Zeitmaschinen (13): Borgward Isabella:Frl. Sportlimousine

Ein weiblicher Name für eine sportliche Limousine, die etwas individueller war als die Konkurrenz - und vor allem etwas schneller. Allerdings führte Borgward auch bei den einkonstruierten Schrullen.

Martin Stubreiter

Heute sind 4,39 Meter Länge ein Standardmaß bei den Kompakten, man muss seine Maßstäbe also ein wenig einjustieren auf die Stimmung gegen Mitte der 50er Jahre, die heute in der Erinnerung dastehen wie aus Marzipan gebastelt: Europa hatte seine Wunden mit Wirtschaftswundern verarztet, die Normalität durfte wieder bunt sein und pausbäckig und ein einziger Heimatfilm, zumindest in der Theorie und in den Wünschen.

Praktisch war's für viele schon fein, auch beim Fahren ein Dach über dem Kopf zu haben, dafür waren dann die Kleinwagen zuständig. Und klein konnte wirklich klein sein, man blieb motorisch etwa auf dem Niveau des weggestellten Motorrades und kaufte etwas Ähnliches, das aber noch eine Blechhülle rundherum hatte und an irgendeinem Eck mindestens ein Rad mehr, sonst wäre man umgefallen.

Der VW Käfer fuhr seinem Namen Volkswagen noch hinterher, vorerst saßen eher Leute drin, die recht gut verdienten oder sehr lange gespart hatten. Am Automarkt musste auch noch wenig verdrängt werden - jede Marke bediente ihr Revier, aus Japan kam noch nichts, was wie ein Auto aussah, und sonst eigentlich auch nix, und Deutschlands Autohersteller hatten gegen Mitte der 50er Jahre wieder aufgeschlossen, nachdem sie während des Krieges an die Pkw-Produktion nicht einmal denken durften.

Ein Hersteller allerdings war mit dem Aufschließen schon vorgeprescht: Carl Friedrich Wilhelm Borgward, eine Art Selfmade-Millionär mit angewachsener Zigarre, hatte schon 1949 seinen ersten Nachkriegs-Mittelklassewagen fertig, den Hansa 1500, erstes deutsches Auto mit Pontonkarosserie, also ohne abstehende Kotflügel oder Scheinwerfer und somit von skulpturaler Windschlüpfrigkeit.

Der Hansa 1500 sah modern aus, und die Autos der Konkurrenz waren plötzlich alt in ihren Vorkriegslinien. Dass der Hansa 1500 tief in der Zeit der Winker schon mit Blinkern typisiert werden wollte, stellte die Behörden vor eine schwierige Aufgabe, aber Carl F. W. Borgward war nicht zu stoppen.

Schon 1954 erklärte er die Hansa 1500 und 1800 (es gab sogar eine Diesel-Version) für veraltet und fuhr am 10. Juni 1954 vor Journalisten das erste Exemplar des Nachfolgers vom Band, zärtlich mit Blumen geschmückt: Gleich geblieben war vorerst nur der Name Hansa 1500, der Rest war neu, stimmig, modern und dennoch modisch, der 1,5-l-Motor leistete 60 PS, weit mehr als bei den Konkurrenten von Ford und Opel.

Unsagbare Liebe zum Detail

Borgwards Liebe zum Detail mündete in per Kurbel versenkbare Dreiecksfenster, zum Einstellen der Ventile musste nicht der gesamte Zylinderkopfdeckel abgenommen werden, es gab kleine, leicht demontierbare Deckel an seinen Flanken.

Der ganze Wagen mutete solide an, die Kinderkrankheiten zeigten sich dann beim Fahren: Die ersten Exemplare standen auf eher labilen Vorderachsen, auch die Schaltung war verbesserungswürdig, damals erreichten Autos ihre Serienreife bisweilen eben erst während der Produktion.

Nicht verbessert wurde die Sitzposition, weil sie der Chef nach seinen Maßen eingerichtet hatte. Dass er Sitzriese war, war das Pech der Kunden, die fortan etwas tief im Gestühl saßen. So auch die Beifahrer, die obendrein keine schräge Abstellfläche für ihre Füße vorfanden, sonden einen von senkrechtem Blech begrenzten, waagrechten Fußraum. Derlei freute die Hundebesitzer, die ihr Haustier somit besser im Fußraum ablegen konnten, alle anderen konnten immerhin eine originale Borgward-Fußstütze erwerben.

Perfekt ausgereift war der Motor, ein seitengesteuerter Vierzylinder mit Alu-Kopf, trotz seiner damals hohen Leistung extrem standfest: Motoren mit 300.000 km waren keine Seltenheit, und wenn das Novotex-Stirnrad einmal brach (und es brach unweigerlich irgendwann), dann kamen einander Ventile und Kolben nicht ins Gwirx, was die Aufräumarbeiten im Motor drastisch erleichterte.

Was Borgward nach der Präsentation flink ändern musste, war der Name. Während der Erprobung gefragt, welchen Tarnnamen man den Autos geben sollte, empfahl er mürrisch: "Schreibt meinetwegen Isabella drauf."

Weil niemand dem Chef widersprechen wollte, fuhren die Versuchsautos also als Isabella, die Presse griff den Namen auf, erst recht nach der offiziellen Präsentation am 10. Juni, Bittbriefe der Bevölkerung ans Werk kamen dazu. So wurde Borgwards sportliche Limousine, eine Empfehlung an flinke Individualisten und abseits der Prospektzeichnungen meistens von Männern gefahren, weiblich.

Opel und Ford waren einst ohne Chance

Für Maskulines war wieder der Motor zuständig: Zur IAA 1955 kam die Isabella TS, dank Registervergaser 75 PS stark und 150 km/h schnell. Da wurden Opel und Ford noch kleiner im Rückspiegel, die Isabella galt fortan als Sportlimousine, daran konnte auch das Erscheinen des Kombi (ausschließlich mit 60 PS) nichts ändern.

Als die Verkäufe leicht abflauten, schob Borgward im Februar 1957 das etwas barockere (und deutlich teurere) Isabella Coupé nach, die Limousine wurde zeitgleich auf Wunsch zur De-Luxe-Version aufgezuckert.

1958 wurden der Rhombus kleiner und die hinteren Kotflügel straffer, auffälligste Änderungen außen. Innen kam der Bandtacho, aber langsam lief die Isabella ihrer Zeit ein wenig hinterher, da legte sich die Modellkosmetik nur mehr gnädig drüber.

Ein Nachfolgemodell mit Frua-Karosserie war bereits angedacht, dann überschlugen sich die Ereignisse bis zum Abgang des Chefs, und nach den Werksferien 1961 blieben die Bänder still.

In den Wirren des Konkurses wurden noch Autos von Hand gefertigt, die reifsten Isabellen ever. Sie trugen nämlich eine revolutionäre Änderung, der noch Carl F. W. Borgward aus mirakulösen Gründen zugestimmt hatte: Die Vordersitze waren vier Zentimeter höher und damit nicht nur für Sitzriesen bemessen.

Mit Borgward verschwand der kleinste der großen Hersteller in der Geschichte der Autoindustrie, mit ihm die Sportlimousine an sich. In die Lücke schwenkte 1961 der BMW 1500/1800, Alfa kam mit der Giulia bald danach, und 1964 Glas mit dem 1700. Dessen Frua-Karosserie war jene, die für einen neuen Goliath nicht mehr gebraucht wurde.

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