Zukunft von Mercedes:Der Stern soll weiter leuchten

Automobiles On Display At The Auto Mobil International Show

Bis 2020 will Mercedes 30 neue Modelle auf den Markt bringen

(Foto: Bloomberg)

Neues Image, gute Zahlen, attraktive Modelle: Mercedes ist erfolgreicher als je zuvor. Ein Blick hinter die Kulissen und in die Zukunft, die viele neue Modelle bringt.

Von Georg Kacher

Die Wende kam mit der neuen A-Klasse, obwohl die nach wie vor fast jeden Vergleichstest der Fachpresse verliert. Zu eng, zu unkommod, zu mutig und damit zu wenig markenkonform. Doch vielleicht kommt der Wagen bei den Kunden genau deshalb besser an als bei den Motorjournalisten. Denn auch für Mercedes-Käufer ist Emotion letztlich wichtiger als mehr Kopffreiheit im Fond, mehr Durchladebreite im Kofferraum und mehr Geschmeidigkeit im Fahrwerk. Die aktuelle A-Klasse mag polarisieren, aber sie hat die pragmatische Betulichkeit des Vorgängers eingetauscht gegen ein Plus an Präsenz und Prestige, wie gehabt gepaart mit solider Technik.

Für den Paradigmenwechsel vom schmalen Hochdachmodell mit Sandwichboden zum breiten und bulligen Hingucker waren in erster Linie der Vorstandsvorsitzende und sein Chefdesigner Gorden Wagener verantwortlich. Der eine traut sich einen frechen Strich, der andere schirmt ab gegen die immer kleinere Schar der hausinternen Bedenkenträger. Gemeinsam verabschiedet man dann Bemerkenswertes wie den CLS und CLA Shooting Brake oder den gerade präsentierten, 510 PS starken AMG GT-S, der rund 30 000 Euro weniger kostet als ein Porsche 911 Turbo. Wer hätte das gedacht: Mercedes kann sogar günstig.

Die neue S-Klasse beschert den Schwaben Rekordgewinne. Schon 100 000 Stück wurden verkauft

Anders als Audi A8 und BMW Siebener, die in die Jahre gekommen sind und sich bei den Händlern die Breitreifen platt stehen, beschert die S-Klasse den Schwaben Rekordgewinne - im ersten Produktionsjahr wurde die neue Ausgabe 100 000 Mal verkauft. Kein Wunder, dass Mercedes da nachlegt. Mit dem S-Klasse Coupé, einem viersitzigen Luxus-Cabrio, dem extralangen Pullman und dem besonders opulent ausgestatteten Maybach. Eigentlich war darüber hinaus noch ein viertüriges Coupé geplant, doch da hatten die Entscheider wohl Angst vor der eigenen Courage.

Trotzdem konzentriert die Marke ihre Investitionen auch in Zukunft auf die renditestarken Segmente. Ein wichtiges Instrument der Gewinnmaximierung und Höherpositionierung ist die PS-Schmiede AMG in Affalterbach. Dort entstehen nicht nur Sonderserien wie SLS und GT/S, sondern auch die Lustvarianten der Volumenmodelle. Der 360 PS starke A45 AMG war für die neue A-Klasse eine wichtige Anschiebhilfe, die Typen C63/E63/S63 fahren seit vielen Jahren satte Margen ein, die AMG-Editionen der G-Klasse sind aufgrund der exorbitanten Deckungsbeiträge längst die unumstrittenen Lieblinge der Controller.

AMG kalkuliert mit selbstbewussten Stückzahlen

Während BMW M nicht nur den M7 wiederholt totrechnet und bei der Audi Quattro GmbH das kleine Mittelmotorcoupé trotz Allradantrieb in den roten Zahlen feststeckt, kalkuliert AMG schon mal mit bewusst optimistischen Stückzahlen und Ausstattungsbestellraten. Als nächstes Zugpferd hat die Submarke einen extrem leichten und effizienten Supersportwagen angedacht, der in knapp sechs Jahren den GT/S ablösen soll. Natürlich nimmt AMG-Chef Tobias Moers auch fast alle Crossover-Derivate unter seine Fittiche. Das beginnt beim GLA45 AMG und zieht sich durch bis zu GLE und GLS, den Nachfolgemodellen der M-Klasse und des GL.

