Populismus:Das Gesicht des AfD-Erfolgs in Bayern

Metten: AfD-Politikerin Katrin Ebner-Steiner vor ihrem Haus /Teer-Anschlag

Katrin Ebner-Steiner ist die Spitzenfrau der AfD in Bayern. Sie lebt mit ihrer Familie in Niederbayern.

(Foto: Johannes Simon)

Katrin Ebner-Steiner hat in der AfD Karriere gemacht, heute ist sie stellvertretende Landesvorsitzende in Bayern. Allerdings hält sie nichts von Emanzipation. Ein Besuch.

Von Ulrike Schuster

An 20 Tischen im Wirtshaus sitzen Männer. Katrin Ebner-Steiner wählt den Tisch mit den fünf Frauen. Es gibt nur einen. Mitte Dezember, Ebner-Steiner feiert mit dem AfD-Kreisverband München-Süd Weihnachten. Eine Tisch-Frau will wissen, woher der Doppelname komme. Mit Emanzipation habe der nichts zu tun, versichert Ebner-Steiner, von der halte sie nichts, "hat ja nicht viel gebracht".

Die fünf Frauen atmen auf. Es sei ganz einfach: Steiner heiße der erste, Ebner der zweite Mann, mit jedem habe sie zwei Kinder. Am Nachbartisch steht ein Parteifreund auf, er dankt dem Wirt, dass er sie reingelassen hat. Danach singt eine Sopranistin das Schubert-Lied "Leise flehen meine Lieder", umgetextet für die AfD. Eine Zeile geht so: "Wir hören Volkes Schmerz." Zum Abschluss singen alle "Stille Nacht".

Statt für Emanzipation, sagt Ebner-Steiner am Frauentisch, kämpfe sie für die Alleinverdienerehe. Sie selbst arbeitet seit zweieinhalb Jahren für die AfD, 60 Stunden die Woche. Verdient habe sie nichts, sagt sie, gekostet habe sie ihr Einsatz aber 60 000 Euro. Bezahlt hat das ihr Mann, der findet das gut: "Wir sind Überzeugungstäter", sagt er. Katrin Ebner-Steiner ist die Frau an der Spitze der bayerischen AfD, die erste Stellvertreterin des Landesvorsitzenden.

In ihrer Bewerbungsrede auf dem Landesparteitag im November wiederholte sie die zwei Sätze, die sie am Anfang jeder Rede ausspricht: "Ich bin Katrin Ebner-Steiner, 39, katholisch, verheiratet, vier Kinder, Bilanzbuchhalterin." Und: "Ich bin euer Stimmenbringer." Das ist nicht gelogen. Bei der Bundestagswahl holte sie in ihrem Wahlkreis zweimal das beste Ergebnis in Westdeutschland. 20 673 Menschen gaben Ebner-Steiner die Erststimme, das waren 17,3 Prozent; mit der zweiten wählten 19,2 Prozent die AfD. Seitdem gilt Deggendorf als die "AfD-Hochburg in Bayern" und Ebner-Steiner als das "Gesicht des Erfolgs", wie es im ZDF über sie hieß.

Ebner-Steiner ist anders als die AfD-Frontfrauen Frauke Petry, Alice Weidel oder Beatrix von Storch. Sie war keine Karrierefrau, die im Widerspruch zum Frauenbild der Männerpartei steht. Ebner-Steiner ist das personifizierte Frauenbild: Ehefrau, Hausfrau, Mutter. Im persönlichen Umgang kommt sie sympathisch rüber. Auf Facebook postet sie Fotos von Löwenkopf-Zwerghäschen, die "ab sofort ein neues Zuhause suchen". Drei Tage später fordert sie eine "Ausgangssperre für alle Asylunterkünfte in Bayern". Überhaupt die Flüchtlinge - ein Tsunami in ihren Augen. Ebner-Steiner bäckt drinnen Plätzchen, während draußen Einwanderer auf ihre schöne niederbayerische Heimat anstürmen. Ein typisches AfD-Bedrohungsszenario.

