Wohnmobil:Eintagscamper

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Läufer und die Mercedes V-Klasse bei der Challenge Roth. (Foto: Annette Hempfling)

Von einem, der auszog, um urbanes Zelten zu lernen: Eine unruhige Nacht mit der Mercedes V-Klasse beim Triathlon Challenge Roth. An den Matratzen liegt es jedenfalls nicht. Eher an den Fans, die vor dem Rennen feiern.

Von Joachim Becker

Ein Bett im Kornfeld? Mag ja sein, dass dort immer etwas frei ist. Der Bauer dankt und die müden Knochen auch. Ein wenig Komfort darf es schon sein, wenn man so etwas vor sich hat: 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42 Kilometer Laufen. Ein Tag am körperlichen und mentalen Limit. Nicht nur für die Triathleten, sondern auch für Tausende freiwillige Helfer und die Betreuer: Hinter den Startern stehen Familien und Freunde, die nach Monaten der Vorbereitung an der Rennstrecke mitfiebern. Triathlons gehören landauf, landab zum populären Freizeit- und Fitnessprogramm. Anders als bei den üblichen Halbdistanzen brauchen Profisportler für die Challenge Roth meist acht bis neun Stunden. Gefeiert werden aber nicht nur die Profis aus der ersten Startergruppe, sondern auch die folgenden 3400 Einzelstarter und 650 Staffeln. Elfeinhalb Stunden nach dem ersten Startschuss am Main-Donau-Kanal sind erst 750 Athleten im Ziel. An der Rennstrecke geht es immer weiter, auch wenn die körperlichen Strapazen unerträglich werden. Es sind Bilder wie der Anstieg am Solarer Berg auf der Radetappe, die das mittelfränkische Städtchen über Deutschland hinaus bekannt gemacht haben: Wo sonst kann man als Amateur den Jubel Zehntausender Zuschauer erleben? "Es ist unglaublich motivierend, durch diese begeisterte Menschenmenge zu fahren", ist von vielen Teilnehmern zu hören. Die Challenge Roth ist nicht nur ein einsamer Kampf der Eisenmänner und -frauen, sondern auch eine Art Familienfest. So groß ist diese Triathlon-Familie mit Startern aus 76 Nationen, dass schon Monate vor dem Rennen im weiten Umkreis kein Bett mehr zu kriegen ist. Camping ist also angesagt. Am besten mitten in Roth, damit der Weg zwischen den verschiedenen Wettkampfetappen immer wieder an diesem Basislager mit Kühlschrank vorbeiführt. Gut geeignet ist ein relativ schlanker Bus wie die Mercedes V-Klasse. Mit ein paar Extras ist die Marco Polo Edition so komfortabel und gediegen eingerichtet, wie man es von einem Mercedes in der Fünf-Meter-Klasse erwartet. Für ein Klo oder eine Dusche reicht der Platz aber nicht aus. Beim "Urban Camping" in der idyllisch gepflasterten Altstadt tut es auch der nächste Italiener, zumindest für die Katzenwäsche und den Kaffee-Nachschub. Die bordeigene Küche werden wohl nur die wenigsten Besitzer des Marco Polo schmutzig machen. Genauso wenig wie die Designerküche zu Hause. Dafür ist der ganze Hausstand auf der Autobahn ziemlich schnell unterwegs. Mit nicht mehr als zwei Passagieren passen sogar zwei Mountainbikes in den Wagen. Doch der schicke Express-Transporter ist nicht gerade billig. Genau wie ein neuer "Bulli", also ein T-Modell von VW, ist auch der Marco Polo kein Studentenlaster. Schon der Grundpreis liegt über 60 000 Euro, weshalb das gute Stück genauso wenig durch das Gelände kraxeln dürfte wie die meisten ähnlich teuren SUV. Trotzdem erfreuen sich Reisemobile größter Beliebtheit: 2017 wuchs ihre Gesamtzahl um knapp 17 Prozent auf rund eine halbe Million Fahrzeuge. Zieht man dann noch in Betracht, dass heimische Reiseziele bei den Deutschen am höchsten im Kurs stehen und Bayern das Camping-Bundesland Nummer eins ist, dann liegt unser Nächtigungsversuch in Roth punktgenau im Trend. Aber liegt es sich auch gut? Das ist kein Urlaub, sondern die Vorbereitung zur Challenge Roth.

An den Matratzen liegt es jedenfalls nicht, dass die Nacht vor dem Rennen unruhig verläuft. Die Sitzmöbel lassen sich mit etwas Nachdruck verschieben, flachlegen und wie eine Luftmatratze elektrisch aufpumpen. Auch in der oberen Etage ist reichlich Platz, wenn das Dach aufgeklappt wird. Zur Not würde das fahrbare Stockbett für vier Personen reichen, zu zweit kommen King-Size-Gefühle auf. Doch wie das so ist mit dem Campen in der Heimat: Fast überall ist es voll und entsprechend laut.

Mag schon sein, dass Triathleten früh schlafen gehen. Doch viele Fans wollen in der Nacht vor dem Rennen feiern. Der dünne Zeltstoff am Klappdach schützt vor Regen, gegen Scheinwerferlicht und das Lärmen auf dem Kopfsteinpflaster hilft er wenig. Urban Camping ist genauso ruhelos wie die Nacht auf einem überfüllten Zeltplatz an der Adria. Am nächsten Tag ist alles vergessen und verjubelt. Nach 15 Stunden macht die Rennleitung Schluss, auf den Straßen liegen 60 000 weiße Schwämmchen, mit denen sich die Läufer abgekühlt haben. Viele sind derart auf Adrenalin, dass im Zielbereich bis zum nächsten Morgen weitergefeiert wird. Wer braucht schon ein Bett bei der Challenge Roth?

© SZ vom 07.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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