Zeitmaschinen (1): Citroën CX:Kluft und Liebe

Als Citroën 1974 den CX vorstellte, waren die Erwartungen hoch - das Auto aber war flach. Einen Nachfolger für die legendäre DS, die Göttin, zu finden, schien unmöglich. Doch auch der CX beherrschte die Poesie des Federns.

Martin Stubreiter

Der CX kam als erdverbundenes Ufo, und er stand von Anfang an im Schatten. Die DS hatte sich als ewig gültige Zeitlosigkeit in die Automobilgeschichte eingebrannt, als letztes Wort bei Federungskomfort, fugenloser Ästhetik und Entrücktheit. Die DS war nie von dieser Welt und wird es nie sein (na ja, vielleicht beim Restaurieren, aber lassen wir das).

Außerdem waren die alten Revolutionäre Anfang der siebziger Jahre nicht mehr dabei - jenes Team, das vom Traction Avant über 2CV bis zur DS immer auf die Welt gepfiffen und ein eigenes Universum geschaffen hatte. Derlei galt ein bisserl auch für den Ami 6, ebenfalls von denselben Vätern, aber da dürften ein paar weltliche Überlegungen auch schon mitgespielt haben.

DS-Designer Flaminio Bertoni starb 1964, Konstrukteur André Lefèbvre schon 1963, und der querdenkende Firmenchef Pierre Boulanger war überhaupt bereits 1950 bei einem Autounfall (eine Testfahrt, natürlich) ums Leben gekommen. Nur Paul Mages, Autodidakt und Erfinder der Hydraulikanlage, war noch in Hochform, ging aber kurz nach Erscheinen des CX in Pension.

Das CX-Design stammt aus dem Team von Robert Opron, Bertonis Nachfolger als Chefdesigner. Schon sein 1967er DS-Facelift wies der künftigen Linie den Weg, und nach seiner Citroën-Zeit schuf er bei Renault dies (Renault 25) und das (Alpine A 310).

Als ein erster Versuch eines DS-Nachfolgers kam 1969 das Projekt L, und es kam nicht weit: Ein Prototyp existiert noch im Werksmuseum, der angedachte 1,7-l-Boxermotor kam nie in Tuchfühlung zur Serienreife. Auch waren andere Lücken zuerst zu füllen: In die tiefe Kluft zwischen Ami und DS schwenkte 1970 der GS, und der SM mit seinem zugleich fragilen und rotzigen Maserati-V6 markierte die pralle Spitze der Modellpalette.

Als der CX im Sommer 1974 in Lappland der Presse vorgestellt wurde, waren die Erwartungen hoch, aber das Auto war flach: Während die Fans bestenfalls ein fliegendes Auto als würdigen Nachfolger der DS inthronisiert hätten, stand der CX einfach auf vier Rädern. Und er übersetzte seinen Namen in eine schlüssige Linie: CX ist das französische Kürzel für den cw-Wert, da kam der CX auf 0,36, und er schaute locker noch etwas geduckter aus.

Auch Citroën selbst hatte ein bisschen davor kapituliert, einen Nachfolger der DS präsentieren zu müssen, daher gab's verbale Verschränkungen und unschlüssige Kombinationen von Ausstattungen, bis der CX offiziell als Zwischenmodell zwischen GS und DS dastand.

Anfangs war CX fahrlässig vereinfacht

Was äußerlich auch ein wenig stimmte.

Denn mit 4,67 Metern war er 20 Zentimeter kürzer als eine DS, obendrein neun Zentimeter niedriger und technisch fahrlässig vereinfacht. Es gab anfangs nur vier Gänge (in der DS schon fünf), keine Servolenkung, keine Einspritzmotoren.

Aber es gab wieder die unvergleichliche hydropneumatische Federung mit Luftpolstern statt Stahlfedern. Alleine der Vergleich dieser beiden Worte erklärt die Poesie des Federns, und es wurde noch von der Karosserie verstärkt. Die Fahrgastzelle des CX ist nämlich über Gummielemente mit dem Hilfsrahmen verbunden, der Technik und Achsen trägt.

Überhaupt, das Fahren.

