Bayerischer Rundfunk:Sender in Schieflage

50 Jahre Bayerischer Rundfunk

In Schieflage gerät der BR durch das Urteil ganz sicher nicht. Aber hätte man besser ein Radiogerät zeigen sollen?

(Foto: Nicolas Armer/dpa)
  • Im Rundfunkrat sollte erstmals die Programmreform vorgestellt werden, an der der BR seit Sommer 2014 arbeitet.
  • Es geht darum, mehr Publikum zwischen 30 und 55 Jahren zum "BR Fernsehen" zu bringen, wie das TV-Programm künftig heißen soll.
  • Die Reform steht unter dem Generalverdacht, nur Kürzungen zu exekutieren.

Von Stefan Mayr, Augsburg, und Claudia Tieschky

Früher einmal kam sogar Josephine Baker aus den USA angeflogen, um beim Funkball des BR in München zu singen, aber das waren andere Zeiten. Die rauschenden Faschingsfeste sind abgesagt, es wird sie nicht mehr geben, das teilte der Bayerische Rundfunk dieser Tage mit. Die Einnahmen aus dem Kartenverkauf gingen zurück, auch die Deko müsste modernisiert werden. Und wer will schon Investitionen für ein Narrenfest vertreten, wenn gleichzeitig im Programm aus Geldmangel gestrichen wird? Es ist nicht der Augenblick für Leichtsinn.

Im BR schlägt gerade voll durch, was Politiker als Erfolg vermelden: Die Beiträge für Gebührenzahler sind seit 2009 stabil, die Budgets der Sender eingefroren, das Milliardenplus, das die neue Rundfunkabgabe bringt, liegt auf einem Sperrkonto. Zugleich steigen die Kosten im Sender. Es herrscht massive Geldnot. 22 Millionen Euro muss der BR nächstes Jahr einsparen, das hat Intendant Ulrich Wilhelm nun erklärt. Fünf Prozent ist die Schrumpfvorgabe, Programmredaktionen sollen etwas besser wegkommen und nur drei Prozent einsparen. Der für 2017 geplante Neubau in Freimann, teilt der BR auf Anfrage mit, sei für den Spardruck nicht verantwortlich; Finanzierungsbedarf entstehe frühestens ab 2019. Unter den Mitarbeitern, vor allem unter den sogenannten "festen Freien", ist große Unruhe ausgebrochen.

Sie befürchten weniger Aufträge. In die Verunsicherung hinein hätte am Donnerstag eigentlich etwas Klarheit kommen können: Im Rundfunkrat sollte erstmals die Programmreform vorgestellt werden, an der der BR seit Sommer 2014 arbeitet. Es geht darum, mehr Publikum zwischen 30 und 55 Jahren zum "BR Fernsehen" zu bringen, wie das TV-Programm künftig heißen soll. Allerdings wurden mitten in die Planung hinein Wilhelms neue Sparziele formuliert, und nun steht die Reform unter dem Generalverdacht, sowieso nur noch Kürzungen zu exekutieren.

Geplant ist nach SZ-Informationen, dass der BR künftig neben den eigenen Rundschau-Nachrichten auch die ARD-Tagesschau aus Hamburg zeigt. Dass man in Bayern auf die NDR-Produktion verzichten kann, war früher eine Ansage, bei der es beinahe um die Landesidentität ging. Heute bemerken BR-Verantwortliche, dass vor allem die Jüngeren wegschalten, um die ARD-Nachrichten zu sehen - und danach nicht zurückkommen. Das will man vermeiden. Außerdem zahle der BR, so lautet ein Argument, über die ARD-Umlage viel Geld für die Produktion der Tagesschau, ohne im eigenen Programm zu profitieren. Die Rundschau soll künftig stärker den regionalen Zugang pflegen, zum Beispiel die Auswirkung der großen Politik für die Menschen in Bayern zeigen. Insgesamt will man Themen wie Familie, Digitales oder Lifestyle im Programm stärker spielen - Dinge, für die sich die unter 55-Jährigen interessieren.

