Wohnwagen-Kultur:Zigeunerwagen mit Erkern

Dem Wohnwagen-Bauer Knaus droht die Schließung - ein Abgesang auf eine Reisekultur von gestern.

Alex Rühle

Erfunden haben die Dinger natürlich die Briten, genauer Dr. Gordon Stables, der für sein Leben gern den Süden Englands durchstreifte. 1885 baute er sich einen Wohnwagen, der von zwei Pferden gezogen wurde und nannte ihn "Wanderer". Wahrscheinlich könnte man aus diesem einen Gefährt vierzig Seiten Wesensunterschiede zwischen Briten und Deutschen herausdestillieren. Der Wanderer war relativ unpraktisch, verfügte dafür aber über vergoldete Kerzenleuchter, Perserteppiche, eine Küche und einen Käfig für das Kakaduweibchen Polly. Die Briten, die des Gefährts ansichtig wurden, waren begeistert, schon wenige Jahre später gab es den ersten British Caravan Club.

Wohnwagen-Kultur: Kurzurlaub: das "Schwalbennest" von Knaus, 1961.

Kurzurlaub: das "Schwalbennest" von Knaus, 1961.

(Foto: Foto: P.J. Joeressen)

Die Deutschen hingegen haben alles einer Frau zu verdanken. Fridel Edelmann, ihres Zeichens Landschaftsmalerin, war es leid, dass ihr Verlobter Arist Dethleffs fortwährend ohne sie unterwegs war, als Peitschen- und Skistockvertreter. So wünschte sie sich 1931 von ihm, "so etwas Ähnliches wie einen Zigeunerwagen, in dem wir beide gemeinsam fahren und ich noch malen könnte". Zur Hochzeit erfüllte Dethleffs ihr den Wunsch, ein Gefährt ganz nach Landschaftsmalerinnenbegehr (richtiger Lichteinfall, Platz für die Staffelei). Das ist insofern bemerkenswert, als nach dem Krieg der Wohnwagen so gar nichts vom Künstlergefährt an sich hatte, sondern durch und durch spießige Zweckmäßigkeit atmete.

In die ersten Modelle der Nachkriegszeit musste man sich noch ungefähr so hineinklemmen wie dieser Text in die engen Spalten. Wohnwagenurlaub, das bedeutete anfangs eiserne Packaskese. Sie mussten klein sein, die Anhänger der fünfziger Jahre, schließlich waren die Autos der Nachkriegszeit schwachbrüstige Gefährte, der VW Käfer durfte mit seinen 25 PS nicht mehr als 400 Kilo ziehen, weshalb bei der Konstruktion an allem gespart wurde. Das erste Modell der Firma Tabbert hieß "Ideal", was ein relativ selbstbewusster Name ist für das winzige Wohnei; das erste Modell von Knaus trug den sehnsuchtsvollen Namen "Südwind", beide erinnern sie an Sputnik, die aluglitzernde Kugel, in der der russiche Hund Laika im selben Jahr, 1957, ins All geschleudert wurde.

Zigeunerwagen mit Erkern

Knaus und Tabbert fusionierten später und brachten hunderttausende Deutsche in die Ferne. Man kann an den Modellen der Firma Knaus den explodierenden Wohlstand der Deutschen sehen, die Modelle gingen noch schneller in die Breite als der Wirtschaftswunderminister Erhard zur selben Zeit. Erhard sagte Anfang der sechziger Jahre, die "Republik auf Rädern" sei für ihn eines der schönsten Zeichen des Wohlstandes. Aber wie man den Wagen auch drehte und wendete, am Ende blieben zwischen Bett und Tisch ein Meter zwanzig und zwischen Herd und Klo neunzig Zentimeter Platz, so dass Knaus seinen Käufern Tipps mitgab, wo man beim Verreisen noch am Gepäck sparen könnte.

Mit dieser defensiven Haltung würde man das Wesen des modernen Wohnmobil-Urlaubs schon im Ansatz verfehlen, denn heute geht es gerade darum, am besten seine ganze Wohnung mitzunehmen: Der Kofferraum heißt in der Fachsprache Garage, was nicht zu viel versprochen ist. Solch ungezügeltes Wachstum wurde erst durch die Wohnmobile möglich, diese Gefährte konnten im Gegensatz zu den Anhängern so unkontrolliert expandieren wie zuletzt nur der amerikanische Finanzmarkt.

Es scheint eine Art Rüstungsspirale zu geben um die protzigsten Modelle, selbst mittlere Wagen sind mittlerweile groß wie ICE-Abteile. Die Firma Hymer schreibt über ihre aktuellen Modelle, diese strahlten in der Farbkombination "Weiß/Metallic "souveräne Überlegenheit aus". Die S-Klasse ist in den Farbtönen "Champagner und Smaragd" zu haben. Der Mammutmobilheimbauer Teschner wirbt mit "Jachtstil statt Camperplüsch"; wenn sein 14 Meter langes Riesenmobil seine beiden Erker ausfährt, ist das Gefährt 3,40 Meter breit.

Vielleicht ist es dieses Wettrüsten, das jetzt auch die Knaus Tabbert Group, jenes Unternehmen, das vor über fünfzig Jahren so überaus zart begann, vor existenzielle Probleme stellt; tatsächlich scheint die Branche ums Überleben zu kämpfen, plötzlich wollen dieselben Leute, die letztes Jahr noch auf Champagnerfarben und Jachtstil schworen, sparsame Modelle. Jedenfalls ist aus dem Bayerischen Wald zu hören, dass die Knaus Tabbert Group vor dem Aus steht, 700 Angestellte zittern um ihren Arbeitsplatz.

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