Zukunft der Luftfahrt:Fliegen wie von Geisterhand

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In fernerer Zukunft sollen Passagierjets ohne Pilot unterwegs sein und den Luftraum effizienter ausnutzen. Fraglich bleibt nur, ob das den Fluggast sonderlich begeistert.

Friedrich List

Verspätungen, Gedränge auf den interkontinentalen Routen, unzählige Warteschleifen rund um die internationalen Flughäfen, das Risiko von Beinahe-Zusammenstößen: Wie der Luftverkehr in 20 oder 30 Jahren funktionieren wird, ist gerade in Zeiten der Expansion entscheidend.

Die Zukunft im Cockpit: Die Sitze sind leer, die Steuerung läuft vollautomatisiert und der einstige Pilot heißt nun Systemmanager. (Foto: N/A)

Deshalb gehen derzeit Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der französischen Luftfahrt-Forschungsanstalt Onera zusammen mit Fachkollegen anderer europäischer Institute und der Industrie dieser Frage nach.

Im Rahmen des Projekts IFATS - das Kürzel steht für Innovative Future Air Transport System - untersuchen sie, in welcher Weise ein weitgehend automatisierter Luftverkehr realisiert werden könnte. Und die Forscher interessiert nicht nur, ob das im Grundsatz machbar wäre, sondern auch, ob der Luftverkehr damit effektiver und auch sicherer geführt werden könnte. Bereits seit Mitte des Jahres 2004 läuft das Forschungsprojekt; vorläufiger Höhepunkt der Untersuchungen war ein großangelegtes Experiment in einem DLR-Simulator.

Piloten, die ihren Kurs frei wählen, wären effektiver

Zurzeit koordinieren noch Fluglotsen den Luftverkehr von ihren Leitzentralen am Boden aus; die Piloten selbst müssen sich weitgehend auf deren Anweisungen und Angaben verlassen. Denn die Möglichkeiten, zum Beispiel kritische Annäherungen von anderen Flugzeugen zu erkennen und rechtzeitig zu reagieren, sind im Cockpit begrenzt.

Zudem wird die Nutzung des Luftraums durch das Netz der Luftstraßen und die Einteilung in Kontrollbereiche stark eingeschränkt. Experten gehen davon aus, dass das heutige Luftverkehrsnetz wesentlich effektiver wäre, wenn Piloten ihre Kurse frei wählen könnten.

Möglich wäre das durch ständige Datenverbindungen zwischen Flugzeug und Bodenleitstelle sowie zwischen den Jets untereinander. Flugversuche mit diesen sogenannten free-flight-Konzepten hat es bereits gegeben. Der Ansatz von IFATS aber geht einen entscheidenden Schritt weiter - im Cockpit sollen demnach keine Piloten mehr sitzen.

Der Pilot als Systemmanager

Und so soll das, was auf Anhieb erschreckend klingt, funktionieren: An Stelle der heute noch üblichen zwei- bis dreiköpfigen Cockpitbesatzung soll nur noch ein als Pilot qualifizierter Systemmanager an Bord sein. Und auch die Lotsen am Boden würden die Arbeit ihrer Leitsysteme nur noch überwachen und ausschließlich in Krisensituationen eingreifen. "Die Rolle des Menschen im System ist jedoch noch nicht geklärt", erläutert Dirk-Roger Schmitt, der am Braunschweiger DLR-Institut für Flugführung an IFATS mitarbeitet.

Im Regelfall würden der Bordcomputer des Flugzeugs und die Rechner der Bodenleitstelle den Flugplan und etwaige Abweichungen in der Luft automatisch miteinander abstimmen.

Alle Teilnehmer am Luftverkehr wären untereinander über Breitband-Funkstrecken verbunden - so hätten auch die Steuersysteme insbesondere der großen Passagiermaschinen ständigen Zugriff auf die Positionen anderer Flugzeuge in der Nähe, um Ausweichkurse zu vereinbaren.

Datenfunkverbindungen zwischen den Jets, mit global platzierten Bodenstationen und Satelliten sollen für Sicherheit im Luftraum sorgen; auch Starts und Landungen werden automatisiert. (Foto: Grafik: SZ)

Zudem geht das Projekt davon aus, dass Passagierjets in Zukunft keinen Luftstraßen mehr folgen, sondern einer Kette von geografischen Positionen, die jeweils zu einer festgelegten Zeit passiert werden müssen. Darüber hinaus soll jede der vom Computer gesteuerten Maschinen gleichsam in einer sicheren Luftraum-Blase unterwegs sein, in die kein anderes Flugzeug eindringen kann.

"Das Experiment verlief erfolgreich"

Die Koordination würden weiterhin Bodenleitstellen übernehmen, jedoch setzt IFATS am Boden einen möglichst umfassenden Flugverkehrsdienst mit Zentralen für ganze Kontinente oder sogar eine ganze Hemisphäre voraus. Die Flugzeughersteller müssten für technische Störungen im Flugzeug Notfallkontrollzentren unterhalten, um die Fehler an Bord des Robot-Flugzeugs festzustellen und den Bordsystemen eine Lösung zu übermitteln.

Die IFATS-Generalprobe fand im Leitstand-Simulator des DLR-Instituts für Flugführung statt. Normalerweise dient dieser Simulator dazu, neue Programme und ebensolche Arbeitsverfahren für die Flugsicherung zu entwickeln und zu testen.

Die Forscher schickten virtuell eine Passagiermaschine in der Größe eines mittleren Airbus auf einen Transatlantikflug von New York nach Frankfurt. Zum Experiment gehörten nicht nur die normalen Abläufe am Flughafen, etwa das Rollen auf dem Vorfeld sowie Start und Landung, sondern auch Notlagen während des Reisefluges.

Simuliert wurden also beispielsweise auch Beinahe-Kollisionen und Triebwerksausfälle. "Das Experiment verlief erfolgreich", konstatiert Dirk-Roger Schmitt; das virtuelle Flugzeug erreichte sein Ziel sogar etwas schneller als ein realer Verkehrsjet.

Fraglich bleibt, wie der Passagier reagiert

Mithin könnte das IFATS-Konzept tatsächlich Reisezeit und damit Kerosin sparen helfen. Bis jedoch der erste Robot-Airliner zum Start rollt, ist noch viel Forschungsarbeit zu leisten; eine Zeitschiene zur praktischen Umsetzung gibt es noch nicht.

Dabei dürften die technischen Probleme am leichtesten zu lösen sein. Denn nicht nur das DLR hat große Erfahrungen im Einsatz unbemannter Flugzeuge. Derartiges Fluggerät dient bei vielen Streitkräften bereits beispielsweise zur Aufklärung. Prinzipiell ließe sich die Technik auch in zivile Flugzeuge einbauen - ob sich aber Flugreisende einem Jet ohne Pilot anvertrauen würden, bleibt abzuwarten.

© SZ vom 17.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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