Yellow Cabs in New York:Hoch im gelben Wagen

Das neue New York Taxi, der Nissan NV200.

Das New York Taxi stammt künftig von Nissan: Fortan ist der Van NV200 als Yellow Cab unterwegs.

(Foto: Wieck)

New York bekommt ein Einheitstaxi. Nicht Ford oder GM haben das Rennen gemacht, sondern Nissan - mit dem in Mexiko gebauten NV200. Eine Revolution? Unser Autor hat den Selbstversuch gewagt.

Von Georg Kacher

Der Tourist in Shorts und T-Shirt macht aus seiner Ablehnung kein Hehl: Daumen runter, Kopfschütteln, wegdrehen. Auch die New Yorker begegnen dem kastigen Kleinbus im Taxi-Outfit mit gemischten Gefühlen. Der neue Bürgermeister Bill de Blasio lehnt ihn ab, weil Nissan das gute Stück nicht vor Ort, sondern im fernen Mexiko produziert - und weil es CO₂-mäßig ein alter Hut ist. Anders als die meisten anderen Modelle mit NYC-Taxi-Zulassung - die jetzt ausläuft -, verzichtet der NV200 nämlich auf Hybridantrieb, Diesel und Stopp-Start-System.

Nissan hat den Kampf um "Das Taxi von morgen" im Prinzip schon 2011 für sich entschieden, als die Japaner in der letzten Runde den Ford Transit Connect und den türkischen Karsan V-1 aus dem Rennen warfen. Die Stadt legte aber ein Veto ein und ging in Berufung, die im Juni 2014 abgewiesen wurde. Für den Hersteller ist der Deal ein Millionengeschäft. Schließlich geht es um 26 000 Fahrzeuge zum Stückpreis von 29 700 Dollar (etwa 22 100 Euro), die über einen Zeitraum von zehn Jahren an die Ostküsten-Metropole geliefert werden. Da Taxis in New York nach sechs Jahren Dauereinsatz automatisch die Zulassung verlieren, gilt der Exklusivvertrag auch für die nächste Modellgeneration.

Test-Taxi ohne Fahrgäste

Während der Rushhour in Manhattan ist es den Angestellten, die aus den Hochhäusern strömen, freilich völlig egal, ob in den mehr als 13 300 gelben Individualtransportern ein Stromer summt oder ein V8 brabbelt. Einmal die 5th Avenue rauf und runter hätte uns an diesem Freitag gefühlt 250 Dollar eingebracht, aber wir müssen die himmelwärts gereckten Zeigefinger genauso ignorieren wie die anschließenden derben Flüche. Das Nissan Testtaxi sieht zwar auf den ersten Blick täuschend echt aus, doch bei näherer Betrachtung fehlen die metallene Zulassungsplakette auf der Motorhaube, das Taxameter im Cockpit und der Ausschaltknopf für das hell erleuchtete Freizeichen am Dach.

Weil Nissan noch keine 500 NV200-Taxis ausgeliefert hat, erregt der schmale Hochdach-Knubbel auch im Kollegenkreis Aufsehen. Ahmed interessiert sich für den Verbrauch, Dimitri testet den Fahrersitz - sechsfach verstellbar und mit luftdurchlässigem Stoff bezogen. In kaum einer Stadt ist der Anteil an Taxifahrern mit Migrationshintergrund so hoch wie in New York. Die 82 Prozent Nicht-Amerikaner bekommen den Schein erst mit dem Nachweis der geforderten Sprach- und Ortskenntnisse.

Viel Platz für Passagiere und Gepäck

Schön ist er nicht, der NV200. Aber zweckmäßig. Wer genug Platz lässt, um die seitlich angeschlagenen Heckflügeltüren zu öffnen, dem gähnt ein Kofferraum entgegen, dessen Volumen es locker mit Taxi-Klassikern wie Chevy Caprice oder Crown Victoria aufnehmen kann. Automatisch betätigte Trittbretter und breite Schiebetüren machen den Ein- und Ausstieg so bequem wie möglich. Die hintere Sitzbank reicht für Drei, eine vierte Person könnte notfalls vorne neben dem Fahrer Platz nehmen. Dort will die Behörde freilich vor allem spezielle Fracht wie Rollstühle oder Blindenhunde untergebracht wissen.

Mangels unserer Lizenz zur Beförderung echter Passagiere haben Freunde und Bekannte für die Kamera gemodelt - und die Droschke im Ziegelstein-Format für gut befunden. Positiv bewertet wurden das helle Panoramadach, die großzügigen Platzverhältnisse, die leistungsstarke zweite Klimaanlage und die bequeme Sitzbank. Kritik gab's für die harte Federung und für das ganze Geknister und Gedröhne.

Der Flow der New Yorker Taxis

Der Innenraum des Nissan NV200 New York Taxis.

Der Innenraum des neuen New York Taxis ist geräumig, aber nicht gerade schön anzuschauen.

