Süddeutsche Zeitung

Zukunft der Elektroautos:"Die Lösung ist Strom"

Shai Agassi, Ex-SAP-Manager, Gründer und Chef von Project Better Place, über seine Vision von der automobilen Zukunft, den Vorteil schneller Batteriewechsel und erneuerbare Energien.

Günther Fischer

Gefahren werden soll nur noch mit Strom: Das einstige SAP-Wunderkind Shai Agassi, 40, plant die nachhaltige grüne Autorevolution und will die Staaten dieser Welt aus ihrer Abhängigkeit vom Öl befreien - mittels Elektroautos und austauschbarer Akkus. Dazu hat er die Firma Project Better Place gegründet und für sein Konzept bereits 200 Millionen Dollar Risikokapital eingesammelt. Partner für die Umsetzung in Israel ist die Autoallianz Renault-Nissan. In Israel ist die Infrastruktur im Entstehen (500.000 Wechsel- und Ladestationen sind geplant) und der erste Testwagen bereits gefahren. 2011 beginnt Renault-Nissan mit der Serienfertigung der notwendigen Autos. Mit dem Elektroauto-Hersteller Dong in Dänemark sind die Verträge ebenfalls bereits unterschrieben.

sueddeutsche.de: Vor kurzem stellte Angela Merkel gemeinsam mit dem Stromerzeuger RWE und Smart ein Elektroautokonzept für Berlin vor. Ist das der richtige Weg für deutsche Großstädte?

Shai Agassi: Natürlich. Elektroautos wie der Smart fahren in aller Regel 100 bis 120 Kilometer weit. Das sollte für Städte ausreichen. Problematisch wird es aber, wenn jemand mit diesen Autos größere Distanzen überbrücken möchte. Dann sollte er auf unser Konzept zurückgreifen können.

sueddeutsche.de: Das wie aussieht?

Agassi: Die Elektroautos, die Renault demnächst in Serie fertigt, sollten mit einem Akku 300 bis 400 Kilometer weit kommen. Das entspricht einer herkömmlichen Tankfüllung. Bei unserem Konzept müssen Sie mit einem leeren Akku keine Pause mehr machen, um aufzuladen. Der Akku wird automatisch gewechselt - und Sie können sofort weiterfahren. Außerdem: Die Batterien werden immer besser, zudem halbiert sich alle fünf Jahre ihr Preis.

sueddeutsche.de: Warum ist ein Wechselakku die bessere Lösung - im Vergleich zu einem Elektroauto, das ein paar Stunden an die Steckdose muss?

Agassi: Wir haben nie gesagt, dass es nur einen Weg gibt. Die bisherigen Elektroautos taugen eben nur für den Stadtverkehr, wo man keine größeren Strecken fahren muss. Unser Konzept ist eine Ergänzung - wir wollen den Straßenverkehr nachhaltig verändern und die Umwelt weitestgehend schonen. Das geht nur mit Elektroautos, die rundum alltagstauglich sind. Die Lösung heißt Strom - auch dann, wenn man eben große Entfernungen zurücklegen muss.

sueddeutsche.de: Wäre ein Land wie Deutschland mit seinen für Elektroautos doch großen Distanzen zwischen den Städten überhaupt für Ihr Konzept geeignet?

Agassi: Natürlich, sehr gut sogar. Es gibt in Deutschland eine hervorragende Infrastruktur, auf der man aufbauen könnte. Zum Beispiel ein dichtes Tankstellennetz, das man leicht umfunktionieren könnte.

sueddeutsche.de: Ihr Projekt ist in Israel sehr weit fortgeschritten, in Dänemark sind die ersten Schritte ebenfalls bereits getan. Wann kommen Sie nach Deutschland?

Agassi: Das hängt nicht von uns alleine ab. Wir brauchen wie in jedem Land die Hilfe der Politik. Aber das sollte möglich sein.

sueddeutsche.de: Wie weit sind Sie in Israel genau?

