150. Todestag:Wie der bayerische König Otto in Griechenland scheiterte

150. Todestag: Das Gemälde im Otto-König-von-Griechenland-Museum in Ottobrunn bei München zeigt dessen Einzug als frisch gekrönter Herrscher der Helenen in Nauplia.

Das Gemälde im Otto-König-von-Griechenland-Museum in Ottobrunn bei München zeigt dessen Einzug als frisch gekrönter Herrscher der Helenen in Nauplia.

(Foto: Museum Ottobrunn/imaging6)

Er wollte Athen den heimischen Verwaltungsapparat überstülpen - ein Fehler, der stark an heute erinnert.

Von Hans Kratzer

Eine frühe Spur des modernen Griechenlands findet sich erstaunlicherweise in der südöstlich von München gelegenen Gemeinde Ottobrunn. Im Höhenkirchener Forst prangt auf einer Anhöhe eine im dorischen Stil gestaltete, fast zehn Meter hohe Sandsteinsäule, die von der Büste des bayerischen Prinzen Otto bekrönt wird. Am Sockel wacht ein steinerner Löwe.

Tatsächlich ist diese 1834 errichtete Ottosäule das älteste Denkmal, das an die Gründung des modernen Griechenlands erinnert. Exakt an dieser Stelle hatte sich Otto am 6. Dezember 1832 als neuer König von Griechenland von seinem Vater, dem Bayernkönig Ludwig I., verabschiedet, um sich auf die gefährliche Reise zu begeben.

Als Otto vor genau 150 Jahren, am 26. Juli 1867, starb, hatte er Griechenland allerdings schon wieder verlassen. 30 Jahre nach seinem Aufbruch war er 1862 desillusioniert nach Bayern zurückgekehrt, wo er bis zum Lebensende in der Residenz in Bamberg lebte. Die großen Hoffnungen, die auf seiner Regentschaft ruhten, waren weitgehend zerstoben. Otto hatte Griechenland aus vielerlei Gründen nicht befrieden können. Unruhen, Anarchie, Aufstände: Das waren die Gründe, warum der Bayer überhaupt zum griechischen König erhoben wurde.

Den Griechen war es nach ihrem Freiheitskampf nicht gelungen, einen funktionierenden Staat aufzubauen, wie Jan Murken erklärt, der in Ottobrunn ein sehenswertes Otto-König-von-Griechenland-Museum aufgebaut hat. Nachdem das Land Anfang der 1830er-Jahre in heillosen Wirren versunken war, wandten sich die Griechen hilfesuchend nach Europa. Ein von den Großmächten gestützter Regent sollte das Land aus der Misere führen. Dass die Wahl auf den Sohn König Ludwigs I. von Bayern fiel, kam nicht überraschend. Halb Europa nahm damals Anteil am Freiheitskampf, gründete Griechenvereine und sang Griechenlieder.

Vor allem Bayern war ein Hort des Philhellenismus, Ludwig I. folgte der Sache der Griechen mit Begeisterung und offenem Geldbeutel. Die griechische Nationalversammlung stimmte deshalb sofort zu, das Land bekam einen König aus Bayern. Welche Hoffnungen mit Otto verknüpft waren, belegen die Inschriften am Sockel der Ottosäule. Dort heißt es: "In Hellas ziehn erfreute Millionen hochjauchzend dem Jahrhundert Ottos zu . . ."

1832 brach der junge Otto also zusammen mit bayerischen Spitzenbeamten und einem 3500 Köpfe starken Truppenkorps ins Ungewisse auf. Nach der Ankunft wird die Ernüchterung groß gewesen sein. Das wohl romantisch überhöhte Idealbild vom antiken Griechenland stieß auf eine völlig andere Realität. Eine staatliche Verwaltung, wie sie die Bayern gewöhnt waren, gab es dort nicht. Die neuen Herren mussten erst einmal ein Ordnungsgerüst für Heer, Finanzwesen, Justiz und Verwaltung schaffen.

Ein Himmelfahrtskommando in Südeuropa

Oft ist von Ottos Scheitern die Rede. Dabei war er für seine Aufgabe persönlich nicht schlecht vorbereitet. Er sprach fließend Neugriechisch, im Gegensatz zu den Beamten, die sein Vater ihm zu diesem Himmelfahrtskommando mitgegeben hatte, wie der Otto-Experte Hans-Martin Kirchner schreibt. Diese Mängel erschwerten die Aufgabe ungemein. Ähnlich wie heute wurde Griechenland von Finanzproblemen und Wirtschaftsnöten geplagt, an denen die Bayern keine Schuld trugen. "Dass sie ihren Staatsaufbau den Bayern zu verdanken haben, das wissen die Griechen sehr genau", sagt Jan Murken. Freilich, die Mentalitätsunterschiede waren enorm, und nicht nur das.

Die Bayern kamen in ein armes, karges, orientalisch geprägtes Land. Vermutlich zwangen sie den Griechen ihren Lebens- und Arbeitsstil allzu schnell auf. Die neuen Vorgaben liefen den Gewohnheiten der Einheimischen zuwider. Trotzdem wurde das Schulwesen ausgebaut, ein Rechtssystem eingeführt, die Universität von Athen errichtet, dazu ein Nationalmuseum, eine Staatsbibliothek und eine Nationalbank. Das griechische Parlament tagt heute noch in Ottos Schloss.

Zu den Errungenschaften, welche die Bayern hinterließen, gehörte sogar eine Brauerei, die bis 1980 braute. Fast zwangsläufig drängt sich der Vergleich zu heute auf. Das Land sollte mit Reformen und Darlehen in bester Absicht verändert werden. Doch die Griechen fühlten sich zu Befehlsempfängern degradiert und sahen die Bayern mehr als Besatzer denn als Partner. Bald war Ottos Regentschaft von Konflikten und Aufständen umrankt.

Immerhin wurde König Otto I. nicht ermordet, manche seiner Vorgänger und Nachfolger aber schon. Rechtzeitig gewarnt, verließ er das Land, als sich die Griechen offen gegen ihn auflehnten. Die weiß-blauen Landesfarben der Griechen täuschen über diese Kapitulation nicht hinweg. Sie sind auch gar kein Indiz für eine gemeinsame Vergangenheit. "Das ist eine zufällige Übereinstimmung", sagt Jan Murken, der Ursprung der griechischen Farben liege in der byzantinischen Geschichte.

Während der bayerische Einfluss in Griechenland wieder schwand, prägte die griechische Kultur das Land Bayern immer intensiver. München wurde sogar zum "Isar-Athen" stilisiert, auf dem Königsplatz verschmolzen bayerische Baulust und griechische Baukunst unmittelbar. Ludwig I. ließ gar eine Art griechisches Forum errichten, mit der Glyptothek, der Antikensammlung und den Propyläen.

An diesem Mittwoch laden die Griechisch-Orthodoxe Metropolie und die Gemeinde Ottobrunn zu einem Gedenken an den 150. Todestag von König Otto ein. Nach einer Gedenkstunde in der Münchner Theatinerkirche (18 Uhr), in deren Gruft sein Sarg steht, beginnt um 19 Uhr ein Festakt in der Salvatorkirche am Salvatorplatz. Dort sprechen unter anderem Generalkonsulin Panagiota Konstantinopoulou und Jan Murken. Er hat auch einen Museumsführer zum Otto-König-von-Griechenland-Museum verfasst (Deutscher Kunstverlag, 9 Euro).

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