Zukunft des Dieselmotors:Invasion der Verbrauchszwerge

Dieselmotor, der erste LKW mit Direkteinspritzung, 1924First injection engine truck, 1924.

So sah es aus, das erste Auto, das mit einem Dieselmotor fuhr: ein LKW mit Direkteinspritzung im Jahr 1924.

(Foto: MAN)

Dieselmotoren galten bislang als unsexy Ackerschlepper, die vom Aussterben bedroht sind. In Wirklichkeit ist der Diesel lebendiger als je zuvor und hat es mittlerweile bis in die automobile Premiumklasse geschafft. Jetzt kündigt VW sogar einen Dreizylinder mit 100 kW Literleistung an.

Von Joachim Becker

Was für eine Karriere! Ölbrenner haben sich vom Lkw-Antrieb in die automobile Luxusklasse hochgearbeitet. Bis zuletzt schien der Aufstieg durch technische Hürden genauso versperrt zu sein wie durch die Abscheu einiger Kunden vor dem stinkenden Treibstoff und dem schädlichen Rußausstoß. Noch 2005 lehnte der damalige Porsche-Entwicklungsvorstand einen vermeintlich lahmen Selbstzünder im Modellprogramm ab: "Die klassischen fahrdynamischen Eigenschaften, die wir bei Porsche-Fahrzeugen realisieren und die unsere Kunden außerordentlich schätzen, sind mit Dieselkonzepten nicht umsetzbar", versicherte Wolfgang Dürheimer, "denn wenn ein Diesel seine Nenndrehzahl erreicht, schalten Sie im benzingetriebenen Fahrzeug noch zwei Gänge zurück - für den nächsten Überholvorgang."

Acht Jahre später hat sich die Welt weitergedreht: Porsche gehört zur Volkswagengruppe, Wolfgang Dürheimer ist Audi-Entwicklungschef und die Sechs- und Achtzylinder-Diesel von Porsche (aus dem VW-Regal) stoßen auf anhaltend große Nachfrage. Ein wohltuend tiefgründiger Bass im Cayenne und Panamera lässt das laute Diesel-Nageln von einst vergessen. Zudem kaschieren rasant schaltende Automatikgetriebe geschickt das Drehzahllimit des Selbstzünders bei etwa 5500/min.

Hoch aufgeladene Diesel machen kleine Dreizylinder zum Standardantrieb

Noch beeindruckender als die 382 PS des Achtzylinder-Diesels aus Zuffenhausen ist der ein PS schwächere Ölbrenner von BMW: Er kommt mit sechs Zylindern aus, denen drei Turbolader gehörig Dampf machen: Mit einer spezifischen Leistung von 93,6 kW (127,3 PS) holt der Triturbomotor mehr Power aus jedem Liter Hubraum als alle Großseriendiesel zuvor. Mit der Beschleunigung von 0-100 km/h in 4,7 Sekunden bewegt sich der vermeintliche Antrieb für Ackerschlepper auf Porsche-Niveau. Selbst vier angetriebene Räder haben Mühe, die brachiale Zugkraft von 740 Nm auf die Straße zu bringen. Außerdem widerlegt der Hochleistungsdiesel mit einem Gewicht von rund 200 Kilogramm entsprechende Bedenken Dürheimers von 2005: "Dieselkonzepte sind schwergewichtig. Dabei geht es um eine Größenordnung von 80 bis 150 Kilogramm Mehrgewicht gegenüber einem Ottomotor. Das ist für uns als Sportwagenhersteller nicht akzeptabel." Was der damalige Porsche-Entwicklungschef nicht voraussah: Aufgrund der kontinuierlich steigenden spezifischen Leistung bieten sich Selbstzünder für ein radikales Downsizing an: Gleiche Leistung, weniger Zylinder - das spart sowohl Kraftstoff als auch Gewicht.

Volkswagen-Chef Martin Winterkorn kündigte auf dem Wiener Motorensymposium kürzlich einen Hochleistungsdiesel an, der eine zweistufige Aufladung mit einer zweistufigen Abgasrückführung kombinieren soll. Das Hochdruckeinspritzsystem drückt den Kraftstoff mit der schier unglaublichen Gewalt von 2500 bis 3000 bar in die Brennräume. Durch das Zusammenspiel eines Abgasturboladers und eines elektrischen Verdichters kommt der Motor schneller auf Touren, ein variabler Ventiltrieb erleichtert den Ladungswechsel. Die Kombination eines Hoch- und eines Niederdruckkreislaufs bei der Abgasrückführung soll den Diesel außerdem effizienter als jemals zuvor machen. Clou des Feinkost-Diesels ist ein Spitzenwert von 100 kW pro Liter Hubraum, den der Ölbrenner erreichen wird: Ein kleiner Dreizylinder reicht also locker aus, um einen VW Passat oder Tiguan anzutreiben - und den Verbrauch unter die Vierlitermarke beziehungsweise unter die Schwelle von 95 Gramm CO2 pro Kilometer zu treiben.

