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Zehn Jahre Dacia in Deutschland:Vom Billigauto zum Vorbild

Vor zehn Jahren brachte Dacia den Logan nach Deutschland. Das Erstlingswerk wurde als unansehnliches automobiles Kantholz misstrauisch beäugt. Mittlerweile hat sich Renaults rumänische Billigtochter etabliert - und findet Nachahmer.

Die Deutschen haben ein besonderes Verhältnis zu ihren Autos. Sie werden gehegt, gepflegt, und am Samstagnachmittag geht es in die Waschstraße, wo das Auto auf Hochglanz gebracht wird. Natürlich per Hand. Die Marke spielte dabei bislang eine entscheidende Rolle. Am liebsten fuhr man im Mercedes, BMW oder Audi zu dieser allwöchentlichen Prozedur vor. Doch das hat sich geändert, inzwischen gibt man auch mit einem Dacia ein Statement an der Waschanlage ab.

Die Billigmarke aus Rumänien ist seit zehn Jahren auf dem deutschen Markt aktiv. Ihr erstes Modell, die kantige Kompaktlimousine Logan, kostete in ihrer Basisversion nur 7500 Euro. Wer damals auf den Erfolg dieses Autos, und mit ihm der ganzen Marke, einer Renault-Tochter, gewettet hätte, wäre belächelt worden. Der Innenraum des Logan verströmte den authentischen Duft von billigem Plastik und einfachsten Webstoffen. Fein gearbeitete Applikationen oder ESP suchte man in der Stufenheck-Limousine vergebens. Es ging um robuste, zweckgebundene Mobilität - nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Heute lacht niemand mehr über Dacia, der Erfolg gibt den Renault-Managern recht: Innerhalb des ersten Jahres verkaufte Dacia weltweit über 100.000 Autos. Rechnet man die Dacias dazu, die unter dem Renault-Signet verkauft wurden, waren es im Jahre 2005 insgesamt 174.279 Fahrzeuge. Das Konzept "wenig Auto für wenig Geld" funktionierte.

Zwei Jahre nach dem Debüt des Logan kam die Kombivariante Logan MCV dazu. Der Anspruch blieb gleich: Praktikabilität und ein Billigpreis statt Designcharme und Komfortausstattungen. Im Jahre 2007 verkaufte Dacia weltweit bereits 367.264 Autos. Der Basispreis unterschritt auch beim Kombimodell die 8000-Euro-Grenze.

Autos mit dem Notwendigsten

Solche Preise schüttelt man nicht eben aus dem Ärmel. Auf die niedrigen Löhne in den Produktionsstandorten wie Rumänien oder Marokko zu verweisen, greift zu kurz. Die Strategie des rumänischen Autobauers ist simpel und lässt sich auf ein Wort reduzieren: Verzicht. Die Autos sind gerade einmal mit dem Notwendigsten ausgestattet.

Das hat sich im Laufe der Zeit jedoch geändert. Heute ist ESP in den Dacia-Modellen selbstverständlich und treibt den Preis nicht mehr so in die Höhe wie noch vor zehn Jahren. Neue Technik kommt jedoch unverändert nur dann in Dacias, wenn sie bewährt und preisgünstig ist. Intensive und kostspielige Erprobungen finden nicht statt. Mittlerweile produziert Dacia pro Jahr mehr als eine Million Autos und kann im Verbund mit Renault die Technik günstig einkaufen. Die Plattformen sind standardisiert. So schaffen es auch Module wie neue Triebwerke oder Navigationssysteme in die Renault-Ableger.

Die Kunden wissen, dass sie kein Hightech-Mobil bekommen und stellen sich darauf ein. Der Dacia-Käufer erfreut sich an der Tatsache, dass sein Auto zweckmäßig und daher billig ist. Das Sparprogramm zieht sich durch die gesamte Firma. Auf prestigeträchtige Autohäuser verzichtet Dacia ebenso wie auf Rabattschlachten. Die Marge der Händler liegt unter dem branchenüblichen Wert von 15 Prozent. Insider gehen von fünf bis sieben Prozent aus. Allerdings dürfen die Dacia-Händler diese in die eigene Tasche stecken. Die Organisation ist nach wie vor schlank und belastet das Konzernbudget nicht mehr als nötig. Die Werbung wird reduziert, ebenso wie die Modell- und Ausstattungsvarianten.

Heute achten Autofahrer zwar immer noch auf das Finanzielle, erwarten aber trotzdem etwas Komfort und sind bereit, dafür Geld auszugeben. Den bietet Dacia auch. Dann kostet der Billig-Crossover Duster aber statt 10.490 Euro schnell 15.000 Euro. Letztendlich trifft Dacia mit seiner Modellpalette den Nerv der Zeit. Aus dem Einzelgänger Logan, den es in Deutschland nur noch als Kombi gibt, ist ein ganzes Rudel geworden.

Neben dem kompakten Fünftürer Sandero und dem SUV Duster vervollständigen der Lodgy-Van und der Hochdachkombi Dokker die Modellpalette. Ein paar Derivate gönnt sich Dacia auch noch: Der Dokker Express ist für Gewerbetreibende gedacht, der Stepway ist die rustikale Offroad-Variante des Sandero und der Lodgy ist auf Wunsch mit Flüssiggas-Antrieb zu haben. Der Erfolg lässt sich auch in Zahlen fassen: In Deutschland stieg der Marktanteil von 0,55 Prozent im Jahr 2007 auf 1,59 Prozent Ende April 2014. Ein Ende des Wachstumskurses ist nicht in Sicht. Stattdessen macht das erfolgreiche Beispiel Schule.

Nachahmer übernehmen Dacias Konzept

Renaults Kooperationspartner Nissan will Datsun als Billigmarke für Märkte wie Indien und Russland wiederbeleben. Citroen wandelt das Konzept mit einem Einzelmodell wie dem C4 Cactus ab, der zu günstigen Preisen zwar Styling, aber kaum Ausstattung bietet. Bei Volkswagen nehmen die Pläne, die ein Expertenteam unter Leitung des ehemaligen Opel-Chefs Hans Demant schmiedet, Gestalt an.

Die qualitätsbewussten Wolfsburger orientieren sich an der Strategie Dacias. Einfache Technik und brutale Preiskontrolle. Zielregion ist Asien. In Europa werden diese Autos nicht zu haben sein. Zu groß ist die Angst vor der Kannibalisierung mit der Muttermarke VW. Gibt der Vorstand grünes Licht, soll es 2016 soweit sein. Zwölf Jahre nachdem Dacia mit dem Logan in Deutschland erst für Stirnrunzeln und dann für Einnahmen sorgte.

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