Ebner-Steiner dekliniert AfD-Themen in den Rollen der Ehefrau und Mutter

Sie selbst spricht ganz unironisch von einem "geliebten Biedermeier-Zuhause". Eine Frau, für die es nichts Schöneres gibt, als "die kleinen Engelchen im Bett liegen zu sehen", wie sie sagt, ihnen die Butterbrote zu schmieren und die Tränen zu trocknen, um sie danach wieder lächeln zu sehen. So hat sie den deutschen Müttern in einer Video-Botschaft zum Muttertag gratuliert. Bloß, warum tut sie sich dann "den Dreck der Politik" an, wie sie die Machtkämpfe in der AfD nennt. Politik mache die Frau zum Mann, zitiert sie ihren Parteikollege Björn Höcke. Mit ihm, dem rechtsextremen Landesvorsitzenden von Thüringen, verbindet sie eine Freundschaft, "die Flügel verleiht", wie sie einmal bei einem Besuch Höckes in ihrer Heimat schwärmte: Sie beide seien Idealisten, deshalb verstünden sie sich so gut.

Ein Spaziergang mit Katrin Ebner-Steiner in Niederalteich die Donau entlang, ihr Lieblingsort. Hier sieht sie die kleine Katrin mit den Flechtezöpfen und den Gänseblumen im Haar spielen - "mein Bullerbü", sagt sie in Erinnerung an ihre Kindheit. Irgendwann wollte aber auch sie raus dem trauten Heim und rauf auf die große Bühne. Anfang 2015, beim ersten AfD-Stammtisch, wurde ihr klar, das wird "meine Familie", weil die "jemanden wie mich brauchen". Jemanden, der die AfD-Themen Heimat, Tradition und Familie in den Rollen der Ehefrau und Mutter durchdekliniert - und knallhart Stimmung gegen alles macht, was von außen kommt.

Wenn sie sich als Dirndlträgerin den berüchtigten Höcke-Spruch vom "Mahnmal der Schande" zu eigen macht, dann wirkt das eher bayerisch-folkloristisch als rechtsradikal. Ein Parteifreund hat es so formuliert: Man brauche jemanden, der kein Problem damit hat, seinen Hintern aus dem Fenster und sein Gesicht in die Kamera zu hängen. Auf Facebook zeigt Ebner Steiner täglich, dass sie Probleme nicht kennt. Da sieht man sie den Teig kneten, den Tannenbaum mit dem Sohn schmücken, den Teller mit der Ente, dem Knödel und der Soß richten, die Kerze in der Kirche anzünden; auch den Passauer Bischof Stefan Oster mit dem Segen vergisst sie nicht. All das hat den Anschein des zutiefst Bürgerlichen, des Weiblich-Warmen, hinter dem sich Abgründe auftun, etwa dann, wenn Ebner-Steiner bei einer Rede von den "blutleeren Figuren der Altparteien" spricht.

Ihre "Sturm und Drang-Phase" gefällt nicht nur ihrem Ehemann, "passt doch gut zur AfD", sie gefällt auch den Männern in der Partei. Ebner-Steiner ist vom Typ Kumpel, mit ihr wird's nicht langweilig, sie beherrscht den lockeren Spruch, weshalb "ich immer Spaß mit den Männern habe". Petr Bystron, Ex-Landesvorsitzender, darf sie "Hasi" nennen. Mit Sexismus-Vorwürfen sei in der AfD auch wirklich nichts zu gewinnen, sagt sie. Für Höcke steht sie, was sonst, "wie eine deutsche Eiche" auf der Bühne.

Viel schwieriger findet Ebner-Steiner die Frauen. Solidarität? Unmöglich, "da duldet keine eine Göttin neben sich". Die erste Niederlage ihrer AfD-Karriere verdankt Ebner-Steiner einer 34-Jährigen ohne Kind, dafür mit Schäferhund - "ausgerechnet", wie sie sagt. Ohne die Straubingerin Corinna Miazga säße Ebner-Steiner heute wohl im Deutschen Bundestag: Sie hatte ihr den Listenplatz weggeschnappt. Höcke wusste eine Erklärung: Das sei eben Schicksal.

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