Bericht des Innenministeriums:Zahl der Islamisten und Salafisten steigt

Salafisten demonstrieren in Frankfurt

Anhänger des radikal-islamischen Predigers Pierre Vogel bei einer Demonstration in Frankfurt am Main. Auch in Bayern gibt es immer mehr Salafisten.

(Foto: Boris Roessler)
  • In Bayern steigt die Zahl der Salafisten und der gewaltbereiten Islamisten.
  • Nach Angaben des Innenministeriums gelten derzeit 75 Personen in Bayern als "Gefährder" oder "relevante Personen".
  • Geplante Maßnahmen für Deradikalisierungsprogramme lassen dagegen auf sich warten.

Von Stefan Mayr

Die Salafisten-Szene in Bayern wächst stetig an und hält Justiz und Polizei zunehmend auf Trab. Das Innenministerium berichtet auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung von einer steigenden Zahl gewaltbereiter Islamisten: Derzeit seien im Freistaat 75 Personen registriert, die als "Gefährder" oder "relevante Person" im Bereich "Politische motivierte Ausländerkriminalität - Islamismus" eingestuft sind. Das sind fast doppelt so viele wie im Jahr 2012 (41). Bereits Mitte 2015 hatte die Staatsregierung massive Präventionsarbeit und Gegenmaßnahmen angekündigt, doch diese kommen mitunter nur stockend in Fahrt.

Im gesamten Bundesgebiet wuchs die Zahl der gewaltbereiten Islamisten in den vergangenen vier Jahren von 411 auf 767 Personen an. Die Verfassungsschützer benützen die Kategorien "Gefährder" und "relevante Personen" für Menschen, "bei denen die Gewaltbereitschaft nachweislich ist", wie ein Ministeriumssprecher mitteilt. Wer genau sich in dieser Kategorie befindet? "Das ist Verschlusssache", sagt der Sprecher.

Die meisten Salafisten sind nicht gewaltbereit

Insgesamt halten sich zurzeit sogar 630 sogenannte Salafisten in Bayern auf. Damit sind Personen gemeint, die der ultrakonservativen Richtung des Islams zugerechnet werden. Auch ihre Zahl wächst: Ende 2014 waren es noch 570. Die meisten von ihnen sind aber gemäßigte Salafisten - also nicht gewaltbereit.

Nach Angaben des Ministeriums halten sich zurzeit 24 Islamisten aus Bayern in Syrien oder im Irak auf. Wie viele von ihnen an Kampfhandlungen oder terroristischen Aktionen teilnehmen, dazu macht das Ministerium keine Angaben. Insgesamt weiß der Verfassungsschutz von 81 Personen, die seit Aufkeimen des Islamistischen Staates aus Bayern nach Syrien oder in den Irak gereist sind (oder dies in nächster Zeit planen). Vor einem Jahr waren es noch 50. Bei acht von ihnen gehen die Behörden davon aus, dass sie im Krisengebiet ums Leben gekommen sind.

23 Personen sind aus dem Krisengebiet im Nahen Osten wieder nach Deutschland zurückgekehrt. 20 von ihnen leben in Bayern, drei außerhalb des Freistaates. Mindestens vier dieser Rückkehrer haben sich nach Angaben des Ministeriums höchstwahrscheinlich aktiv am bewaffneten Widerstand in Syrien oder Irak beteiligt. Zwei der Männer befinden sich in Haft.

Auch das Justizministerium berichtet von einer stark steigenden Zahl der einschlägigen Ermittlungsverfahren wegen "Vorbereitung einer schweren staatsgefährdeten Gewalttat" oder "Terrorismusfinanzierung": Konnte man die Zahl dieser Verfahren pro Jahr stets an einer Hand abzählen, stiegen die Fälle im Jahr 2014 plötzlich auf 17. Derzeit laufen sogar 39 solcher Verfahren.

"Die jeweiligen Beschuldigten sind Anhänger einer islamistischen/salafistischen Ideologie", teilt das Ministerium mit. All diese Verfahren werden von den Staatsanwaltschaften München I, Nürnberg und Bamberg bearbeitet, sie sind für sogenannte "Staatsschutzverfahren" zuständig. Der Schwerpunkt der Verdachtsfälle liegt eindeutig im Bereich der Münchner Behörde: Hier alleine sind 31 der 39 Verfahren anhängig.

Wann die geplante Beratungsstelle eröffnet wird, steht noch nicht fest

Die Behörden berichten schon seit längerem nicht nur von "Turbo-Radikalisierung" über Internet-Medien, sondern auch von Anwerbe-Versuchen durch Islamisten im Umfeld von Flüchtlingsunterkünften. Dies sei beispielsweise in Augsburg, Aschaffenburg, Friedberg, München, Kelheim und Schwandorf vorgekommen.

Nach den islamistischen Anschlägen von Paris im November hatten die vier Staatsminister Herrmann (Inneres), Bausback (Justiz), Müller (Soziales) und Spaenle (Kultus) ein "Netzwerk gegen Salafismus" mit einem "umfangreichen Maßnahmenbündel" angekündigt. "Nur mit konsequenter Präventionsarbeit und gezielten Deradikalisierungsmaßnahmen kann dem Treiben der Gotteskrieger in Deutschland Einhalt geboten werden", sagte Innenminister Joachim Herrmann.

Eigentlich hatte das bayerische Kabinett bereits im Sommer ein "Präventions- und Deradikalisierungsnetzwerk gegen Salafismus" beschlossen. Diese Deradikalisierung soll sich auch an Rückkehrer richten, etwa mit Ausstiegshilfen. Das klingt gut, doch sieben Monate nach dem Beschluss ist die angekündigte Zentrale Beratungsstelle immer noch nicht in Sicht. Laut Innenministerium führt das Landeskriminalamt derzeit ein Vergabeverfahren durch, in dem ein ziviler Träger für die Beratungsstelle gefunden werden soll.

Diese Ausschreibung sollte nach Angaben der Regierung eigentlich Anfang 2016 abgeschlossen sein. Dieser Zeitplan ist nun nicht mehr zu halten. Auf Anfrage teilt das Ministerium mit: "Zum Vergabeverfahren können wir derzeit keine Einzelheiten nennen."

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