Xprice: Autorennen für Spritsparer:Kampf der Öko-Boliden

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Ein Schritt in die Zukunft der Mobilität: Beim Xprize-Rennen in der Nähe von Detroit treten Autos gegeneinander an, die höchstens 2,35 Liter Benzin auf 100 Kilometer verbrauchen.

Rainer Klose

Der Michigan International Speedway ist das Revier monströser V8-Motoren. An der Rennstrecke südlich von Detroit riecht es nach verbranntem Reifengummi, den Abgasen von Methanolsprit und nach den Hotdogs der Zuschauer - normalerweise zumindest.

Der "Edison 2" des Münchner Unternehmers Oliver Kuttner wiegt nur 350 Kilogramm und bietet vier Personen Platz. Wenn auf dem Prüfstand keine Mängel mehr festgestellt werden, steht das Modell als einer der Xprize-Sieger fest. Foto: R. Klose (Foto: N/A)

Doch diesmal ist die Autorennstrecke nicht Schauplatz des normalen, Ressourcen verschwendenden Wahnsinns namens Motorsport. Stattdessen wagen hier Ingenieure einen Schritt in die Zukunft der Mobilität: Auf dem Michigan International Speedway traten jüngst Ökomobile beim Progressive Automotive Xprize gegeneinander an.

Zehn Millionen Dollar Preisgeld sind für alltagstaugliche Fahrzeuge ausgesetzt, die ihren Insassen bei Zusammenstößen Sicherheit bieten, in längstens 18 Sekunden von null auf 100 Kilometer pro Stunde beschleunigen, 160 Kilometer Reichweite bieten und höchstens 2,35 Liter Benzin oder eine äquivalente Energiemenge auf 100 Kilometern Strecke verbrauchen.

Die Zuschauertribünen neben der Rennstrecke sind an diesem Tag leer. Auch auf der Piste ist es ruhig, leise ziehen Elektromobile vorbei. Auf der Gegengerade ist eine Schikane aufgebaut, an der die Wagen scharfe Ausweichmanöver vorführen müssen. Auf dem Rest der Strecke simulieren die Teilnehmer typische Stadt- und Vorstadt-Fahrzyklen und eine Autobahnfahrt.

Der eigentliche Wettbewerb findet an den Messgeräten statt, die den Energieverbrauch der Fahrzeuge erfassen. Schummeln ist kaum möglich: An Bord zeichnet eine mit dem Satelliten-Navigationssystem GPS ausgerüstete Blackbox während der Testfahrten alles auf.

Der Xprize hat Goldgräberstimmung ausgelöst: 111 Teams bewarben sich bis Februar 2009 mit Konstruktionszeichnungen, 48 wurden für die Testfahrten zugelassen. Wie schwer die Aufgabe war, zeigt das Ende der Veranstaltung: Nur sieben Teams mit neun Fahrzeugen blieben übrig. Etablierte Autohersteller hatten sich nicht angemeldet. Einzige Ausnahme war die indische Firma Tata, die ihren Kleinwagen Indica in England zum Elektromobil umrüsten ließ.

Leichtbau im Automobilbau
:Da geht doch was

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Die Gefährte der Teilnehmer haben sich erstaunlich weit vom klassischen Auto entfernt, wie zum Beispiel der Wagen des Teams von Oliver Kuttner. Der Münchner Immobilienunternehmer setzt bei seinem Blechmobil "Edison2" auf Leichtbau. Der Wagen mit den aus der Karosserie ragenden Rädern wiegt nur 350 Kilogramm - ein Viertel eines VWGolfs - und kann doch vier Passagiere befördern.

Kuttners Team hat Radaufhängungen und Bremsen neu entwickelt. Selbst die Radmuttern des "Edison 2" sind zur Gewichtsersparnis hohl. Angetrieben wird sein Wagen von einem 250-Kubikzentimeter-Einzylindermotor mit Turboaufladung. Er läuft mit Ethanol. "Wir haben über einen Hybridantrieb nachgedacht", sagt Kuttner. "Aber das macht das Fahrzeug viel zu schwer." Offenbar stimmte die Kalkulation. Zwei Modelle des "Edison 2" sind als einzige Viersitzer noch im Rennen um den Hauptpreis von fünf Millionen Dollar.