Agassi: Bis Ende 2008 sind die ersten Testwagen fertig. Bis 2010 überziehen wir das Land mit einem Netz von 100.000 Lade- und Austauschsstationen, 2011 beginnt die Massenproduktion der Autos. Bis dahin wird das Netz in Israel eine halbe Million Stationen umfassen.

sueddeutsche.de: Angenommen, ein Land steigt komplett auf Elektroautos um - müsste man nicht befürchten, dass selbst Strom knapp werden könnte?

Agassi: Keinesfalls. Selbst wenn man ganz auf Öl verzichten würde, stiege der Strombedarf gerade einmal um sechs Prozent.

sueddeutsche.de: Woher nehmen Sie den Strom?

Agassi: Der kommt ausschließlich aus sauberen Quellen, also aus erneuerbaren Energien wie Wasser-, Wind- oder Solarkraft. Das hängt vom jeweiligen Land ab.

sueddeutsche.de: Wie steht es mit Atomstrom?

Agassi: Das wird auch eine politische Entscheidung sein müssen. In Frankreich würde es natürlich Sinn machen, den vielen Atomstrom zu nutzen. Das ist immer noch besser, als mitten in Paris Benzin zu verbrennen.

sueddeutsche.de: Ein Land wie Deutschland könnte noch nicht sicherstellen, dass der Strom zur Gänze aus erneuerbaren Quellen kommt.

Agassi: Es ist natürlich eine Idealvorstellung. Aber auch wenn der Strom zur Gänze aus Kohlekraftwerken stammen würde, fiele der CO2-Ausstoß dank der Elektroautos um 40 Prozent. Außerdem haben unsere Studien noch etwas anderes ergeben: Selbst wenn wir jedes Jahr nur ein halbes Prozent mehr erneuerbarer elektrischer Energie zuführen, und das in den nächsten zehn Jahren, dann ist das genug, um uns völlig vom Öl wegzubringen.

sueddeutsche.de: Wie werden Sie Ihre Kunden gewinnen? Was müssen die bezahlen?

Agassi: Sie können es vielleicht mit den Mobilfunk-Verträgen vergleichen. Sie kaufen entweder Ihr Auto selbst und bezahlen für die Kilometer beziehungsweise den dafür verbrauchten Strom. Oder Sie binden sich langfristig an uns, sagen wir: vier oder fünf Jahre, dann garantieren wir Ihnen sogar einen Festpreis und schenken Ihnen das Auto dazu.

sueddeutsche.de: Konkrete Zahlen haben Sie noch nicht für uns?

Agassi: Ich gehen davon aus, dass der Strompreis in den nächsten Jahren um einiges stabiler bleiben wird als der Ölpreis. Was glauben Sie, was die Tankfüllung eines Autos bald kosten wird? Ich dagegen garantiere sogar einen Festpreis.

sueddeutsche.de: Wie weit sind Sie mit Ihrer Vision - global gesehen?

Agassi: Momentan verhandelt Better Place mit 25 Staaten. In Dänemark sind wir mit dem Aufbau des Netzes sechs Monate hinter Israel zurück.

sueddeutsche.de: Sind Wasserstoff oder Ethanol eine große Konkurrenz?

Agassi: Die damit verbundenen Techniken halte ich nicht für ausbaufähig. Sie müssen unverhältnismäßig viel Energie aufwenden, um zum Beispiel Wasserstoff überhaupt zu erzeugen, ganz abgesehen von schwierigen Transport und der fehlenden Infrastruktur. Das ist nicht das, was ich unter nachhaltigem Wandel verstehe.

sueddeutsche.de: Fürchten Sie, dass Ihr Projekt noch scheitern könnte?

Agassi: Nein. Ich habe eher Angst, dass wir zu spät begonnen haben, die Probleme unserer Welt zu lösen.

sueddeutsche.de: Welches Auto fahren Sie selbst?

Agassi: Einen Toyota RAV4. Aber einen mit Elektroantrieb. Das beste Auto, das ich je hatte. Jedes Mal, wenn ich an einer Tankstelle vorbeifahre und die hohen Benzinpreise sehr, freue ich mich darüber, dass ich nicht tanken muss.

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