Zweitakt-Motoren:Ein Motor, nicht totzukriegen

Lange galt der Zweitakter als heillos veraltet. Jetzt könnte ihm eine Renaissance bevorstehen - er ist klein, stark und verbraucht wenig.

Joachim Becker

"Rängdengadäng" lärmt es in der Erinnerung los. Unvergesslich ist dieses halbstarke Verbrennungsgeräusch, das nie über den Stimmbruch hinaus kam. Manch einer verbindet sein erstes (nur leicht getuntes) Mofa mit diesem metallischen Meckern. Andere denken an Trabbi, die Schwalbe oder an die DKW-Modelle der Nachkriegsjahre.

Schön war die Zeit der Basismobilität, als sich der blaue Öldampf noch mit dem Geruch von Freiheit und Abenteuer verklären ließ. Im Zeitalter der Umweltzonen beschränkt sich solche Nostalgie fast nur noch auf Oldtimertreffen. Was da aus dem Auspuff qualmt, ist längst nicht mehr politisch korrekt oder serientauglich. Zweitakter, so scheint es, sind als Simpelmotoren vom Aussterben bedroht.

Schade, denn die Idee hat einigen Charme: Verdichten, zünden, arbeiten - so einfach kann ein Motor sein. Das Atmen geschieht nebenher während jeder Auf- und Abwärtsbewegung des Kolbens. Das ganze Geklingel mit den Ventilen ist ebenso überflüssig, wie ein zusätzlicher Ansaug- und Ausschiebetakt.

Jetzt soll der Zweitakter ausgerechnet in der Nähe von Detroit seine Renaissance erleben. Das Städtchen Livona ist ein alter Produktionsstandort von Ford. Entsprechend trist war es hier, seit die globale Krise viele Fließbänder leerlaufen ließ. In den Büros und Werkhallen war Platz genug für das kleine Team von EcoMotors - und deren kuriose Erfindung: Der 300 PS starke Diesel ist bloß 42 Zentimeter hoch. Eher wie eine Zigarre als ein Big Block sieht der Zweitakter aus.

"Unser Motor wiegt nur ein Drittel eines gleich starken Viertakters. Außerdem verbraucht er je nach Konfiguration schon jetzt 12 bis 45 Prozent weniger Kraftstoff", sagt Peter Hofbauer, "da sind die Effizienzgewinne der Serienentwicklung noch gar nicht eingerechnet." Der 70-jährige Professor und Technikchef von EcoMotors ist in der Branche wohlbekannt. Er hat in Deutschland vor mehr als 30 Jahren TDI-Geschichte geschrieben.

Neun Jahre war er Chef der Volkswagen-Antriebsforschung, bevor er ebenso lang dort die gesamte Motorenentwicklung geleitet hat: "Beim ersten Saugkammerdiesel im Golf ging der Vertrieb von fünfzig verkauften Autos pro Tag aus. Das rechnete sich natürlich nicht, deshalb wurde das Projekt gestoppt. Wir haben den Motor dann für den Transporter weiterentwickelt - und drei Monate später war er wieder im Golf. Das war ein Hammer!", erinnert sich der Österreicher lachend.

Ein Hammer könnte auch der Gegenkolbenmotor sein, an dem Peter Hofbauer mit einem Team von Spezialisten arbeitet. Um Geldgeber muss sich der Erfinder keine Sorgen machen. Als er vor drei Jahren EcoMotors ins Leben rief, war auch Vinod Koshla dabei. Der Milliardär und Mitbegründer von Sun Microsystems hat mit Bill Gates 23 Millionen US-Dollar in das Start-up investiert und weiteres Kapital in Aussicht gestellt.

Bill Gates ist euphorisiert

"Eine Technik von globaler Bedeutung", nennt Bill Gates die Neuerfindung des Verbrennungsmotors. "Ecomotors hat eine Technologie gefunden, die das Klima schützt und dabei bezahlbar ist", lobt der Microsoft-Gründer. Aber warum sollen ausgerechnet Zweitakter das Klima schützen?

Bisher gelangte mehr Öl in den Brennraum als beim Viertakter. Zudem vermischten sich Frisch- und Abluft bei dynamischen Lastwechseln - ein K.o.-Kriterium angesichts immer strengerer Abgasnormen. Hofbauer ficht das nicht an. Sein Kniff besteht darin, den Brennraum mit einem elektrisch unterstützten Turbolader durchzuspülen, den er schon vor Jahren entwickelt hat.

Für eine saubere Gemischbildung sorgt auch die sogenannte Gleichstromspülung: "Das unterscheidet sich sehr von den meisten Zweitaktmotoren, wo sich Ein- und Auslass überschneiden", erklärt Peter Hofbauer, "wenn die Gasöffnungen zu nah beieinander liegen, wird es sehr kompliziert, das Abgas raus- und das Frischgas reinzukriegen."