Sendungen könnten wegfallen, es könnten weniger Mitarbeiter beschäftigt werden

Trotzdem steht über allem der Sparzwang. Deswegen werden wohl insgesamt weniger Sendungen produziert. Thematisch spezialisierte Redaktionen sollen nicht mehr zwingend eine Sendung bestücken, sondern für viele Formate arbeiten - das heißt wohl auch, dass sie teils ihre eigenen Programmflächen verlieren, dass Sendungen wegfallen und weniger Mitarbeiter beschäftigt werden. Auch mehr Wiederholungen und Übernahmen aus anderen Dritten scheinen kein Tabu zu sein.

Zu den Neuerungen gehört auch, dass der BR auch und vor allem im Fernsehen mehr Beiträge direkt aus den bayerischen Regionen senden will. Deshalb soll die gesamte Schwaben-Redaktion spätestens Anfang 2017 vom Funkhaus beim Münchner Hauptbahnhof in die Augsburger Innenstadt umziehen, wo ein neues "Schwaben-Studio" eingerichtet wird. Derzeit sind am Lech vier Journalisten tätig, künftig werden es inklusive Technikern sechzehn Mitarbeiter sein. Bislang muss bei jedem aktuellen Ereignis in Schwaben extra ein Übertragungswagen aus München anrollen. In Zukunft soll das nicht mehr nötig sein: Das voraussichtlich etwa 500 Quadratmeter große Studio soll mit Live-Equipment ausgestattet werden. Der Standort steht noch nicht fest, die Gesamtkosten werden auf eine Million Euro geschätzt.

Harte Debatten stehen bevor

Der Rundfunkrat muss der Programmreform nicht zustimmen, an der noch bis Herbst gefeilt wird, er soll aber beraten. Am Donnerstag saßen viele Mitarbeiter der Redaktion "Jetzt mal ehrlich", die ihren Sendeplatz verlieren könnte, im Sitzungssaal. So viel Publikum ist man nicht gewohnt, die Stühle reichten nicht, die Leute hockten auf dem Boden und auf den Fensterbänken. Was sich dann abspielte, lässt ahnen, welche Debatten dem BR-Chef Ulrich Wilhelm noch bevorstehen.

Bis zur Programmreform kam das Gremium gar nicht, das Thema wurde auf eine Sondersitzung vertagt. Man hakte sich bereits an der geplanten Fusion der Hörfunk-Redaktionen für München und Oberbayern fest, die laut Wilhelm dem Sparzwang geschuldet ist. Die Räte sind besorgt, dass der BR weniger Nachrichten aus München und Oberbayern bringt und das Feld den Privatsendern überlassen könnte - womöglich als Zugeständnis im Streit um das Jugendradio Puls, das 2018 gegen den Widerstand der Privaten auf UKW gehoben werden soll.

Fusion ist "journalistisch vertretbar"

Hörfunkchef Martin Wagner wies den Verdacht zurück. Die Fusion sei "journalistisch vertretbar". Beifall vom Publikum erhielt der CSU-Politiker Otmar Bernhard, der sich in Rage redete. Die Deckelungspolitik könne auf Dauer nicht so weitergehen. "Wir erleben jetzt, dass der Sparzwang ins Programm gehen muss, wenn wir das weitermachen über Jahre, dann hat das Auswirkungen auf die Qualität und Qualität ist die Legitimation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks." Das erstaunte, schließlich dringt die CSU bislang auf öffentlich-rechtliche Sparpolitik.

Was wird, was kann der BR noch leisten, wenn er sich verkleinert? Auch die hoch angesehene Fernsehdirektorin, die regelmäßig Preise für Fernseh- und Spielfilme nach München holte, müsste das umtreiben - wenn Bettina Reitz, die am Donnerstag sehr ernst im weißen Hosenanzug und ohne die für sie typische Haartolle in der Sitzung saß, nicht bereits auf dem Absprung wäre. Der Hochschulrat hat sie zur Präsidentin der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film gewählt. Auf ihren Nachfolger warten schwierige Zeiten.

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