Doch AMG ist nicht nur zertifizierter Schnellermacher und erfolgreicher Imagebringer, sondern auch der neue Partner von Aston Martin Lagonda (AML) und MV Agusta. Die bescheidene Kapitalverflechtung mit den Engländern dürfte erst dann an Bedeutung gewinnen, wenn AML neben Triebwerken und Elektronikbausteinen auch mit kompletten Architekturen versorgt werden will. Der gerade geschlossene Deal mit dem italienischen Motorradhersteller MV Agusta knüpft genau dort an, wo AMG vor zweieinhalb Jahren den roten Ducati-Faden an Audi verloren hat.

Auch Mercedes vertraut auf modulare Architekturen

Abgesehen von Sonderfällen wie dem AMG GT/S oder der G-Klasse lassen sich die meisten neuen Mercedes-Modelle vier modular aufgebauten Architekturen zuordnen. Sie heißen MFA (Fronttriebler), MRA (Hecktriebler), MHA (Geländewagen) und MSA (Sportwagen). Die von drei verschiedenen Managern geführten Geschäftsfelder sind in einem weltweiten Produktionsverbund organisiert und werden von der modularen Powertrain-Architektur (MPA) mit Motoren und Getrieben versorgt.

Als wichtigster Wachstumstreiber gilt die zweite Auflage der A-/B-Klasse (MFA2), mit der Mercedes auf den Ausbau der BMW Einser/Zweier-Reihe und auf das Audi-Duo A3/TT reagiert. Den Anfang machen 2018 der A-Klasse-Nachfolger und eine viertürige Stufenhecklimousine. Für 2019 ist nicht nur ein A-Klasse Coupé fix eingeplant, sondern auch die zweite Generation des CLA samt Shooting Brake sowie die nächste B-Klasse. Völlig neu und absolut spektakulär ist der GLG, ein auf Wunsch siebensitziger Crossover mit langem Radstand, dessen Design sich am legendären G-Modell orientiert.

Variantenvielfalt auf A-Klasse-Basis

Die Neuauflage des GLA (2020) dürfte deutlich höher und geräumiger ausfallen, was Platz schaffen würde für ein GLA Coupé als Gegenstück zu BMW X2 und Audi TTQ. Noch nicht entschieden, aber in Diskussion sind darüberhinaus eine zweitürige A-Klasse Shooting Brake mit steiler Heckklappe und ein kompakter SLA Roadster mit vollkommen eigenständigem Design und knapp sitzender Stoffkapuze.

Die Variantenvielfalt von MFA2 basiert auf einer hochflexiblen neuen Matrix, die unterschiedliche Radstände und Spurweiten ermöglicht, zwei verschiedene Hinterachs-Lösungen vorsieht, alternative Antriebslösungen berücksichtigt (Hybrid, E-Motor, Gas, Brennstoffzelle) und erstmals ein neues Interieurkonzept mit Touchscreen-Bedienung umsetzt. Motorisch liegt der Schwerpunkt weiterhin beim Vierzylinder, getriebetechnisch ist ein Doppelkupplungsräderwerk mit neun statt sieben Fahrstufen in Vorbereitung. Kooperationspartner Infiniti plant zwei MFA2-Derivate, den Q30-Nachfolger und einen Q30-Crossover mit langem Radstand.

Komplettrenovierung der E-Klasse

Die Mercedes-Produktoffensive findet in der Mittelklasse ihre Fortsetzung. Von der C-Klasse kommt schon 2015 ein formal eigenständiges Coupé. Mitte 2016 folgt ein viersitziges Cabrio mit Stoffverdeck. Eine ganze Nummer größer sind die neuen E-Klasse-Zweitürer, die allerdings erst 2017 in Serie gehen. Coupé und Cabrio sollen deutlich mehr Platz bieten als der bei vergleichbarer Motorisierung fast 20 000 Euro teurere BMW Sechser. Die Markteinführung der nächsten E-Klasse (Limousine und Kombi) ist für 2016 vorgesehen. Nicht vor 2018 wird die dritte Auflage des CLS als Coupé und Shooting Brake vorgestellt. Die Rolle der als R-Klasse-Nachfolger gedachten raumfunktionalen E-Klasse soll nun die V-Klasse übernehmen.