Eine komplett andere Philosophie verfolgt Rick Woodbury von Tango Commuter Cars. Sein "Tango T600" sieht aus wie ein auf halbe Breite gepresster Kompaktwagen. Damit das Schmalspur-Gefährt nicht umkippt, liegen knapp eine Tonne Batterien im Unterboden. Er will mit seinem reduzierten Wagen vor allem Parkraum und Straßenfläche sparen. Auch in den USA sitzen die meisten Pendler allein im Auto. "Ich halte das für Wahnsinn", sagt Woodbury. In seinem Tango können zwei Personen hintereinander Platz nehmen.

Die einen sparen Gewicht, die anderen Fahrzeugbreite. Wieder andere verzichten auf zwei Räder und senken damit den Rollwiderstand: Aus der Schweiz sind Roger Riedener und Felix Wagner angereist, mit zwei Fahrzeugen namens "X-Tracer". Das Gefährt der kleinen Firma Peraves ist ein Motorrad mit Kabine und einziehbarem Stützfahrwerk. Das benzingetriebene Ur-Modell namens "Eco" wurde vom Swissair-Piloten Arnold Wagner konstruiert und von 1989 an verkauft. Seit 2007 ist der Nachfolger namens "Monotracer" auf dem Markt.

Roger Riedener, der heutige Firmenchef, hat zwei dieser "Monotracer" nun elektrifiziert: In einem steckt ein Motor mit 136 PS; das andere ist mit einer 204-PS-Maschine ausgerüstet - der gleiche Antrieb steckt auch im Elektro-Mini. Damit rauscht der Schweizer Kabinenroller mit 240 Kilometern pro Stunde über die Bahn bei einem Verbrauch von - auf Benzin umgerechnet - 1,3 Litern pro 100 Kilometern.

Die elektrische Variante wird im zivilen Leben "E-Tracer" heißen und soll nächstes Jahr in Serie gehen. Das Gefährt ist als einziges in der mit 2,5 Millionen Dollar dotierten Tandem-Kategorie verblieben, der Tango war nicht sparsam genug. Auf dem Michigan-Speedway fuhren Benzin- und Dieselautos, Hybride, Hybride mit Steckdosen-Anschluss und reine Elektrofahrzeuge um die Wette. Um den unterschiedlichen Antriebsvarianten gerecht zu werden, wurde der Energieverbrauch aller Teilnehmer in Benzin-Äquivalente umgerechnet.

Am Ende siegten die unkonventionellen Konstruktionen - die vielen umgebauten Alltagsautos, die das Feld am Anfang des Wettbewerbs füllten, sind allesamt ausgeschieden. Zu schwer waren sie, zu hoher Luftwiderstand, zu dicke Reifen.

In zwei Kategorien stehen die Sieger nun praktisch fest. Wenn der "Edison2" und der "X-Tracer" bei den abschließenden Messungen keine bösen Überraschungen erleben, können ihre Entwickler die Schecks entgegennehmen. Umkämpft ist noch die Kategorie der Zweisitzer; hier blieben fünf Teams übrig - alle Konstrukteure hatten auf elektrischen Antrieb gesetzt. Ein 160-Kilometer-Rennen auf dem Oval von Michigan entschied schließlich über die Platzierung: Es siegte der froschgrüne, vollverkleidete "Wave II" der Firma Li-Ion-Motors aus Las Vegas.

Knapp dahinter landete der "Electric Raceabout" der Metropolia University in Helsinki. Dritter wurde der "TW4XP" - ein Prototyp aus Deutschland, den der Hersteller des Liegerads "Twike" ins Rennen geschickt hatte. Das 20-PS-starke Mobil mit Cabriodach könnte bald in Serie gehen, wenn sich Investoren finden. Die US-Unternehmen Aptera und Zap blieben beim finalen Rennen mit ihren eleganten Elektro-Zweisitzern liegen.

Die Testfahrten sind beendet, nun müssen die Anwärter auf den Sieg ihre Fähigkeiten noch auf einem Prüfstand des Argonne National Lab in Chicago beweisen. Am 16. September werden in Washington die Preise verliehen - auch die knapp ausgeschiedenen Finalteilnehmer sind dabei und dürfen ihre Gefährte erneut präsentieren.

© SZ vom 17.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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