Hochwasserschutz:Erbitterter Streit um Flutpolder an der Donau

Hochwasser Bayern - Deggendorf

Den Deggendorfer Stadtteil Fischerdorf traf es beim Hochwasser im Juni 2013 besonders hart. Häuser und Ställe wurden überflutet, die Menschen mussten zum Teil mit Booten gerettet werden.

(Foto: Armin Weigel/dpa)
  • Seit der Hochwasserkatastrophe 2013 plante die Staatsregierung an der bayerischen Donau eine ganze Reihe Polder.
  • Doch dann haben sich CSU und FW plötzlich von den beiden Projekten verabschiedet.
  • Experten halten die Flutpolder für notwendig, denn sie sind für Katastrophen gedacht, bei denen sogar die neuen Dämme und Deiche zu versagen drohen.

Von Christian Sebald, Straubing

Herbert Pfeffer ist keiner, der große Worte macht. Außerdem will der Milchbauer eigentlich nicht mehr an die Hochwasserkatastrophe Anfang Juni 2013 zurückdenken. Damals war nahe dem niederbayerischen Deggendorf ein Damm gebrochen. Millionen Kubikmeter schmutzig braune Fluten überschwemmten seinen Hof. "Hundert Hektar Land von mir sind unter Wasser gestanden", sagt Pfeffer, 45, kräftige Statur, fester Händedruck.

"Der Stall war 1,80 Meter hoch geflutet. Wir haben 180 Rinder rausholen müssen." Pfeffers Felder und Weiden sind längst gereinigt, der Stall ist repariert, der Betrieb läuft. Aber man merkt dem Bauern an, dass er die Katastrophe auch sechs Jahre später nicht verarbeitet hat. "Ich hoff' halt, dass uns so ein Unglück nie wieder heimsucht", sagt er. Und dann: "Damals haben uns alle Politiker den bestmöglichen Hochwasserschutz versprochen. Ich erwarte, dass sie dazu stehen."

Was dieses Versprechen anbelangt, sind inzwischen nicht nur der Landwirt Pfeffer und die vielen anderen Hochwasseropfer an der niederbayerischen Donau sehr misstrauisch. Sondern auch die Kommunalpolitiker dort, allen voran der Deggendorfer Landrat Christian Bernreiter (CSU). Aber auch die Hochwasserexperten in den Behörden bis hinauf ins Umweltministerium. Es geht um die Flutpolder. Das sind Staubecken, in die Millionen Kubikmeter Hochwasser ausgeleitet werden können.

Unter Experten gelten sie als die letzte Reserve, wenn alle anderen Schutzmaßnahmen versagen. Seit der Hochwasserkatastrophe 2013 plant die Staatsregierung an der bayerischen Donau eine ganze Reihe Polder. Zwei sollten im Landkreis Regensburg errichtet werden. Doch dann haben sich CSU und FW plötzlich von den beiden Projekten verabschiedet. Der Grund ist der heftige Widerstand der Anlieger. Damit ist der Streit um den Hochwasserschutz an der Donau neu aufgeflammt. Er wird mit unerbittlicher Härte ausgetragen, wie das jetzt auf einer Podiumsdiskussion des Straubinger Tagblatts zu besichtigen war.

Die Polder-Gegner treten sehr rabiat auf. Wer nicht ihrer Überzeugung ist, wird sofort lautstark ausgebuht. Angeführt werden sie von Tanja Schweiger und Markus Hörner. Schweiger ist Freie-Wähler-Politikerin, Landrätin des Landkreises Regensburg und Lebensgefährtin von Wirtschaftsminister und FW-Chef Hubert Aiwanger. Böse Zungen behaupten, sie sei es gewesen, die Aiwanger am heimischen Küchentisch bearbeitet hat, bis er in den Koalitionsverhandlungen mit der CSU die Streichung der beiden Polder erzwungen hat.

Hörner ist Landwirt und Chef der Interessensgemeinschaft gegen Flutpolder. Unterstützung bekommen Schweiger und Hörner von Professor Andreas Malcherek, der an der Universität der Bundeswehr in München Wasserbau lehrt. Die Polder-Gegner behaupten, dass die Schutzbauwerke lauter Belastungen für ihre Anlieger bringen. Der Hauptvorwurf lautet, dass dadurch das Grundwasser in ihrer Umgebung so ansteigen werde, dass es in Keller und Häuser eindringt. Experten bestreiten dies.

Aber das ist es nicht alleine. Die Polder-Gegner halten die Bauwerke außerdem für überflüssig. Die Donau-Anrainer im Landkreis Deggendorf hätten es Jahrzehnte lang versäumt, einen modernen Hochwasserschutz für sich einzufordern, warfen mehrere Redner dem Deggendorfer Landrat Bernreiter am Mittwoch wieder einmal vor. Nun sollten der Landrat und seine Bürgermeister endlich dafür sorgen, dass die Region neue Dämme und Deiche bekommt. Dann könne man auf die Regensburger Polder verzichten. Die Polder-Gegner ließen außen vor, dass der Hochwasserschutz in der Region Deggendorf mit Hochdruck modernisiert wird. Überhaupt bringt der Freistaat seit 20 Jahren vielerorts in Bayern Dämme, Deiche und andere Schutzeinrichtungen auf Vordermann. Bis 2020 summieren sich die Investitionen auf mehr als drei Milliarden Euro.

Völlig unabhängig davon halten Experten die Flutpolder für notwendig. Denn sie sind für Katastrophen gedacht, in denen sogar die neuen Dämme und Deiche zu versagen drohen. Solche Unglücke sind bislang sehr selten. Statistisch gesehen kommen sie alle 200, 300 oder sogar nur alle 500 Jahre vor. Wenn sie aber doch passieren, sind sie nicht nur eine ungeheure Gefahr für die Bevölkerung. Sondern sie richten auch Milliardenschäden an. Das Juni-Hochwasser 2013 hat allein im Raum Deggendorf 500 Millionen Euro Schaden verursacht. Angesichts des fortschreitenden Klimawandels sagen Experten, dass solche Hochwasser in Zukunft öfter passieren werden. Das immense Leid der Bevölkerung, das extrem hohe Schadenspotenzial und die Prognosen der Klimaexperten waren die Gründe, warum die Staatsregierung nach dem Juni-Hochwasser 2013 entschieden hat, nicht nur den konventionellen Hochwasserschutz zu forcieren, sondern auch Flutpolder zu bauen.

Der Fischerdorfer Landwirt Pfeffer hat am Mittwoch versucht, die Polder-Gegner an all das zu erinnern. "Ich versteh' scho, dass ihr die Polder nicht wollt", rief er ihnen in seinem Schlusswort zu. "Aber wir werd'n sie brauchen, glaubt's es." Die schwarz-orange Koalition will inzwischen die Streichung der beiden Polder im Landkreis Regensburg noch einmal überdenken und hat dazu neue Gutachten in Auftrag gegeben. Die endgültige Entscheidung soll nun 2020 fallen.

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