Auch der CX rückt seine Fahrer zurecht: In der DS lümmelte man aufrecht, im CX lümmelt man lümmelnd, bedient den Schalthebel aus dem Handgelenk und die Schalter aus dem Fingergelenk, und fürs Bedienen der Bremse reicht das Gewicht eines Schuhs.

Was wie ein banales Bremspedal aussieht, gibt nur ein Ventil frei, der eigentliche Bremsdruck kommt dann aus der Hydraulikanlage. Auch lasche Wadeln schaffen so bis zu 180 bar, und schickt man Citroën-unkundige damit erklärungsfrei los, dann blockieren die Räder flinker, als man die Augen aufreißen kann.

Zum Augenaufreißen musste man aber nicht einmal bremsen. Es genügte schon zu lenken. Denn die Servolenkung kam natürlich doch, und sie markierte eine der eigentlichen Revolutionen des CX. Wie schon beim SM passte sich die Servounterstützung den Fahrbedingungen an - straff auf der Autobahn, sanft beim Einparken, und sie stellte sich auch selbst in Mittellage zurück, sogar beim geparkten Auto. Wer neu ist im CX, fährt also eher keine Gerade. Wer sich daran gewöhnt hat, fragt nach der Existenzberechtigung anderer Lenkungen.

CX-Fahrer sind verloren für die Banalität der Stahlfedern

Ein CX fährt sich also vor allem anstrengungsfrei. Machos werden ihn nie mögen, aber Autoversteher streicheln die Bedienelemente, tippen sie an, beaufschlagen sie behutsam und vergessen dabei auf Banalitäten - den Straßenzustand, zum Beispiel, bügelt das Fahrwerk ins Belanglose. Wer jemals mit einem CX GTI über einen knorrigen Waldweg schweben durfte, wird verloren sein für die Banalität der Stahlfedern und Sportfahrwerke, und in den ersten CX-Jahren waren auch die Sitze weich wie in einer DS.

Hart waren nur ein paar weltliche Probleme: Die hinteren Schwingarmlager waren hoffnungslos unterdimensioniert, und der Rost war in allen Baujahren unberechenbar. Es gab immer erstaunlich standhafte Exemplare, aber auch absolute Gurken. Bis heute weiß niemand, warum.

Unaufgeregt war stets der Motor: Trug schon die DS anfangs das Aggregat des Traction Avant, so kam auch der CX mit dem (1965 gründlich überarbeiteten) DS-Motor. Einzig echte Neuerung: Er drehte in die andere Richtung, immerhin war der CX der erste Citroën mit quer montiertem Motor.

1977 kam der CX GTI mit 128 PS, 1975 der CX Diesel (66 PS), im Herbst 1984 bekam der GTI einen Turbomotor zu 168 PS. In seinen Grundzügen basierte er immer noch auf dem DS/ID-Motor von 1965. Der einzige Quereinsteiger war der im Herbst 1979 präsentierte 2,0-l-OHC-Aluminium-Vergasermotor mit 106 PS, das Vierzylinder-Pendant zum Euro-V6, auch bei Peugeot und Renault heftig im Einsatz.

Dass Citroën beim CX auf eine Heckklappe und variable Sitze verzichtet hatte, machte ab 1975 der Break vergessen. Seine 2,1 Kubikmeter Laderaum werden auch heute nur von Vans überboten, und selten fuhr Ladegut so sanft gefedert. Auf dem langen Chassis des CX Break reifte 1976 auch der CX Prestige - die gesamte Verlängerung fand im Fond statt, es gab Polsterln als Fußstützen.

Mit dem Modelljahr 1986 kamen die Plastikstoßstangen, und sie kamen aus dem Mund von Grace Jones - die Werbekampagne war extravaganter als die neuen Armaturen, es gab plötzlich banale Rundinstrumente. Letzte feine Schrulle blieb der nicht selbstrückstellende Blinker, eine logische Sache. Eigentlich.

1.041.560 CX wurden bis 1991 gebaut, dann kam der XM. Er wurde von den Fans rituell abgelehnt (heute hätten wir ihn gerne wieder).

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