Zukunftsperspektiven für Lastwagen:Truck von allen Seiten

auto 24.08.

Soll 25 Prozent Verbrauchsersparnis gegenüber aktuellen Lastwagen bieten: die MAN-Studie Concept S.

(Foto: MAN Truck and Bus)

Etwa drei Millionen Nutzfahrzeuge könnten bis 2030 auf unseren Straßen rollen, die Gesamtfahrleistung schwerer Lkw soll sich mittelfristig verdoppeln - ein Problem für Verkehr und Umwelt. Lösungen sind gefragt.

Von Joachim Becker

Ferienzeit ist Stauzeit. Wenn Urlauber- und Lastwagen-Karawanen aufeinandertreffen, geht auf vielen Fernstraßen nichts mehr. Dann wandelt sich der große, versorgende Bruder des Personenwagens zum Rivalen um den knappen Verkehrsraum im Land. Hitzegeplagte Familien sehen die Giganten der Straße nur noch als Hindernisse auf dem Weg in die Berge oder ans Meer. "Elefantenrennen" zwischen voll ausgelasteten 40-Tonnern werden zur Geduldsübung für den gestressten Autofahrer. Und Wohnwagengespanne wetteifern mit den Lastzügen auch noch um die letzten freien Autobahnparkplätze.

Dass jeder Deutsche durchschnittlich rund 35 Tonnen Güter pro Jahr - natürlich möglichst schnell - auf der Straße transportieren lässt, gerät dann in Vergessenheit. Gefühlt sind viel zu viele Brummis im größten Transitland Europas unterwegs. Die Mauteinnahmen des vergangenen Jahres in Höhe von 4,6 Milliarden Euro können die brodelnde Volksseele kaum abkühlen.

Hauptträger des Güterverkehrs

Schon ahnt der Laie, was unter Experten unumstritten ist: Der Lastwagen hat mit knapp drei Viertel der gesamten Tonnenkilometer Bahn und Schiff längst abgehängt. Als Hauptträger des Güterverkehrs werden die (maroden) Straßen immer wichtiger. Die Zahl der Nutzfahrzeuge hat sich in Deutschland seit 1990 um zwei Drittel auf 2,6 Millionen erhöht. Bis 2030 soll der Gesamtbestand laut einer Shell-Studie auf rund drei Millionen steigen - Transitverkehr aus anderen Ländern noch gar nicht eingerechnet. Alarmierend ist auch, dass sich die Gesamtfahrleistung schwerer Lastwagen mittelfristig verdoppeln soll. Dann werden die Stauszenarien der Urlaubszeit vielerorts zur tristen Alltagsrealität.

Einen Ausweg sucht die Politik bei den sogenannten Lang-Lkw: In einem rund fünfjährigen Feldversuch dürfen bis zu 25 Meter lange Sattelzüge auf ausgesuchten Strecken in Deutschland unterwegs sein. Doch die genügsamen Packesel werden nicht als Entlastung gesehen, sondern ziehen den Unmut der Autofahrer auf sich - obwohl sie so selten sind wie weiße Elefanten.

Gigaliner sind in Deutschland unbeliebt

71 Prozent der Deutschen sprechen sich in einer aktuellen Umfrage gegen die geplante Einführung der Lang-Lkw, die sogenannten Gigaliner, aus. Als Gründe für die Ablehnung werden in erster Linie Straßenschäden und Sicherheitsrisiken genannt. Dass zwei Gigaliner die Last von drei konventionellen Sattelzügen straßenschonender transportieren - also umweltfreundlicher sind und das Verkehrsaufkommen potenziell verringern können - fällt dabei kaum ins Gewicht. Noch wesentlich ausschlaggebender als die Effizienzsteigerungen in den Praxistests um bis zu 30 Prozent ist das David-gegen-Goliath-Gefühl. Auch Europas größter Automobilklub schürt die Angst vor den "Monstertrucks": Ein 100 km/h schnelles Kompaktauto benötige 149 Meter zum Überholen eines Lang-Lkw mit Tempo 80 - das Ein- und Ausscheren noch gar nicht mitberechnet. Damit werde der Weg für das Manöver 44 Meter länger als bei einem herkömmlichen Sattelzug mit 16,5 Meter Gesamtlänge, so warnt der ADAC.

Im Straßenkampf Groß gegen Klein führen die Gigaliner nur noch Rückzugsgefechte: Lediglich 40 überlange Testfahrzeuge sind in Deutschland unterwegs - das Verkehrsministerium hatte mit zehn Mal so vielen Anträgen gerechnet.