Drei Liter Verbrauch bis 2025? Ohne den Diesel wird das für größere Autos richtig teuer

Als Rudolf Diesel seinen ersten Ölbrenner 1897 zum Laufen brachte, holte das Einzylinder-Monstrum nur 20 PS aus rund 20 Liter Hubraum. Schon das erste funktionstüchtige Modell schaffte allerdings einen Wirkungsgrad von 26,2 Prozent - das war damals Weltrekord und ist noch heute ein Traumwert für die rivalisierenden Benziner. Diesel sind auch weiterhin eine gute Wahl für energieeffiziente Automobile, da sie eine teure Elektrifizierung des Antriebsstrangs weitgehend verzichtbar machen: "Zukünftig erscheinen Dieselfahrzeuge der Subkompaktklasse mit einer CO2-Emission kleiner 70 g/km im Bereich des technisch Machbaren", sagte Bosch-Chef Volkmar Denner auf dem Wiener Motorensymposium. Rund 1100 Kilo schwere Fahrzeuge wie der VW Polo könnten mit optimierten Selbstzündern den Drei-Liter-Durchschnittsverbrauch erreichen, den das EU-Parlament für 2025 vorgeschlagen hat.

Wenn der Diesel darüber hinaus mit den von Winterkorn genannten Maßnahmen aufgerüstet wird, kommt auch die automobile Mittelklasse bis 1400 kg Gewicht dem genannten Langfristziel näher: "In Summe sind CO2-Werte kleiner 90 g/km erreichbar. Dies entspricht einer Reduktion gegenüber den heute klassenbesten Dieselfahrzeugen von bis zu 15 Prozent - nur durch Optimierung des konventionellen Diesel-Verbrennungsmotors", prognostizierte Denner. Eine leichte und bezahlbare Hybridisierung mit einem zusätzlichen 48-Volt-Bordnetz könnte den Verbrauch laut Bosch noch einmal um rund zehn Prozent senken.

Außerdem erfüllen Diesel mittlerweile problemlos die Euro-6-Abgasnorm - und widerlegen auch damit Dürheimers Bedenken von 2005: "Aus unserer Sicht stecken die Dieselentwickler in einer gewissen Bedrängnis. Sie müssen außerordentliche Anstrengungen unternehmen, um die Schadstoffbilanz des Benziners zu erreichen. Das wird sehr viel Geld kosten und wird auch viel neue Technologie ins Auto bringen." Der gerade überarbeitete BMW Fünfer zeigt erstmals, dass eine gesamte Diesel-Modellfamilie die Euro-6-Limits erreichen kann, ohne sich aus dem Markt zu preisen. Die Selbstzündermodelle wurden im Schnitt zwar rund 1000 Euro teurer, bekamen aber mehr Serienausstattung. Übrigens haben auch viele Benziner ab 2016 ein Partikelproblem: Um die Euro-6c-Norm zu erfüllen, brauchen sie entweder einen Partikelfilter oder eine 300-bar-Direkteinspritzung. Zudem haben sie ihr Sparpotenzial weitgehend ausgeschöpft - schon das CO2-Ziel von 95 g/km wird für Ottos mit rund 1400 kg ohne eine leichte Hybridisierung kaum zu schaffen sein. Autos mit einem höheren Gewicht stehen technisch vor einer echten Herausforderung: "Fahrzeuge der Large/SUV-Klasse werden das CO2-Ziel für das Jahr 2020 allein durch die Optimierung des Verbrennungsmotors nicht erreichen. Aus heutiger Sicht wird neben weiterführenden Fahrzeugmaßnahmen eine Elektrifizierung beziehungsweise Hybridisierung zwingend erforderlich sein, was mit einem deutlichen Kostensprung verknüpft ist", so Bosch-Chef Denner.

2005 hatte Dürheimer noch vorausgesagt, dass es "in absehbarer Zukunft" keinen Selbstzünder im Porsche geben werde. Für 2025 könnte nicht nur das Porsche-Szenario völlig anders aussehen: Vielleicht wird es dann überhaupt keine Sportwagen, SUV oder ähnliche Spritschlucker mehr ohne einen Diesel oder Hybrid geben.

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