Die neue Sportwagenarchitektur übernimmt zwar Elemente des MRA-Baukastens, setzt jedoch durch die tiefere Motoreinbaulage und die Aluminium-intensive Materialwelt andere Akzente. SLK und SL teilen sich in Zukunft erstmals die gleiche DNA, unterscheiden sich aber vermutlich durch unterschiedliche Dachkonzepte. Das kleinere Modell (2021) bleibt dem Klapptop treu, der SL (2020) soll eine Kapuze aus Stoff tragen. Noch ist das Design nicht verabschiedet, doch der Flurfunk berichtet von zwei modern proportionierten Zweisitzern ohne ausgeprägte Keilform und prollige Blechmuskeln, aber mit ungewöhnlich breitem und flachem Aufbau. Keine Frage: Die Marke ist dabei, sich auch optisch zu emanzipieren, ohne bei Stilikonen aus der Vergangenheit abzukupfern.

Sogar Smart ist inzwischen vom Crossover-Virus befallen. Geplant ist ein Modell auf Renault-Basis

Dass viele der 30 neuen Modelle, die Mercedes bis 2020 auf den Markt bringen will, vom anhaltenden SUV-Boom profitieren, kann keine Überraschung sein. Den Anfang macht schon im nächsten Jahr der im Windkanal glattgeschliffene GLK-Nachfolger GLC, dem ein Jahr später ein sportlich-elegantes Coupé folgen wird. Auch von der facegelifteten M-Klasse (GLE) ist zeitnah eine Coupé-Variante fix eingeplant. Der projektierte Coupé-Ableger des großen GL (GLS) fiel allerdings ebenso dem Rotstift zum Opfer wie das Maybach-Topmodell.

2016 wird die G-Klasse runderneuert und für die nächsten zehn Jahre fit gemacht. Das SUV-Urgestein soll deutlich breiter und trotzdem um bis zu 300 Kilo leichter werden. Ebenfalls neu sind das Cockpit, der schlankere Rahmen, die Elektrolenkung und die Mehrlenker-Vorderachse. Das Design des kultigen Kantenhaubers wird aber nur dort verändert, wo der Gesetzgeber darauf besteht. Der Crossover-Virus hat inzwischen sogar Smart infiziert. Die Kleinwagenmarke liebäugelt derzeit mit einem bunt eingekleideten Crossover auf Renault- oder Nissan-Basis.

Hybridantriebe spielen eine kleinere Rolle als geplant

Die Motorenpalette wird in den kommenden Jahren entweder neu geordnet oder komplett umgestellt. Analog zu BMW setzt auch Mercedes auf gleiche Zylinderinhalte sowie auf eine Verblockung zwischen Diesel und Benziner und zwischen Vier- und Sechszylinder. 2016 wird der V6 von einem in der Herstellung günstigeren Reihenmotor abgelöst. Mit Spitzenleistungen von 435 PS beim Benziner und 408 PS beim Diesel stehen die neuen Aggregate ausgesprochen gut im Futter. Trotzdem bleibt der V8 ebenso im Programm wie der betagte, aber kontinuierlich gepflegte V12.

Die Hybridpalette wird zunächst nicht ganz so breit ausgerollt wie ursprünglich vorgesehen. Den Mild-Hybrid hat Mercedes nämlich ebenso gestrichen wie die schwächere Plug-in-Applikation mit dem 82 PS starken E-Motor. Stattdessen setzen die Stuttgarter mittelfristig auf einen größeren Hybrid-Baustein mit einheitlich 122 PS, der mit unterschiedlichen Vier- und Sechszylindern kombiniert wird.

Nachdem das Unternehmen diese Woche seine Tesla-Anteile abgestoßen hat, nimmt ein eigenes großes Elektroauto immer deutlichere Formen an. Ähnliches gilt übrigens für Audi und BMW, die mit Mercedes über ein innovatives Ladekonzept diskutieren, das sich ganz bewusst vom Supercharger-Prinzip der Amerikaner unterscheidet. Das E-Auto böte den deutschen Premiumanbietern erneut die Chance, systemübergreifend gemeinsame Sache zu machen. Doch das Alles-selbst-Syndrom ist wohl übermächtig - zur Freude von Zulieferern, die vergleichbare Leistungen mehrfach abrechnen können.

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