Wirklich neu an seinem Motor sei nur ein stationärer Ölring für die äußeren Kolben, gibt sich Hofbauer bescheiden, "alles andere ist klassische Automobiltechnik, die wir von den bekannten Automobilzulieferern beziehen."

Tatsächlich hat der erfahrene Tüftler die konventionellen Motorteile komplett neu zusammen gesetzt. Statt in Rente zu gehen, sammelte der Professor mehr als fünfzig Patente rund um einen neuen Gegenkolbenmotor. Die Opoc-Idee (Opposed Piston Opposed Cylinder Engine - zu Deutsch: gegenüberliegende Kolben, gegenüberliegende Zylinder) ist so alt, wie das Auto selbst: 1877 ließ sich Ferdinand Kindermann einen Motor patentieren, in dem zwei Kolben wie klatschende Hände aufeinander zu laufen.

Durch den gemeinsamen Brennraum geht weniger Energie im Zylinderkopf verloren. Außerdem müssen die Kolben beim Job-Sharing jeweils nur die halbe Strecke zurücklegen. Die geringere Reibung im Gesamtsystem trage allein schon acht Prozent zur Verbrauchsminderung bei, rechnet Hofbauer vor. Vorteile bei der Thermodynamik und dem Gaswechsel ohne Ventile brächten noch einmal denselben Effizienzgewinn.

Das Gegenkolbenprinzip hatte bei der Deutschen Lufthansa schon vor Jahrzehnten einen guten Ruf. Es war stark, zuverlässig und verbrauchte wenig Kraftstoff. Am 27. März 1938 wurde eine Do 18 mit den Junkers-Triebwerken in die Luft katapultiert. Zwei Tage später landete das rund 20 Meter lange Flugboot nach 8392 Kilometern in Brasilien.

Trotz des Weltrekords setzte sich der Antrieb nicht durch, weil die außen liegenden Kurbelwellen aufwändig synchronisiert werden mussten. Bei der Do 18 führten fünf massive Zahnräder die Kräfte zusammen, um den Propeller anzutreiben.

Die Markenhersteller halten sich noch bedeckt

"Ich kenne derzeit mindestens sechs Versuche, einen Gegenkolbenmotor mit zwei Kurbelwellen zu machen" sagt Peter Hofbauer, "einer hat auch bereits Euro 6 erreicht. Das sind Weiterentwicklungen des Junkers-Flugmotors, der schon in den dreißiger Jahren ohne Tankstopp von Frankfurt nach Kapstadt flog. Kraftstoffverbrauch und Leistungsdichte waren ihrer Zeit weit voraus, nur die Mechanik machte Probleme."

Der Ecomotor verfügt über eine entscheidende Innovation: Wie bei einem flachen Boxermotor teilen sich jeweils zwei gegenüber liegende Zylinder eine Kurbelwelle. Da die äußeren Kolben über Zugstangen mit der Kurbelwelle verbunden sind, werden die bewegten Massen besser ausgeglichen als in einem Boxer. Zudem kann das Kurbelgehäuse auch wegen der kurzen Kolbenwege viel kompakter ausfallen.

Der leichte Hochleistungsmotor erreicht mit vier Kolben in zwei Brennräumen Leistungen von 100 kW und mehr. Für den erwähnten Diesel-Lkw-Motor werden einfach zwei der Motormodule gekoppelt - wovon eines bei Teillast abgeschaltet werden kann.

Das genial einfache Opoc-Konstruktionsprinzip hat vor wenigen Wochen auch Navistar überzeugt. Innerhalb von sechs Monaten will der führende Hersteller von Nutzfahrzeug-Dieselmotoren den Antrieb eines schweren Lastwagens bei gleicher Leistung auf ein Drittel des Gewichts trimmen. Danach soll ein entsprechender 7,5-Tonner in Serie gehen.

Auf der Suche nach einem effizienten Hubschrauberantrieb stießen auch die US-Militärs auf den kompakten Diesel. Der Zweitakter war inklusive des benötigten Kraftstoffs leichter als eine Gasturbine. Im vergangenen Sommer legte EADS mit einem Hybrid-Helikopter-Konzept nach. Das größte europäische Luftfahrtunternehmen zeigte auf der ILA in Berlin eine Studie mit Opoc-Diesel, die den Verbrauch glattweg halbiert.

Seit dem Einstieg von Navistar habe sich die Situation völlig verändert, berichtet Peter Hofbauer. Zulieferer wären nur allzu gerne bereit, die Newcomer mit Komponenten zu versorgen. Der chinesische Autozulieferer Zhongding will den Zweitakter, der grundsätzlich jeden Kraftstoff verträgt, sogar selbst im Pkw auf den Markt bringen.

Doch die bekannten Autohersteller halten sich noch bedeckt - obwohl hochrangige Vertreter aller US-Marken bei Hofbauer zu Besuch waren. In Kombination mit einem leichten Elektromotor soll ein künftiger Opoc-Trihybrid sogar mehr als die Hälfte des Kraftstoffs sparen - und würde dann immer noch in einen flachen Sportwagen passen.

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