Lkw müssen windschnittiger werden

Künftig werden die Schwerlasttransporter wohl dennoch moderat wachsen, denn die EU-Kommission will den Weg für windschnittige Lastzüge frei machen. Ihre Anhänger könnten demnach um bis zu zwei Meter länger werden, um kräftezehrende Verwirbelungen am Heck zu minimieren. Mercedes und Schmitz Cargobull haben mit einem seriennahen Aerodynamics-Trailer den Kraftstoffverbrauch bereits um 4,5 Prozent reduziert. Bei dem MAN Concept S in Verbindung mit dem Krone-Trailer AeroLiner sollen sich durch einen extrem niedrigen Luftwiderstandsbeiwert auf Personenwagen-Niveau sogar bis zu 25 Prozent Kraftstoff und damit CO2 einsparen lassen. Die Frage ist nur, wann die fragilen, stoßanfälligen Windbleche ihre Mehrkosten gegenüber herkömmlichen Aufliegern wieder eingespielt haben.

Selbst strömungsgünstige Langnasen-Lastzüge mit Spoilern werden die Energiebilanz des Straßengüterverkehrs nicht entscheidend verbessern. Schon heute entsteht dabei mit 96 Gramm mehr als vier Mal so viel CO2 pro Tonnenkilometer wie beim Gütertransport auf der Schiene. Während die Deutsche Bahn ihre Emissionen bis 2020 nochmals um 20 Prozent gegenüber 2006 senken will, erhöht sich der Ausstoß des Klimagases mit der ansteigenden Lastwagenflut. Zwar hat sich die Energieeffizienz der einzelnen Brummis in den vergangenen 20 Jahren um rund 30 Prozent verbessert. Mit der Einführung der EU-6-Abgasnorm im nächsten Jahr sinken auch die Schadstoffwerte bis an die Nachweisgrenze. Doch von einer grünen Vision wie einem völlig CO2-freien Schienenverkehr im Jahre 2050 können Straßenspediteure nur träumen. Absehbar ist, dass die meisten Langstrecken-Lastzüge auch im Jahr 2030 noch mit Diesel befeuert werden. Mit weniger als 25 Liter Kraftstoff auf 100 Kilometer werden sie wohl kaum auskommen.

Auswege aus der miesen Klimabilanz

Im Bermuda-Dreieck von Technik, Wirtschaftlichkeit und Infrastruktur suchen die Experten händeringend nach Auswegen aus der miesen Klimabilanz. In ihrer Innovationsinitiative "Zukunft Lkw" prüft die Regierung derzeit den Einsatz alternativer (Bio-)Kraftstoffe, die Elektrifizierung und langfristige Optionen wie Wasserstoff. Schließlich hat sich Deutschland verpflichtet, die Emission von Treibhausgasen bis 2020 um 40 Prozent und bis 2050 um 80 Prozent gegenüber 1990 zu senken.

Ist Gasantrieb eine Alternative?

Eine naheliegende Alternative für die Straße sind Lkw mit Gasantrieb. Während herkömmliches Druckgas wegen der schweren Tanks nur für kürzere und mittlere Strecken sinnvoll einsetzbar ist, können schwere Trucks mit tiefkaltem Flüssiggas (LNG - Liquid Natural Gas) betrieben werden. "In dieser Technik sehen wir enormes Potenzial. Die CO2-Emissionen können wir so um zehn Prozent und mehr reduzieren; der Partikelausstoß tendiert gegen null. Und unsere Kunden können bei den Kraftstoffkosten etwa ein Drittel sparen", erklärt Daimler-Nutzfahrzeugvorstand Wolfgang Bernhard.

In den Niederlanden sind bereits heute rund 60 LNG-Brummis von Iveco mit einer Reichweite von rund 750 Kilometer unterwegs. Tatsächlich dürfen die Lastzüge nicht länger als ein paar Tage stillstehen. Sonst verdampft ein Teil der mindestens minus 120 Grad kalten Flüssigkeit und entweicht aus den hoch isolierten Drucktanks. Da Methan einen etwa 25-mal so hohen Treibhausgaseffekt wie CO2 hat, lassen Stillstandzeiten von mehr als einer Woche den positiven Klimaeffekt des Gasantriebs ins genaue Gegenteil umschlagen. Allerdings laufen die teuren und leistungsstarken Langstrecken-Brummis beinahe im Dauerbetrieb, um ihre ohnehin knappen Margen einzufahren. Im Rahmen des EU-Förderprojekts "LNG Blue Corridors" sollen in den nächsten Jahren daher mehrere LNG-Tankstellen entlang der Hauptverkehrsrouten in ganz Europa entstehen.

In den USA ist die leise und saubere Alternative zum Diesel bereits seit geraumer Zeit auf dem Vormarsch. Dank der weit verbreiteten, unkonventionellen Fördermethoden kostet Erdgas dort nicht einmal halb so viel wie in Europa.

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