Zukunftspläne des Herstellers:Nur Tesla kann das E-Auto aus der Nische holen

Tesla Opens Flagship San Francisco Store

Das SUV Model X bei der Eröffnung eines neuen Tesla-Flagship-Stores in San Fransisco.

(Foto: Bloomberg)

Während andere Hersteller zögern, arbeitet Tesla am günstigen Elektroauto und zieht seine gigantische Batteriefabrik hoch. Eine riskante Wette - doch die Kalifornier werden ihren Vorsprung vergrößern.

Analyse von Joachim Becker

Es ist eine Geschichte der gesammelten Irrtümer, die Elon Musk gerne erzählt: "Tesla entstand aus Ideen, die sich als umwerfend naiv erwiesen", gestand er Ende Mai auf einem Investorentreffen in Kalifornien. "Wir hatten keine Ahnung, was wir taten, und die Erfolgsaussichten lagen höchstens bei zehn Prozent", kommentierte der Tesla-Boss die chaotischen Ursprünge seines Elektro-Start-ups. Mit einer Truppe von Idealisten wollte Musk einen autobahntauglichen Elektrosportwagen bauen - um zu beweisen, dass Batterieautos sexy sein können.

Der Versuch, die Welt zu retten, ging gehörig in die Hose. Der Elektroantrieb von AC Propulsion passte nicht in den kleinen Benzinsportler Lotus Elise. Auch sonst war das Projekt ein einziges Desaster. "Am Ende konnten wir lediglich sechs bis sieben Prozent der originalen (Elektro-)Technik verwenden und mussten lernten, dass es besser ist, vieles selbst zu machen", erinnert sich Musk.

Die Tesla-Akkus alterten im Zeitraffer

Ein wackeliger Roadster mit klappernden Konsolen und Spaltmaßen groß wie Briefkastenschlitze - sieht so eine Weltrevolution aus? Schlimmer noch: Die ursprünglich luftgekühlte Batterie konnte bei einem Sportwagen nicht funktionieren: "Auf der Premierenparty 2006 veranstalteten wir die ganze Nacht Probefahrten. Schließlich waren die Wagen wegen Überhitzung völlig zerstört. Es endete damit, dass wir Eiswasser in die Fahrzeuge pumpten, um die Batterien zu kühlen", berichtet der Tesla-Gründer.

Auch ohne thermische Kettenreaktion alterten die Akkus im Zeitraffer. Sind Rundzellen vom Typ 18650, die damals noch in Laptops eingesetzt wurden, chemisch überhaupt stabil genug für ein ganzes Autoleben? Nur Tesla hat es gewagt, die kleinen Zylinder mit 18 Millimeter Durchmesser und 65 Millimeter Länge in Batterieautos einzusetzen. Das Risiko war groß - aber noch größer war der Vorsprung bei der Energiedichte.

Teslas Vorsprung aufzuholen wird Jahre dauern

"Die wesentlichen Vorteile der von Tesla eingesetzten kleinformatigen Panasonic-18650-Rundzellen liegen in der Energiedichte von derzeit rund 250 bis 270 Wattstunden pro Kilogramm", sagt Axel Thielmann vom Fraunhofer Institut für Innovationsforschung ISI. Alle anderen Autohersteller haben dagegen auf großformatige prismatische oder Pouch-Zellen gesetzt, die auf Zellebene nur 150 bis 160 Wh/kg erreichten, erläutert der Batterieexperte aus Karlsruhe.

Das gilt auch für den BMW i3, der wegen seiner Karbonkarosserie als Innovationsführer gefeiert wird. Doch auf Zellebene hat der kleinste BMW bislang bloß 120 Wh/kg geschafft. Die neue 33-Kilowattstunden-Batterie lässt die nominale Reichweite zwar mit 170 Wh/kg auf 300 Kilometer steigen. Um den Vorsprung von Tesla aufzuholen, wird BMW (wie alle anderen Autohersteller) aber noch ein paar Jahre brauchen.

Wie lang halten die Tesla-Akkus?

Abzuwarten bleibt, ob der Fahrspaß in den Tesla-Modellen von Dauer ist. "Die Haltbarkeit der Rundzellen vom Typ 18650 ist viel besser, als unsere Experten damals vermutet hatten", meint Oliver von Radowitz, Niederlassungsleiter von Tesla in Stuttgart. Laut dem Fraunhofer Institut für Innovationsforschung ist die Lebensdauer allerdings deutlich geringer als bei den großformatigen Zellen von Samsung SDI, die im BMW i3 rund 15 Jahre halten sollen. Noch hat kein Model S Teslas Garantiegrenze von acht Jahren oder die angestrebten 1000 vollen Ladezyklen erreicht. Erste Studien zur Alterung der Model-S-Batterie geben allerdings keinen Grund zur Besorgnis. Bei den allermeisten Fahrzeugen zeigen sie einen linearen Rückgang der verfügbaren Kapazität.

Nach diversen Anläufen zu einer neuen Elektromobilität hat erst Tesla den Durchbruch geschafft. Weil die Kalifornier top-down in den Markt einstiegen, können die Luxusautos wie das Model S und X beim Energiespeicher aus dem Vollen schöpfen: Die rund 7000 Panasonic-Akkus kommen mitsamt Stahlpanzer und Kühlsystem auf knapp 700 kg Gewicht. Bei einer Kapazität von bis zu 90 Kilowattstunden werden die einzelnen Zellen bei normaler Fahrweise nicht über Gebühr belastet. Ärger gibt es lediglich mit Öko-Schnorrern, die täglich an den Tesla-Superchargern umsonst Strom zapfen. Das Schnellladen stresst die Batterie und lässt sie schneller altern.

