Würdigung des Vans:Unsexy, aber reich an Möglichkeiten

Renault Espace

Der Renault Espace brachte 1984 das Van-Konzept von Amerika nach Europa.

(Foto: SOM)

SUVs sind vielleicht angesagt. Aber der Tausendsassa unter den Automobilen bleibt die klassische Großraumlimousine. Fünf Gründe, warum der Van nicht sterben darf.

Von Thomas Harloff

Heutzutage gilt das SUV als Alleskönner unter den Automobilen. In Wahrheit sind die meisten dieser Geländewagen mit eingebautem Weichspüler faule Kompromisse, die kaum etwas besser können als Kombis. Die echten Allrounder sind Autos, denen SUVs in der allgemeinen Wahrnehmung den Rang abgelaufen haben: Vans. Nur sie bieten mehr Platz und eine größere Innenraumvariabilität als besagte Kombis, ohne eklatante Zugeständnisse in Sachen Spritverbrauch und Fahrdynamik zu erfordern.

Der neue Renault Espace

Nun wird aus dem Vorreiter eine Mixtur aus Van und SUV. Der neue Espace startet bei 33 550 Euro.

(Foto: JWO)

Ihr Fokus auf Praxisnutzen geht meist zulasten des Designs. Vans sind unsexy, manchmal sogar hässlich. Das mag der Hauptgrund dafür sein, dass sie in der Käufergunst hinter die SUVs zurücktreten mussten. Oder dass der Renault Espace, Urvater des europäischen Van, beim nun anstehenden Modellwechsel zu einer Automobilmixtur mutiert, bei der die Grenzen zwischen Van und SUV verschwimmen. Das SUV-Image ist Renault jetzt wichtiger als die optimale Raumausnutzung. Opel ebenso, denn beim nächsten Zafira wird es ähnlich laufen.

Doch die Vans werden nicht aussterben. Denn es gibt fünf Szenarien, für die eine Großraumlimousine das beste Fortbewegungsmittel ist - und bleibt.

1. Der Pampersbomber

"Hurra, wir werden Eltern!" Wenn sich der erste Nachwuchs ankündigt und das Budget für zwei Autos fehlt, ist das Segment der Vans das einzige, in dem es sich umzuschauen lohnt. Denn nur ein Van lässt sich völlig problemlos zum Dreisitzer für Mama, Papa und die Babyschale umfunktionieren. Der Kinderwagen rückt an die Stelle, wo sich sonst die anderen Rücksitze befinden. Und ein Kofferraum für die Unmengen an Windeln, Spielzeug und Wechselklamotten - junge Eltern nehmen lieber zu viel mit als zu wenig - bleibt auch noch.

Auch als Gebrauchtwagen ist ein Van unschlagbar. Das Angebot ist groß, die Nachfrage bescheiden, die Preise deshalb überschaubar. Die Vorbesitzer, oft ebenfalls junge Eltern, sind wahrscheinlich sorgsam damit umgegangen. Kaum jemand setzt das Wohlbefinden seiner Familie mit verschleißfördernder Fahrweise aufs Spiel.

2. Der Partybus

Größeres Defekt- und Schadenpotenzial hat das zweite perfekt auf Vans zugeschnittene Einsatzgebiet: das private Discotaxi. Verständnisvolle Eltern leihen dem gerade volljährigen Nachwuchs das Familienauto, was dazu führt, dass dieser auf der Beliebtheitsskala innerhalb des Freundeskreises unweigerlich ganz nach oben rutscht. Weil er das Auto fährt, in das die meisten Freunde reinpassen.

3. Der Heimwerker-Traum

"Schatz, wir müssen endlich mal wieder die Einfahrt neu pflastern", sagt er. "Aber das hast du doch erst im letzten Jahr gemacht", sagt sie. "Egal, das muss neu!", sagt er und fängt direkt an, die Sitze des Vans auszubauen oder umzuklappen - je nachdem, welches Modell er fährt. Jeden zweiten Samstag macht er sich direkt nach dem Frühstück auf den Weg zum Baumarkt. Welch ideales Fahrzeug er da hat, wird ihm bewusst, als der Gabelstapler eine komplette Europalette im Kofferraum unterbringt. Dass das Auto danach tief in den Federn hängt, nimmt er in Kauf. Ein Van ist schließlich auch ein Nutzfahrzeug. Und bis zur heimischen Einfahrt sind es ja nur ein paar Kilometer - die schafft er auch hoffnungslos überladen. Am Nachmittag geht es zur Waschanlage, um den automobilen Lastesel von Grund auf zu reinigen - und damit auch das eigene Gewissen.

4. Der Beachboy

Es muss nicht immer Australien oder Hawaii sein. Auch Europa hat schöne Surfspots. Wer mit dem eigenen Surfboard die höchsten Wellen des Kontinents reiten möchte, kommt um einen Van kaum herum. Den meisten Kombis fehlt schlicht die Länge im Innenraum. Das Brett müsste auf das Dach und wäre dort schutzlos dem Wetter ausgesetzt. Die große Lösung wäre ein VW Bus, aber der Bulli ist auch gebraucht so teuer, dass man Abstriche beim Equipment machen müsste. Oder bei der Länge des Surfurlaubs. Also lieber beim Gebrauchtwagenhändler an der Ausfallstraße einen günstigen Van erstehen und den Wellen hinterherfahren. Dass das Auto uncool ist, ist kein Problem. Den per se hohen Coolnessfaktor eines Surfers kann das nicht erschüttern.

Die Mercedes V-Klasse

Surferboys mit üppigem Budget: Die Mercedes V-Klasse ist nicht billig.

(Foto: WGO)

5. Das Festivalmobil

Hat man die Dreißiger erst erreicht, bahnt sich für passionierte Festivalgänger ein echtes Dilemma an. Der Reiz, drei Tage am Stück vor der Bühne zu stehen, wegen guter und vor allem lauter Musik temporär sein Gehör zu verlieren und sich seinen musikalischen Helden völlig hinzugeben, ist noch immer groß. Die Party auf dem Campingplatz muss auch sein. Aber das mit dem Zelt, das muss man sich nun wirklich nicht mehr antun. Ins Hotel? Die Blöße will man sich erst recht nicht geben. Ein Glück, dass da ein Van im Carport steht. Mit dem lässt sich alles verbinden: Für die Fahrt zum Festivalgelände braucht man sowieso ein Auto. Zwei Schlafplätze sind ebenfalls vorhanden. Und wenn der Regen kommt, bleibt man auch noch trocken. Blöd nur, dass das Festivalmobil nach den Exzessen grundgereinigt werden muss. Schließlich muss es ab Montag wieder für seine anderen Aufgaben bereit stehen.

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