Er hatte 2013 einen geordneten Übergang versprochen, den er nie vollzogen hat. Als er sich entgegen seiner Ankündigung zum Weitermachen entschloss und die Bundestagswahl 2017 schiefging, begann seine Demontage. Alles lief auf Söder zu, der sich schon immer weiter vorgewagt hatte als seine Rivalen. Es muss trotzdem nicht falsch sein, wenn Seehofer behauptet, er sei mit sich im Reinen. Die CSU hat sich stets dem Stärksten untergeordnet. Schuld an Söders Aufstieg sind aus Seehofers Sicht deshalb all jene, die sich nicht trauten, Söder herauszufordern: Ilse Aigner und Joachim Herrmann, Alexander Dobrindt und Manfred Weber.

Hätte Weber nach Söders missratener Landtagswahl zugegriffen, würde wohl er zum Parteichef gewählt. Doch Vorrang hat für den CSU-Vize eine andere Aufgabe. Weber will nach der Europawahl im Mai EU-Kommissionspräsident werden. Ein Parteiamt wäre Ballast gewesen. So bleibt nur Söder. Obwohl er vielen als letzte Hoffnung gilt, bestehen in der Partei weiter Vorbehalte gegen ihn. Zu rücksichtslos hat er sich seinen Weg nach oben gebahnt, zu viele Verwundete zurückgelassen. Andererseits ist die CSU berühmt für ihre Geschlossenheit, wenn es darauf ankommt. Und wann kam es mehr darauf an als jetzt, im tiefsten Loch seit gut 60 Jahren? An der Marke von 90 Prozent musste Söder sich messen lassen, die hat er nun mit 87,42 Prozent knapp verfehlt.

Der Parteivorsitz sei nie sein "Kernziel" gewesen, sagt Söder, er gehe die Aufgabe aber "mit großer Leidenschaft und Entschlossenheit" an. In der CSU weiß man, was das heißen kann. Obschon Söder als Bundespolitiker bislang nicht aufgefallen ist, verfügt er über strategische Fähigkeiten wie kaum jemand in der Partei. Anders als der Bauchpolitiker Seehofer wägt Söder kühl ab. Die verschiedenen Machtzentren - Kanzleramt, Bundestagsfraktion, Partei - werden ihm Möglichkeiten bieten, wahlweise Allianzen zu schmieden. Eine CDU-Chefin Angela Merkel hätte Söder beim Griff nach dem CSU-Vorsitz zögern lassen, sagen Parteifreunde. Doch mit Annegret Kramp-Karrenbauer, die bei der Wahl in der kleinen Olympiahalle in München vorbeischaut, gebe es eine gesunde Arbeitsbasis. Mit ihr will Söder das Koordinatensystem der Union neu justieren: mehr Miteinander, weniger Gegeneinander, trotzdem Eigenständigkeit.

Horst Seehofer wird nach Franz Josef Strauß als dienstältester Parteichef in die CSU-Historie eingehen. Zehn Jahre und drei Monate nach seiner ersten Wahl tritt er aus der vordersten Reihe ab, das letzte Wort hat dann Söder. Wann er als Bundesinnenminister aufhört, hat Seehofer offengelassen. Als Sozialpolitiker wurde er als Held der Benachteiligten gefeiert. Er könne sich vorstellen, sich als Ruheständler wieder um Themen wie Rente und Kinderarmut zu kümmern. Bis dahin wird er versuchen, das schiefe Bild von sich auf den letzten Metern eines langen Weges halbwegs geradezurücken.

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