Winterdienst:Weiß der Himmel

Das von der EU geförderte Projekt "Golden Ice" sorgt satellitengesteuert dafür, dass nicht mehr Salz auf winterliche Straßen kommt als nötig.

Helmut Martin-Jung

"Eigentlich", sagt Paolo Mulassano, "eigentlich ist alles ganz simpel. Stellen Sie sich ein Gerät vor wie ein einfaches Navi, bloß noch schlauer." Schon diesen Winter soll das Kästchen dafür sorgen, dass Gemeinden in Italien und Tschechien weniger Geld für Streusalz ausgeben müssen und die Umwelt weniger belasten.

Winterdienst Salz

Die Menge macht's: Mit Technik, die an den Bedarf angepasst ist, lässt sich Salz sparen.

(Foto: dpa)

Mulassano ist Elektroingenieur am Istituto Superiore Mario Boella in Turin und außerdem für das ebenfalls dort beheimatete Innovation Center der Softwarefirma Microsoft verantwortlich. Mit Partnerfirmen aus mehreren europäischen Ländern und gefördert von der EU entstand im Rahmen des Projektes "Golden Ice" eine Technologie, die den Winterdienst optimieren hilft.

Was könnte man besser machen als den Hebel fürs Salz am Streuwagen mal aufzumachen und mal zu schließen? Das fragte sich Enzo Giletta, Chef des gleichnamigen italienischen Herstellers von Salzstreu-Vorrichtungen, schon länger.

Die Lösung kam sozusagen vom Himmel. Die EU suchte nach geeigneten Projekten, mit denen sich der Nutzen des geplanten Satelliten-Navigationssystems Galileo zeigen ließe. Die Idee, das Salzstreuen den jeweiligen Gegebenheiten der Straße anzupassen, kam da gerade recht.

Sie funktioniert so: Eine sogenannte Onboard-Unit (OBU) - das schlaue Navi - ist verbunden mit der Steuerung der Salzstreuanlage eines Fahrzeugs, erklärt Paolo Mulassano. Eine genaue Karte des Einsatzgebietes enthält Informationen über verschiedene Parameter, zum Beispiel die Breite der Straße, oder ob es sich um eine Brücke handelt. Da nämlich die Fahrbahnen auf Brücken wegen der exponierten Lage schneller vereisen, muss hier mehr Salz pro Quadratmeter gestreut werden.

Weil GPS dafür nicht genau genug ist, nutzt man bei Golden Ice auch noch den Dienst EGNOS. Dieser "European Geostationary Navigation Overlay Service", an dem viele deutsche Firmen maßgeblich mitarbeiten, ist ein Vorläufer des geplanten europäischen Satellitennavigationssystems Galileo und dient dazu, die Daten zu korrigieren, die GPS liefert und sie so genauer zu machen. Nun weiß die OBU sehr genau, wo das Fahrzeug ist und stellt die Salzgabe entsprechend ein.

Salz ist teuer, das Sparen lohnt sich

Das System soll künftig nicht nur statische Daten berücksichtigen, sondern sich auch individuell anpassen lassen, zum Beispiel, wenn sich auf einem bestimmten Straßenabschnitt immer wieder Unfälle ereignen. Diese Änderungen können dann gespeichert und auf der nächsten Fahrt automatisch wieder berücksichtigt werden. Schon eingerichtet ist die Funktion, die automatisch die Wettervorhersage mit einbezieht. "Die Fahrzeuge können dann schon vorbeugend mehr Salz streuen."

Insgesamt aber soll die Einführung des Systems natürlich Salz sparen und damit nicht nur die Gemeindekassen schonen sondern auch die Umwelt. Bis zu 30 Prozent Salz, zieht Mulassano Bilanz, habe man während der Testfahrten einsparen können. In diesem Winter wird sich nun in den italienischen Alpen und in Tschechien zeigen, wie sich das System in der Praxis bewährt. Die Projektphase ging kürzlich zu Ende, die abschließende Vorführung in Prag sei "ein großer Erfolg" gewesen, sagt Mulassano.

Ein Vorteil von Golden Ice ist, dass es auch auf älteren Fahrzeugen installiert werden kann, die Anpassung könnten Fachhändler vornehmen, so Mulassano. Auch die Fahrer müssen geschult werden, während der bisherigen Einsätze bedienten immer Projektmitarbeiter die Geräte.

Weil sie die OBU ohnehin von Grund neu entwickelten, berücksichtigten die Ingenieure auch gleich noch eine weitere EU-Auflage. Künftig müssen Neuwagen mit dem System eCall ausgestattet sein. Hinter dem Begriff verbirgt sich ein kleines Kästchen mit Sensoren eines Mobilfunksenders. Registriert das Gerät beispielsweise einen harten Aufprall, setzt es automatisch einen Notruf an die Rettungsleitstelle ab. Die OBU haben zusätzlich einen roten Knopf, mit dem die Fahrer melden können, wenn sie einen Unfall sehen. "Das kommt sehr häufig vor", weiß Mulassano.

Salz sparen könnte auch eine Technik zum Ausbringen, die man in der Bundesanstalt für Straßenwesen getestet hat. Das Salz wird dabei als flüssige Lösung gesprüht, nicht wie üblich angefeuchtet gestreut. Dieses Verfahren habe sich in Skandinavien bewährt. Die Umstellung der Maschinen wird aber dauern.

Dass das Interesse für neue Techniken groß ist, verwundert nicht, denn nach dem vergangenen Winter, in dem vielen Kommunen das Salz ausgegangen war, haben viele diesmal größere Mengen geordert. Die Hersteller nutzten die gestiegene Nachfrage und langten kräftig zu. Teilweise kostete das Salz 42 Prozent mehr als im Jahr davor, im Schnitt betrug die Teuerung 20 bis 30 Prozent, bilanziert der Autoclub Europa.

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