(Foto: Nissan)

Taxi fahren in New York ist ein Segen, Taxi lenken ist ein Kampf. Mann gegen Mann, Ego gegen Ego, Auto gegen Auto. Perfekt ins Beuteschema der zu 99 Prozent männlichen Profi-Chauffeure passen auch träge Stretchlimousinen, in dritter Reihe ankernde Lieferwagen, torkelnde Fahrrad-Rikschas und ab Werk mit Scheuklappen ausgerüstete Stadtbusse. Die Taxler mögen einander nicht grün sein, aber im Duell gelb gegen gelb regiert der Flow. Dieser coole unsichtbare Taktstock bestimmt die Tempi im amorphen Zug der Blech-Lemminge, die sich zwischen Ampelphasen auffächern, kontrahieren, aufstauen, losbrausen, treiben lassen, wieder verdichten. Nur wenn ein Taxi ohne Vorwarnung stoppt, sich die Fondtür öffnet und schließt wie ein Blechmuskel, gerät der Flow für einen Moment ins Stocken um sich Augenblicke später neu zu formieren.

Der NV200 braucht diese Kontrast-Therapie, denn sein stufenloses Getriebe ist ein schlapper Heuler, der kurzfristig gefühlt die Hälfte des maximalen Drehmoments von 188 Nm für den Eigengebrauch abzweigt, ehe der 2,0-Liter-Vierzylinder endlich auf Touren kommt und seine 131 PS auf den Tisch des Hauses blättert. Dieser Motor ist so Low-Tech, wie er das im Taxi von morgen eigentlich nicht sein dürfte - fast 13 Liter Praxisverbrauch sind ein Wert, für den Nissan sich schämen müsste. Zumal der 1400 Kilo schwere Wagen zehn Sekunden braucht, um aus dem Stand auf 100 km/h zu beschleunigen.

Eine Konzession für 600 000 Dollar

"Drivers Wanted", Fahrer gesucht, steht in großen Lettern vor einer der vielen Taxizentralen, die sich das Fuhrgeschäft mit der Ware Mensch untereinander aufteilen. Fahrer, die eine eigene Konzession besitzen, sind so selten wie Siege von Tampa Bay über die Panthers. Der Grund: Konzessionen werden trotz langsam fallender Preise immer noch mit rund 600 000 Dollar gehandelt - pro Wagen mit maximal drei Fahrern. Deshalb leben die meisten Aushilfspiloten von der Hand in den Mund. Morgens wird das Auto ausgefasst, das zwölf Stunden später sauber und vollgetankt zurückgebracht werden muss. Macht mindestens 130 Dollar Tagesmiete, 15 Dollar an Steuern, fünf Dollar für die Vollkaskoversicherung und etwa 50 Dollar für den Sprit. Bei Einnahmen von maximal 350 Dollar ergibt das einen Stundenlohn von 12,50 Dollar oder 9,30 Euro. Nicht gerade eine Verlockung.

Taxis haben es in New York mindestens genauso schwer wie in London oder Berlin. Es gibt kaum spezielle Taxispuren, die wenigen Standplätze sind meist überfüllt, zum Tanken muss man aufgrund der hohen Spritpreise in die anliegenden Gemeinden ausweichen. Vor Brücken und Tunnels gilt die gleiche Stop-and-go-Geduldsprobe wie für alle anderen Verkehrsteilnehmer. Die leicht reduzierte Maut zahlt ohnehin der Kunde. Dafür drückt die Polizei tendenziell ein Auge zu, wenn man im Halteverbot sein Sandwich isst oder bei Dunkelgelb noch über die Kreuzung huscht. Der wahre Feind des Taxlers sind die Inspektoren der Innung, die stichprobenartige Kontrollen durchführen. Dabei geht es nicht nur um die Vollständigkeit der Papiere und den Zustand des Autos, sondern auch um die Einhaltung der Regeln. Wenn zum Beispiel ein Yellow Cab außerhalb von Süd-Manhattan einen Passanten aufnimmt, verliert der Fahrer im Wiederholungsfall ratzfatz die Lizenz.

Die Konkurrenz wird härter

Dass wir den NV200 als Rumpel-Wagen er-fahren haben, liegt natürlich auch am New Yorker Flickwerk-Asphalt mit seinen kratertiefen Schlaglöchern und dem im Sommer puddingweichen Reparatur-Teer. Wenigstens ist die Lenkung frei von den Wünschelruten-Attitüden älterer US-Taxis, die Bremse verzögert willig und prompt, das leicht kippelige Starrachs-Fahrwerk kauft nur Angsthasen den Schneid ab. Man hätte dem Big Apple natürlich auch die Elektroversion des NV200 als Taxi verschreiben können, aber die Reichweite wäre mit 160 km viel zu gering.

Samstag 2 Uhr morgens, Feierabend für den Aushilfstaxler. Fazit: Null Fahrgäste, tausend Eindrücke und die Erkenntnis, dass sich die New Yorker Taxiszene gerade grundlegend ändert. Der Grund: die Yellow Cabs haben Konkurrenz bekommen. Draußen in der Vorstadt (Nord-Manhattan, Bronx, Queens, Brooklyn, Staten Island) greift die Flotte der einheitlich grün lackierten Boro Cabs immer mehr Kunden ab. Noch bedrohlicher für den klassischen Cabbie sind App-gesteuerte Dumping-Anbieter wie Lyft, Sidecar und Uber, die mit Nachlässen von bis zu 40 Prozent werben. Wenn das so weitergeht, wird der Gelbanteil am New Yorker Straßenbild in den nächsten Jahren deutlich schrumpfen.

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