Eine Wachstumsstrategie voller Risiken

Der "insane mode" - also der Irrsinnsmodus, wie Tesla es beim Extremspurt nennt - funktioniert auch bei der Firmenentwicklung überraschend gut. Weder die ständigen Technikprobleme noch die Ankündigung des 13. Verlustquartals in Folge können die Investoren abschrecken. Fast eine halbe Milliarde Euro Miese im ersten Halbjahr scheinen weniger schwer zu wiegen als die weiteren Wachstumsaussichten: "Dieses Jahr wollen wir 80 000 bis 90 000 Fahrzeuge produzieren. Wegen der hohen Nachfrage haben wir das Produktionsziel von 500 000 Fahrzeugen pro Jahr von 2020 auf 2018 vorgezogen. Hoffentlich klappt das", so Radowitz.

Wie üblich steckt die rapide Wachstumsstrategie der Kalifornier voller Risiken. "Unser Hauptproblem ist: Wo bekommen wir erschwingliche Batterien her? 2020 werden wir bei Tesla die weltweite Batterie-Gesamtproduktion von 2013 brauchen", erklärt Oliver von Radowitz.

Die Gigafactory: Eine Schnapsidee wird Wirklichkeit

Tesla will Stromer als erster Hersteller zum Massenartikel machen. Mittlerweile überbieten sich auch Audi, BMW, Mercedes, VW und Porsche mit der Ankündigung neuer Elektroarchitekturen. Wenn Audi-Chef Rupert Stadler von 25 Prozent Elektromobilen im Jahr 2025 redet, bleibt er allerdings eine zentrale Antwort schuldig: Wo sollen die Batterien dafür herkommen?

Tesla stellt sich die Frage schon länger. Um das Problem zu lösen, hatte Elon Musk wieder so eine Schnapsidee: Mitten in der Wüste von Nevada eröffnete er gerade die potenziell größte Batteriefabrik der Welt. Eine Flugstunde vom Werk in Fremont entfernt wollen Tesla und Panasonic rund fünf Milliarden Euro investieren. In der finalen Ausbaustufe sollen 6500 Arbeiter ab 2020 jährlich 50 Gigawattstunden an Lithium-Ionen-Batterien produzieren.

Halb Tech-Company, halb Glaubensgemeinschaft

Ein Vorteil von Teslas Gigafactory wird die geplante Senkung der Batteriekosten um 30 Prozent sein. Dabei profitieren die Kalifornier schon jetzt von Schnäppchenpreisen bei den altgedienten Rundzellen: Derzeit liegen die 18650-Akkus mit Zellkosten von 150 bis 180 Euro pro Kilowattstunde in Führung. "Bei großformatigen Zellen befinden sich die Preise je nach Hersteller zwischen 200 bis 400 Euro pro Kilowattstunde", sagt Axel Thielmann, "auch wenn die Zellen teilweise unterhalb der Produktionskosten auf den Markt gebracht werden."

BMW nennt für den 33-kWh-Austauschakku des i3 einen Preis von rund 7000 Euro, was auf einen Zellpreis am unteren Ende der Preisspanne schließen lässt. Trotzdem werden die Münchner auf absehbare Zeit keinen Stromer anbieten, der als Erstauto für die ganze Familie funktioniert. Ein entsprechendes Modell über dem i3 wurde wegen der verhaltenen Nachfrage nach dem City-Mobil erst einmal gestoppt.

Endlich wird auch die Batterieproduktion umweltfreundlich

Eine derart zögerliche Haltung ist Elon Musk fremd. Alles auf Angriff, das ist die Devise der Kalifornier: Die reduzierten Zellpreise sind der Türöffner für einen Volks-Tesla, der den Wettbewerbern die Rücklichter zeigen soll. Kein Experte glaubt zwar, dass schon 2018 eine halbe Million Fahrzeuge im Werk Fremont vom Band laufen werden. Doch der Einstandspreis von rund 31 000 Euro netto für das neue Model 3 elektrisiert nicht nur deutsche Autobosse. 400 000 Vorbesteller, die jeweils knapp 1000 Euro angezahlt haben, wollen das familientaugliche E-Mobil haben. Die elektrische Reichweite von 345 Kilometer im anspruchsvollen US-amerikanischen Normzyklus und der Sprint von 0 auf 100 km/h in weniger als sechs Sekunden könnten die Stromer aus der Nische katapultieren.

Elektroautos für den Massenmarkt - das war schon vor zehn Jahren das erklärte Ziel von Musk. Für die Großserienproduktion in der Gigafactory wird das Zellformat etwas vergrößert (20700), um den Anteil des passiven Hüllmaterials und damit das Gewicht der Batterie zu senken.

Der wichtigste Vorteil der Gigafactory ist aber eine saubere Umweltbilanz. Um die großen Tesla-Batterien mit bis zu 90 Kilowattstunden Kapazität zu produzieren, werden bisher mehr als zehn Tonnen CO₂ freigesetzt. Eine positive Energiebilanz stellt sich frühestens nach rund 100 000 mit Grünstrom gefahrenen Kilometern ein. Künftig soll bei der Batteriefertigung in der Wüste Nevadas lediglich Solar- und Windstrom zum Einsatz kommen. Damit verlieren die vermeintlichen Öko-Autos einen entscheidenden Nachteil gegenüber konventionellen Fahrzeugen. Auch bei der Umweltbilanz müssen die Wettbewerber also schleunigst nachziehen, wenn sie von Tesla nicht abgehängt werden wollen.

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